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Ramona Maria Kordesch wurde 1986 in Klagenfurt am Wörthersee geboren. Nach dem Studium der katholischen Theologie und der angewandten Relgionswissenschaften in Graz und Tübingen, fokussierte sie sich im Rahmen ihrer Promotion auf den interdisziplinären Dialog zwischen Theologie und Wirtschaft. Zusätzlich analysierte Kordesch im Rahmen ihrer Arbeit aktuelle wirtschafts-ethische Fragen der Kirche.
Seit Mai 2013 arbeitet Kordesch an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen und forscht dort als Mitglied des CiSoC's über innovatiove Systeme für Wohlfahrtsorganisationen im Rahmen einer Projekt-Kooperation mit dem Diözesancaritasverband Rottenburg-Stuttgart.
Beobachter sprachen von einer neuen Diskurs- und Streitkultur, ähnlich der, die die Konzilsväter im Rahmen des Zweiten Vatikanums (1962-1965) bereits erlebt hätten. Doch bei aller Freude über das demonstrierte Einheitsbewusstsein der Synodenväter muss zu bedenken gegeben werden, dass man in kirchenpolitischen Kontexten schnell verleitet ist, den charismatischen Moment über zu bewerten.
Was als Fakt begriffen werden darf, ist ein 50 Seiten langer und in fast 90 Kapitel gegliederter Text, der im Stil des ethischen Dreischritts von Kardinal Joseph Cardijns (1882-1967) beziehungsweise als bewährte Methode der Katholischen Arbeiterbewegung (KAB) – Sehen-Urteilen-Handeln – verfasst ist. Als gutes Zeichen darf angesehen werden, dass die meisten Kapitel mit großer Mehrheit verabschiedet wurden.
Versucht man eine hermeneutische Betrachtung desselben, fällt auf, dass der Text weitgehend auf dogmatisch-strikte, belehrende Hinweise verzichtet und weiten Raum lässt für ein individual-ethisches Kalkül zur differenzierten und differenzierenden Betrachtung. Weil die „Dynamik der Barmherzigkeit“ allein vorschreibt, stets den Einzelfall – das konkrete menschliche und von Gott berufene Leben – zu sehen und zu beurteilen, zeigt sich der eigentliche Charakter des Textes und der Synode als Ganzes.
Auch wenn die brennenden Themen, allen voran die theologischen Probleme in Bezug auf wiederverheiratete Geschiedene oder Homosexualität, als zentrale theologisch-systematische Fragen gewertet werden dürfen und hierbei ein lehrhaftes Überdenken zeitgemäß wie notwendig erscheint, dürfen sie den pastoral-theologischen Charakter einer Bischofssynode nicht überdecken. Es ging in Rom nie um eine grundsätzliche Korrektur der kirchlichen Lehre hinsichtlich der „Zeichen der Zeit“, es ging vielmehr um eine neue Interaktionsqualität oder vereinfacht gesprochen: um einen angemessenen seelsorgerischen Umgang der kirchlichen Pastoral mit Menschen, die direkt oder indirekt von diesen Fragestellungen betroffen sind. Es ist deshalb nur angebracht, wenn sich der Leser hinsichtlich einer Ergebnissicherung die Frage nach hinreichender Genugtuung stellt.
Es muss nämlich schnell deutlich werden, dass die innere Problemstellung einer Bischofsversammlung viel komplexer ist, als es die Medien und alle nachgehenden Reflexionen vermuten lassen. Handelt es sich doch um eine vom Zweiten Vatikanischen Konzil überkommende Problematik, die auch anhand der Ergebnisperspektiven der Bischofssynode aufgeschlüsselt werden kann und in folgender zentraler Frage sowohl ihren Ausgangspunkt als auch ihr unauflösliches Dilemma findet:
Kann die Kirche das „despositum fidei“ – das Glaubensgut – ändern?
Der systematische Deutungszusammenhang der katholischen Theologie und Dogmatik kennt drei Erkenntnisquellen der Offenbarungswahrheit: Schrift, Tradition und Lehramt. Die auf der Synode diskutierten und bereits oben beschriebenen Problematiken lassen sich als „Zeichen der Zeit“ – als „signa temporum“ – deuten. Dieser Begriff ist deshalb so dienlich, weil es mit ihm möglich wird, theologische, anthropologische und sozialwissenschaftliche Perspektiven zu verbinden. Zusätzlich birgt der Begriff eine sozio-historische und eschatologische Dimension. Die „signa temporum“ gelten mit dem katholischen Theologen Leonardo Boff „als Wegmarken des Reiches Gottes“ und sind folglich keine beiläufige Beschäftigung, sondern eine prinzipielle Herausforderung für jeden Christen, indem sie zeigen, dass das Christentum eine Religion der Gegenwart ist, die zu aktivem Handeln aufruft. Würde man mit ihnen aber gleichzeitig eine Offenbarungswahrheit im strengen Sinne bezeichnen, missachtet man ihre tatsächliche Dienstbarkeit – nämlich das Deutlichwerden einer inneren Suche nach zeitgemäßen Ausdrucksformen des christlichen Lebens.
Als Fazit für die Zuversichtlichen unter uns darf festgehalten werden: Wenn die Kirche weiter in der Debatte um die Unauflöslichkeit der Ehe wesentlich mit entsprechenden „Herrenworten“ des Evangeliums argumentiert, muss sie entweder diese Argumentationsgrundlage aufgeben oder das damit intendierte Richtmaß der Offenbarungsgebundenheit und der Offenbarungswahrheit ändern. Unwahrscheinlich! Deshalb ist auch zutreffend, was der deutsche Kurienkardinal Reinhard Marx in seinem Wortbeitrag vor der Bischofsversammlung formulierte: „Es kann keine Pastoral ohne die Lehre geben, aber auch keine Lehre ohne Pastoral.“ Auch der Abschlusstext der Bischofssynode kommt deshalb nicht an dogmatischen Fragen, die den Sinn der Gebote und die Wertigkeit der moralischen Normen betreffen, vorbei. Die katholische Welt kennt keine Pastoral des „alles oder nichts!“ (Reinhard Marx). Mit jedem weiteren vorgehaltenen Argument eines notwendigen Paradigmenwechsels wäre weder der Kirche noch „der Welt“ hinreichend geholfen.
Titelbild und Bilder im Text: Bundesministerium für Europa, Integration und Äusseres (Österreich) / flickr.com (CC BY 2.0)