Attraktive Alternative
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Digitale Finanzwelt

Attraktive Alternative

Interview: Rainer Böhme | Zeppelin Universität
12.10.2018
Als fokussierte Spezialisten sind Fintechs häufig besser in der Lage, Kundenbedürfnisse schneller bedienen zu können. Dies macht sie gerade für KMU besonders attraktiv, da sie ihnen einen direkten und bequemen Zugang zu neuen Finanzierungsquellen bieten können. Insofern ist zu erwarten, dass Finanzinstitutionen künftig noch stärker auf verschiedene Weise mit Fintechs interagieren müssen: vom harten Wettbewerb bis zur Zusammenarbeit.

Prof. Dr. Mark Mietzner
Lehrstuhl für Bank- und Finanzwirtschaft und Dean der ZU Executive Education
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Mark Mietzner

    Mark Mietzner studierte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main Betriebswirtschaftslehre. 2008 promovierte er an der European Business School (EBS) in Oestrich-Winkel über „Changes in Corporate Governance and Corporate Valuation“. Vor seinem Wechsel an die ZU war er an der Technischen Universität Darmstadt tätig. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Themen aktivistische Aktionäre, Corporate Governance sowie die sogenannten „Special Purpose Acquisition Companies (SPACs)“, also börsennotierte Gesellschaften ohne eigenes operatives Geschäft mit dem Ziel von Unternehmensübernahmen, und „Credit Default Swaps (CDS)“, die Kreditderivate zum Handel von Ausfallrisiken von Krediten.

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Welche Veränderungen bringen die Fintechs für die Finanzindustrie mit sich?

Prof. Dr. Mark Mietzner: Der technologische Fortschritt und eine zunehmende Digitalisierung der Geschäftsprozesse bei Finanzintermediären verändern die Finanzindustrie insgesamt und insbesondere die Art und Weise, wie und durch wen externes Kapital für unternehmerische Aktivitäten bereitgestellt wird. Dabei finden Finanztransaktionen zunehmend automatisiert auf anonymen Märkten statt, was es Hightech-Start-ups mit innovativen (digitalen) Geschäftsmodellen – eben den Fintechs – ermöglicht, Dienstleistungen transparenter, kostengünstiger und effizienter als klassische Finanzinstitutionen anzubieten. Als fokussierte Spezialisten in Bezug auf Teile der Wertschöpfungskette von Finanzinstitutionen bieten Fintechs einen Mehrwert für Privat- und Geschäftskunden und treten zunehmend in den Bereichen Finanzierung, Vermögensmanagement und Zahlungsverkehr in den Wettbewerb zu Banken.


Was bedeutet dies für Unternehmen, insbesondere für KMU?

Mietzner: Mit Blick auf die Finanzierung von Unternehmen hat dieser industrielle Wandel insbesondere für Länder mit einem bankbasierten Finanzsystem und einem charakteristisch hohen Anteil an Fremdkapital bei der Unternehmensfinanzierung – wie es etwa in Deutschland der Fall ist – weitreichende Implikationen. Während hierzulande große Unternehmen typischerweise auf eine kapitalmarktbasierte Außenfinanzierung zurückgreifen, waren mit einem Gesamtvolumen von 284 Milliarden Euro im Jahr 2015 nach wie vor Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstitutionen die wichtigste externe Finanzierungsquelle bei KMU, die als Unternehmen mit Umsätzen unter 50 Millionen Euro definiert werden.


Zugleich ist aber auch ein deutlicher Trend erkennbar, dass die Finanzierung über Bankkredite seit Jahren systematisch an Bedeutung verliert, was sich nach der Finanzkrise noch einmal beschleunigte. Ein Grund für die aktuell rückläufige Dynamik ist, dass es nach der Finanzkrise für viele KMU schwieriger wurde, eine Bankfinanzierung zu erhalten oder zu erhöhen, da die Kreditinstitute entweder nicht bereit oder nicht in der Lage waren, Kredite bereitzustellen.

Der Begriff Fintech setzt sich aus den Anfangssilben von Finanzdienstleistungen und Technologie zusammen. Mit Fintech wird die Branche bezeichnet, in der Finanzdienstleistungen mit Technologie verändert werden. Fintechs sind die Unternehmen, die das tun. Fintechs sind häufig Start-ups, aber nicht immer. So gerät der Finanzsektor in diesen Bereichen also nicht durch eigene, der Branche zugehörige Finanzdienstleister in Bedrängnis, sondern zunehmend durch technologiegetriebene Unternehmen, die sich digital und mit großer Dynamik in den Markt für leicht zu standardisierende Finanzprodukte und -dienste drängen, um Kunden und Marktanteile zu gewinnen.
Der Begriff Fintech setzt sich aus den Anfangssilben von Finanzdienstleistungen und Technologie zusammen. Mit Fintech wird die Branche bezeichnet, in der Finanzdienstleistungen mit Technologie verändert werden. Fintechs sind die Unternehmen, die das tun. Fintechs sind häufig Start-ups, aber nicht immer. So gerät der Finanzsektor in diesen Bereichen also nicht durch eigene, der Branche zugehörige Finanzdienstleister in Bedrängnis, sondern zunehmend durch technologiegetriebene Unternehmen, die sich digital und mit großer Dynamik in den Markt für leicht zu standardisierende Finanzprodukte und -dienste drängen, um Kunden und Marktanteile zu gewinnen.

Sind Fintechs für KMU eine neue, attraktive Alternative?

Mietzner: Als Antwort auf Veränderungen im Kreditvergabeverhalten der Banken begannen viele Unternehmen nach Alternativen zu suchen, um ihren Kapitalbedarf zu finanzieren und damit nicht länger auf Bankkredite als ihre Hauptkapitalquelle angewiesen zu sein. Dabei könnten speziell KMU, denen in der wissenschaftlichen Literatur ein begrenzter Zugang zu Finanzierungsquellen attestiert wird, von den Dienstleistungen und Produkten der schnell wachsenden Finanztechnologie-Industrie profitieren. Denn für sie bieten die meistens plattformbasierten Geschäftsmodelle der Fintechs neben einem direkten Zugriff auf neue Finanzierungsmöglichkeiten, wie Crowdfunding, Crowdlending oder Factoring über Suchmaschinen und Vergleichsportale auch einen Überblick über vielleicht attraktivere Finanzierungskonditionen an. Damit besitzen Fintechs zumindest das Potential, Finanzierungslücken bei KMU zu schließen und Alternativen zu den – aufgrund der Umsetzung der Basel II und III Regulierungen – höheren Kreditkosten aufzuzeigen.


Allerdings greift eine zunehmende Kosten- und Markttransparenz bei Finanzierungsprodukten zugleich auch die Wertschöpfungskette und das Wertversprechen von Hausbanken an. Für KMU bieten Fintechs daher nicht nur einen höheren Kundennutzen, sondern können auch Verhandlungsmacht von Banken hin zu KMU verlagern, sofern die Bonität der Unternehmen gegeben ist.


Was folgt daraus für die Hausbanken?

Mietzner: In jedem Fall sollte eine zunehmende Transparenz den ohnehin schon hohen Margendruck im Kreditgeschäft weiter verstärken. Für Banken, die bislang wegen der Komplexität des Kreditmarktes und der großen Markteintrittsbarrieren nur dem Wettbewerb untereinander ausgesetzt waren, bedeutet diese Entwicklung, dass sie ihr spezifisches Wissen über knappe und für KMU wertvolle Ressourcen nicht länger vor Wettbewerb von außen schützt. Diese Annahme deckt sich auch mit der Prognose im Global Banking Annual Review 2015 von McKinsey, dass bis 2025 als Folge zunehmender Digitalisierung und dem Markteintritt von Fintechs in den fünf Hauptgeschäftsfeldern Konsumfinanzierung, Hypotheken, Finanzierung, Massenzahlungssysteme und Vermögensmanagement 10 bis 40 Prozent der Umsatzerlöse und 20 bis 60 Prozent der Gewinne von Banken gefährdet sind. Als Reaktion auf dieses neue Wettbewerbsumfeld sollten Banken und Finanzinstitutionen ihre Geschäftsmodelle weiterentwickeln und transformieren, um die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den neuen Marktteilnehmern zu verbessern.

Wie werden die Banken auf Fintechs reagieren?

Mietzner: Neue technologische Entwicklungen, ein sich veränderndes Wettbewerbsumfeld und ein sich änderndes Kundenverhalten sollten Banken dazu veranlassen, ihr aktuelles Geschäftsmodell zu überdenken. Denn eine zunehmende Preis- und Produkttransparenz im Kreditgeschäft durch Fintechs, ein kontinuierlicher Rückgang an Bankkrediten bei der Unternehmensfinanzierung aufgrund einer verbesserten Innenfinanzierung und ein diversifizierterer Finanzierungsmix durch den Zugang zu alternativen Finanzierungsquellen verleihen Unternehmen eine enorme Verhandlungsmacht gegenüber Banken. Für die im Markt aktiven Banken bedeutet dieser Wandel, dass sie heute mehr denn je ihr Geschäftsmodell an den Bedürfnissen der Kunden ausrichten müssen, um diesen Markt nicht Neueinsteigern, wie Fintechs, zu überlassen.


Als fokussierte Spezialisten sind Fintechs häufig besser in der Lage, Kundenbedürfnisse schneller bedienen zu können. Dies macht sie gerade für KMU besonders attraktiv, da sie ihnen einen direkten und bequemen Zugang zu neuen Finanzierungsquellen bieten können. Insofern ist zu erwarten, dass Finanzinstitutionen künftig noch stärker auf verschiedene Weise mit Fintechs interagieren müssen: vom harten Wettbewerb bis zur Zusammenarbeit. Dabei kann eine Kooperation zwischen Banken und Fintechs auch die Möglichkeit bieten, Grenzkosten zu senken, die eigene Produktivität zu steigern, Zugang zu Innovationen zu erhalten oder Dienstleistungen bereitzustellen, die eine Bank selbst nicht anbieten möchte.

Die deutsche Bank N26 gilt als eines der europäischen Vorzeige-Fintechs: N26 wurde im Jahr 2013 von Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal gegründet, die Retail Banking völlig neu für den heutigen mobilen Lifestyle gestaltet haben. Seit der Markteinführung im Januar 2015 ist N26 auf mehr als eine Million Kunden in 17 europäischen Ländern gewachsen und plant den Markteintritt in die USA und nach Großbritannien in diesem Jahr. N26 hat 2018 insgesamt 215 Millionen US-Dollar von weltweit renommierten Investoren eingesammelt, darunter Allianz X, Tencent Holdings Limited, Li Ka-Shings Horizons Ventures, Peter Thiels Valar Ventures, Mitglieder des Zalando Managements und Earlybird Venture Capital. N26 beschäftigt 430 Mitarbeiter und hat Büros in Berlin und New York.
Die deutsche Bank N26 gilt als eines der europäischen Vorzeige-Fintechs: N26 wurde im Jahr 2013 von Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal gegründet, die Retail Banking völlig neu für den heutigen mobilen Lifestyle gestaltet haben. Seit der Markteinführung im Januar 2015 ist N26 auf mehr als eine Million Kunden in 17 europäischen Ländern gewachsen und plant den Markteintritt in die USA und nach Großbritannien in diesem Jahr. N26 hat 2018 insgesamt 215 Millionen US-Dollar von weltweit renommierten Investoren eingesammelt, darunter Allianz X, Tencent Holdings Limited, Li Ka-Shings Horizons Ventures, Peter Thiels Valar Ventures, Mitglieder des Zalando Managements und Earlybird Venture Capital. N26 beschäftigt 430 Mitarbeiter und hat Büros in Berlin und New York.

Was heißt das aus strategischer Sicht?

Mietzner: Aus strategischer Sicht erscheint es für etablierte Banken aber auch aus einem weiteren Grund vorteilhaft zu sein, mit Fintechs künftig zusammenzuarbeiten, da diese sich allein schon aufgrund der enormen Größe des für sie potenziell adressierbaren Marktes nicht zurückziehen werden. Dieses Marktpotenzial kann aus dem zuvor ermittelten Gesamtvolumen an KMU-Krediten in Höhe von 293 Milliarden Euro abgeleitet werden. Dazu bedarf es allerdings noch einer Einschätzung der potenziellen Marktdurchdringung.


Mit Blick auf Großbritannien zeigt sich, dass im Jahr 2015 bereits 13,9 Prozent der KMU mit Hilfe von Fintechs finanziert wurden. Wird von dem für 2016 ermittelten Marktvolumen und einem im Vergleich zu Großbritannien konservativeren Marktanteil von 10 Prozent ausgegangen, beläuft sich das derzeitige Marktpotenzial für Fintechs im Bereich der KMU-Kreditfinanzierung auf 29,3 Milliarden Euro. Mit Blick auf das Volumen der im Jahr 2015 über Fintechs vermittelten Kredite in Höhe von knapp 140 Millionen Euro und einem angekauften Forderungsvolumen von über 500 Millionen Euro ergibt sich ein erhebliches Wachstumspotential für die neuen Akteure und eine große Chance für KMU.

Titelbild: 

| Deutsche Bank / Flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0) | Link


Bilder im Text: 

| CafeCredit.com / Flickr.com (CC BY 2.0) | Link

PeterJuracek / Eigenes Werk (CC BY-SA 4.0) | Link


Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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