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Razavi zeichnete in ihrer Rede das Bild eines schwerkranken Patienten - des Wohnungsmarktes. Mit 20.000 Fertigstellungen bei 45.000 Baugenehmigungen im Jahr 2021 klaffe eine große Lücke, die den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum nicht decken könne. "Wenn die Behörden schneller sind als die Bauunternehmen, spricht das eine deutliche Sprache“, so Razavi.
Der Bausektor, der für mehr als 10 Prozent des BIP verantwortlich ist, stehe vor großen Herausforderungen. Das Hauptproblem sei der Fachkräftemangel. Es gebe zu wenig Handwerker, Architekten, Bauingenieure und weitere wichtige besetzte Berufe, so Razavi. Das wirke sich auch auf die Attraktivität der Städte aus: „Wohnraummangel ist ein echter Standortfaktor“, sagt Razavi.
Die Ministerin unterstrich daher die Notwendigkeit einer "Notfallmedizin", bestehend aus staatlichen Subventionen zum geförderten Wohnungsbau, um diesen Missstand zu beheben. Sie warnte davor, sich auf schnelle, aber wirkungslose Placebo-Lösungen wie die Berliner Mietpreisbremse zu verlassen, die keine wirkliche Besserung versprächen. “Die Nebenwirkungen sind stark und führen zu einer langfristigen Vergiftung der Wohnlandschaft”, führt Razavi ihre einprägsame Metapher weiter aus.
In der anschließenden Diskussion, die vom ehemaligen studentischen Vizepräsidenten Matthias Eckmann moderiert wurde, standen die Rolle der Kommunen bei der Schaffung von Wohnraum und die Bedeutung der Sanierung bestehender Gebäude im Vordergrund. „Es ist einfacher, auf der grünen Wiese zu bauen, als sich mit den Bestandsimmobilien auseinanderzusetzen“, so Razavi.
Aber man könne auch abseits der grünen Wiese neuen Wohnraum schaffen. So zum Beispiel durch das Aufstocken einstöcker Supermärkte, indem man gerade ältere Menschen in großen Häusern dazu ermutige, diese Fläche besser zu nutzen oder auch im Gewerbegebiet für mehr Wohnraum zu sorgen. „Das ist heute besser vereinbar als früher, da es viel weniger Lärm und Schmutz gibt“, erklärt Razavi.
Die erste deutsche Bauministerin gibt sich dabei zuversichtlich: „Es braucht nur mehr Spielräume für Innovation und gute Ideen, unsere Architekten können das“. Wenn die Bremse dann endlich gelöst sei, dann müsse aber auch gemacht werden. Dabei müsse man auch dazu bereit sein, die eigenen Standards abzusenken und etwas abzugeben. „Wir brauchen keinen Berg, der nur ein Häuschen auf den Weg bringt“, resümiert Razavi.
Der Abend zeigte, dass die Genesung des Patienten Wohnungsmarkt eine gemeinsame Anstrengung aller erfordert - von den Kommunen bis hin zum Einzelnen. Doch es gibt Grund zum Optimismus: „Nach dem Zweiten Weltkrieg ist es in Baden-Württemberg mit großer Kraftanstrengung gelungen, in enormem Umfang Wohnraum zu schaffen und damit einen Bauboom auszulösen“, so Razavi, „so kann ein neuer Bauboom auch heute wieder gelingen“.
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