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Marcel Reif begann seine Fernsehkarriere beim ZDF: zunächst als freier Mitarbeiter in der politischen Redaktion, später als Reporter und fester Mitarbeiter im Sportressort. Nach einer dreijährigen Zwischenstation beim „Sport-Spiegel“ ging er Mitte der 1990er Jahre zum Privatsender RTL. Dort wurde er Chefkommentator für Fußballspiele in der Sendung „Anpfiff“ und erlangte Bekanntheit, als er gemeinsam mit Günther Jauch den „Torfall von Madrid“ kommentierte. Kurz vor der Jahrtausendwende wechselte Marcel Reif wiederum als Chefkommentator in die Sportberichterstattung beim Pay-TV-Sender Premiere (heute Sky). Danach arbeitete er als Experte für die Sat.1-Übertragungen der Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich, als Teil der Bundesliga-Expertentalkrunde „Doppelpass“ bei Sport1 sowie als Kommentator von Champions-League-Spielen beim Schweizer Bezahlfernsehsender Teleclub (heute blue+). Während seiner über 30-jährigen Laufbahn kommentierte Marcel Reif rund 1.500 Spiele.
Seit Februar 2020 analysiert er im BILD-Podcast „Reif ist live“ zweimal pro Woche das aktuelle Fußballgeschehen. Marcel Reif ist Träger des Grimme-Preises, erhielt den Deutschen Fernsehpreis sowie den Bayerischen Fernsehpreis und den NOK-Medienpreis „Silberne Kugel“.
Im Gespräch mit ZU-Gastprofessor Marcel Tyrell und der ZU-Studentin Luisa Hiller zeigte Marcel Reif sich gewohnt selbstbewusst – ist er doch mehrfach zum besten deutschen Sportkommentatoren ausgezeichnet worden. Der inzwischen 72-jährige Sportreporter wurde unter anderem 1998 mit dem Bayrischen Fernsehpreis für die 76-minütige Moderation des „Torfalls von Madrid“ zusammen mit Günther Jauch, 2003 mit dem Adolf-Grimme-Preis für seine Berichterstattung von der Fußball-Weltmeisterschaft 2002 sowie 2014 mit dem Radio Regenbogen Award und 2015 mit dem Kaiser-August-Orden für sein soziales Engagement in Afrika geehrt.
Während seiner über 30-jährigen Karriere als Sportkommentator – ob beim öffentlich-rechtlichen Sender ZDF, bei den Privatsendern RTL und Sat.1 sowie bei den Pay-TV-Sendern Sky und blue+ – kommentierte Reif mehr als 1.500 Fußballspiele. Aktuell äußert er sich im BILD-Podcast „Reif ist live“ zweimal wöchentlich zum aktuellen Fußballgeschehen.
Marcel Reifs frühe Kindheit ist vor allem durch Umzüge geprägt. Zunächst zog er mit seinen Eltern von seinem Geburtsort Wałbrzych in Polen nach Jaffa in Israel und im Alter von sechs Jahren in die damalige Fußballhochburg Kaiserslautern. Der mehrfache Kultur- und Sprachwechsel erschwerte die ersten Jahre seiner Kindheit. Dennoch habe ihm dieser letzte Umzug nach Kaiserslautern die Türen zur Welt des Fußballs und zum 1. FC Kaiserslautern, der bis heute eine tragende Säule in seinem Leben bildet, eröffnet. Reif sagt: „Das Fußballspielen hat mir eine Sprache und ein Selbstvertrauen gegeben. Der Fußball hat mir damals gewissermaßen das Leben gerettet.“
Mit dem Fußball in Berührung sei er aber schon viel früher gekommen. Noch jetzt könne er sich an seinen ersten Stadionbesuch zusammen mit seinem Vater – damals noch in Polen – erinnern, als wäre es erst gestern gewesen. In diesem Erlebnis sieht Marcel Reif seine private und berufliche Hingabe an den Fußball begründet, dem er von da an sein Leben gewidmet hat. „Der Fußball hat auf mich wie ein Gift gewirkt“, bemerkt Reif.
Die aktuelle Schere im Spitzenfußball zwischen wirtschaftlich stärker und schwächer aufgestellten Vereinen wird die Ligastrukturen im Profifußball in Zukunft dramatisch verändern, dessen ist Reif sich sicher. Es werde mittelfristig eine Super League kommen, in der auch die Topvereine der Bundesliga vertreten sein werden, so die Prognose des Sportkommentators. Es gebe schon jetzt einen Markt – ähnlich wie in den Vereinigten Staaten mit der NFL, NHL und NBA –, bei dem die Zuschauer das besondere Spektakel sehen möchten und bereit sind, entsprechend zu zahlen. „Heute in die Oper, morgen ins Theater und übermorgen zum Spitzenfußball ins Stadion“, kommentiert Reif. Die parallel bestehenden Arten von Fankulturen – von Ultras bis hin zum Operettenpublikum – werden sich dabei weiter festigen.
Nach der Entscheidung für ein Studium der Publizistik, Politikwissenschaft und Amerikanistik in Mainz und gegen eine Profifußballerkarriere beim 1. FC Kaiserslautern und später beim 1. FC Mainz 05 von dem Wunsch getrieben, Politikjournalist in Großbritannien zu werden, folgte der damals bereits beim ZDF als freier Mitarbeiter angestellte Reif – ohne abgeschlossenes Studium – abermals dem Ruf des Fußballs in den Sportjournalismus, ohne dies je forciert zu haben. Sport sollte damals Hobby bleiben, Politik die eigentliche Zielrichtung. „Ich habe meine Entscheidung für eine Karriere im Sportjournalismus und gegen den Profifußball nie bereut. Ich bin schließlich länger im Geschäft als die meisten meiner damaligen Mitspieler“, sagt Reif. Und er fügt hinzu: „Als es mit der Auslandskorrespondenz in Großbritannien nicht geklappt hat, bin ich halt zu Chelsea nach London gegangen.“
Angesprochen auf die Vergabe des Austragungsortes der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft, verfällt Reif zunächst in nostalgische Erinnerungen an gelungene Sportveranstaltungen wie die Olympischen Winterspiele 1994 in Lillehammer, die er als „Gesamtkunstwerk“ betitelt und wo die damals gebauten Sportstätten heute noch aktiv genutzt werden.
Negativbeispiele kennt der 72-Jährige dennoch zuhauf. Reif kommt etwa auf die Olympischen Winterspiele in Peking, in Sotschi oder auf die noch ausstehenden Winterspiele 2029 in Saudi-Arabien zu sprechen, dabei prangert er immer wieder das Gigantismusstreben derjenigen Organisationen an, die für die Vergaben verantwortlich zeichnen. „Auch wenn die Saudis Schnee in den Sand setzen müssen, werden sie es schaffen, die Winterspiele dort stattfinden zu lassen“, erläutert Reif.
Dass es sich bei der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 – bei der Katar die mit Abstand schlechteste Bewerbung eingereicht habe – schon lange nicht mehr um die Frage nach den demokratischen Werten eines Staates geht, sei allseits bekannt, so Reif. Auch die Minimalanforderung an die Einhaltung von Menschenrechten sei kein Kriterium mehr. Es werde dennoch keinem Kind Milch genommen, wenn große Sportveranstaltungen in Ländern wie Katar stattfinden, in denen das Geld dafür durchaus vorhanden sei, bemerkt Reif. Und er sagt: „Wenn wir die Fußball-Weltmeisterschaft nur noch an demokratische Staaten vergeben wollen, dann kann sie auch nur noch in einigen wenigen Ländern stattfinden, dessen müssen wir uns bewusst sein. Wenn Sie so wollen, bekommen wir die Weltmeisterschaft, die wir verdienen.“ Dennoch bereite auch ihm diese Fußball-Weltmeisterschaft nicht so viel Freude, wie das vorherige Weltmeisterschaften getan hätten: „Mir fehlt diesmal die kindliche Unbeschwertheit.“
Einen Boykott der Weltmeisterschaft in Katar anzustoßen, darin sieht Reif weder einen Grund noch einen Sinn. „Natürlich würde ich jetzt nach Katar fahren. Nur weil ich mir die Weltmeisterschaft ansehe, heißt das ja nicht, dass ich den dortigen Umgang mit den Menschenrechten akzeptiere“, sagt Reif. Und weiter: „Wir sollten jetzt nicht nicht Fernsehen. Wenn mir jemand garantiert, dass es durch das Nicht-Mitverfolgen dieser Fußball-Weltmeisterschaft irgendeinem Arbeiter in Katar, einer Frau oder einem Homosexuellen besser geht, dann lasse ich den Fernseher aus. Ansonsten bin ich dafür, dass wir hinfahren, gucken und darüber reden und berichten.“
Für Schuldzuweisungen ist Reif ebenso wenig zu haben wie für einen stumpfen Boykott – und doch äußert er sich kritisch, als das Gespräch auf die FIFA gelenkt wird. „Die FIFA ist der Krebs des Fußballs. Sie muss sich auflösen und neu aufstellen. Ich bin untröstlich über die aktuelle Führungsriege“, erwähnt Reif. So könne auch das neue Gebäude der FIFA in Zürich mit mehr unter- als überirdischen Geschossen als Sinnbild interpretiert werden.
Dem Stattfinden der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar kann Marcel Reif dennoch etwas Gutes abgewinnen. Schließlich würden wir nicht über Katar sprechen, fände jetzt nicht ein Sportgroßereignis dort statt. Der 72-Jährige ist überzeugt, dass sich durch sportliche Großveranstaltungen durchaus politisch etwas verändern ließe. Reif zufolge mache es jetzt zudem keinen Sinn, den Fernseher auszulassen, da jede neue Berichterstattung der Aufklärung dienlich sei. Wenn jetzt Interviews durch den Staat Katar abgebrochen würden, dann sei dies in den Augen des Fußballkommentators ein regelrechter Glücksfall, denn so kämen Missstände ans Licht.
Angesprochen auf die allgemeine Kritik an der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar erwidert Reif, dass diese zwar häufig gut gemeint sei, aber dann und wann über das Ziel hinausschieße. Reif ist der Überzeugung, dass es nicht immer hilfreich ist, politisch korrekt sein zu wollen. Auch die jungen Spieler, die jetzt nach Katar fahren, dürften am allerwenigsten verurteilt werden. Eine Teilnahme an der Weltmeisterschaft mache sie nicht zu schlechten Menschen.
Die Fußball-Weltmeisterschaft findet so oder so statt. Schlussendlich bleibt wohl nur eines übrig: Hinschauen, darüber reden und berichten, um einen offenen und kritischen Diskurs über künftige Sportgroßveranstaltungen, deren Bedingungen und unsere Verantwortung zu führen.
Titelbild:
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Bilder im Text:
| Lena Reiner / Zeppelin Universität (alle Rechte vorbehalten)
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm