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Ein lebensgefährlicher Beruf – ist es das Risiko wert?

Text: Lara Kipper | Fotos: Anna Weber
20.06.2023
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In dem großen und weitläufigen Raum, der Platz für hunderte Studierende bietet, wirkt die zierliche Frau hinter dem Rednerpult schon fast klein und ein wenig verloren. Doch was sie erzählt, ist alles andere als klein und unbedeutend. Obwohl ihr anzumerken ist, dass sie sich in der Rolle der Vortragenden nicht ganz wohlfühlt und sie anfänglich noch etwas steif wirkt, zieht sie das Publikum mit ihren Worten schon bald in ihren Bann, der Raum wird still, die Stimmung fast schon ehrfürchtig.

Julia Leeb zeigt ein Foto, zu sehen ist eine Wüste. Doch was die Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist nicht die Wüste, sondern das Auto, das in ihr steht, oder besser gesagt das, was noch von dem Auto übrig ist. Flammen lodern im Inneren, eine riesige Rauchwolke steigt über ihm auf. Sie erzählt, dass sie in diesem Auto gesessen habe, nur wenige Minuten, bevor es zerbombt wurde. Nicht alle der vier Insassen haben dabei überlebt. Auf diesen Anschlag folgte eine lebensgefährliche Wanderung durch die Wüste, bis sie endlich Schutz in der nächsten Stadt findet.

Fotografin Julia Leeb an der Zeppelin Universtität
Fotografin Julia Leeb an der Zeppelin Universtität

Die Antikriegsjournalistin, wie sie sich selbst bezeichnet, erzählt von ihren Erlebnissen in der Wüste Libyens, doch während ihre Schilderungen das Publikum sichtbar bewegen, scheint sie das Geschehene distanziert zu betrachten. Sie scheint abgehärtet zu sein, die Lebensgefahr ein ständiger Begleiter ihres Berufsalltags.

Doch warum dieser Beruf? Leeb beschreibt ihre Kindheit als recht „normal“, der Wendepunkt, wie sie ihn nennt, kommt durch ihre Mutter. Sie gründete einen Verein für belarussische Kinder, die Opfer Tschernobyls waren und mit denen Leeb zehn Jahre lang jeden Sommer verbrachte. Durch ihre Mutter lernte sie, dass man nicht alles kommentarlos hinnehmen sollte, sondern die Dinge hinterfragen. Nach ihrem Abitur studierte sie internationale Beziehungen und Diplomatie und arbeitete einige Zeit im Außenministerium in Rom. Doch die Arbeit in der Politik ging ihr nicht schnell genug. „Ich habe angefangen, Politik zu visualisieren“, erzählt sie. Bilder sind ihrer Meinung nach schneller und universell, jeder versteht sie.

Leeb arbeitete in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo, Syrien, Libyen, Sudan, Iran und Nordkorea. Dabei liegt ihr Fokus meist auf den Frauen, wie beispielsweise auch in ihrem Einsatz im Kongo. Sie erzählt, wie dort Vergewaltigung als Kriegswaffe genutzt wird, weil sie die günstigste Waffe der Welt ist. Leeb lernte Frauen kennen, die sich als Opfer des Patriarchats, diesem entgegengestellt haben und zu Rächerinnen geworden sind. Sie zeigt Fotos der Frauen und erzählt von der Hoffnung, die sie für die Zukunft ihrer Kinder haben und die sie antreibt. Ihre Fotos zeigen nicht den Krieg, sondern das, was der Krieg aus einem Menschen machen kann, sagt sie.

Joshua Schneider (links) und Luca Julie Kuhlmann (rechts) vom Club of International Politics interviewen Julia Leeb.
Joshua Schneider (links) und Luca Julie Kuhlmann (rechts) vom Club of International Politics interviewen Julia Leeb.

Dabei ist sie sich sehr bewusst, dass Bilder immer nur eine Momentaufnahme sind. „Jede Fotografie ist auch eine Art der Manipulation, im objektiven Sinn“, sagt sie. Der Beobachter kann nicht sehen, was hinter dem Bild passiert. Leeb interessiert aber auch, was außerhalb des Bildes passiert. Aus diesem Grund nutzt sie, als eine der ersten deutschen Fotografinnen, 360-Grad-Kameras, welche dabei helfen, das Bild vollständiger zu machen. „Ich möchte, dass Menschen Sachen sehen, die ich nicht gesehen habe“, wenn verschiedene Leute das Material dann anschauen, sehen sie alle etwas anderes darin, erklärt die Journalistin. Diese Art der Foto- und Videografie ermöglicht verschiedene Perspektiven und hilft dabei Falschinformationen zu verhindern. Durch sie ist eine hohe Informationsdichte möglich, welche laut Leeb vor allem, wenn es um Krieg und Frieden geht, unbedingt genutzt werden sollte.

Der Zwiespalt für Julia Leeb, Geld verdienen zu müssen

Neben den Reisen findet ein großer Teil ihres Berufs auch in Deutschland statt, oft hinter einem Computer, erzählt Leeb. Das Material aus ihren Einsätzen muss verarbeitet werden und es muss jemand gefunden werden, der es veröffentlicht. Das ist manchmal nicht so einfach und kann auch für sie zu einem erheblichen Stressfaktor werden. Sie erzählt von dem Gefühl, den Menschen, die ihre Geschichte mit ihr teilen, das Versprechen zu geben, diese auch zu veröffentlichen. Vor allem da einige dieser Menschen heute nicht mehr leben, verfolgt sie dieses Versprechen so lange, bis sie es erfüllen kann. Trotzdem rät sie, sich nicht entmutigen zu lassen. Einiges an Material konnte sie zum Beispiel erst Jahre nach der Aufnahme veröffentlichen.

Joshua Schneider (links) und Luca Julie Kuhlmann (rechts) vom Club of International Politics interviewen Julia Leeb.

Als freie Journalistin gibt es aber auch Vorteile. Bei Ihrer Reise in den Kongo hätten ihr die Menschen beispielsweise vor allem vertraut, da sie nicht einer bestimmten Organisation zuzuordnen ist, berichtet Leeb. Fotos haben eine gewisse Macht. Diese könnte beispielsweise auch dafür verwendet werden, um Spenden zu sammeln oder auch gewisse Umstände aufzuzeigen und Beweise, für beispielsweise Kriegsverbrechen zu liefern.

Ein weiteres Problem, dass einen Teil ihres Jobs ausmacht, ist es herauszufinden, wie man an die – teilweise sehr von der Außenwelt abgeschotteten – Orte überhaupt kommt. In vielen der Länder, in die sie schon gereist ist, sind keine Journalisten erwünscht. Selbst wenn man es geschafft hat und an einem Ort angekommen ist, ist es überlebenswichtig schnell herauszufinden, wie die Strukturen vor Ort sind und wer der Boss ist, wobei Leeb selten auf Erfahrungswerte anderer Journalisten zurückgreifen kann.

Dafür kann sie meistens auf die Unterstützung der Einheimischen zählen: „Das beste Team, das man haben kann, sind die Menschen vor Ort“, erzählt Leeb. Die Menschen würden erst alles möglich machen, sagt sie. Das ist auch, was sie durch ihren Journalismus erreichen will und was es das Risiko wert macht: die echten Helden zu zeigen und darüber zu berichten, worüber nicht berichtet wird - das Positive. Ohne sich zu positionieren, möchte sie die Logik beider Seiten verstehen.

CIP

„Normalerweise interessieren mich die Orte am meisten, die in den Medien am wenigsten stattfinden“, erklärt sie auf die Frage hin, wie sie sich die Orte aussucht, über die sie berichtet. Durch politisches Interesse, Recherche und persönlichen Thesen, denen sie proaktiv nachgeht, stößt die Journalistin auf ihre Themen. „Mich interessiert der Anfang, wenn er noch Gestaltungsmöglichkeiten hat“, erklärt sie. Dabei bleibt es jedoch meistens nicht beim Anfang des Konfliktes. Leeb konzentriert sich auf Langzeitanalysen, die ihrer Meinung nach entscheidend sind, um eine Situation vollständig zu verstehen.

Nach ihrem Vortrag im Rahmen einer Veranstaltung des Club of International Politics an der ZU, wird die Journalistin von Fragen aus dem Publikum durchlöchert. Offensichtlich ist sie auf großes Interesse der Studierenden und Politikinteressierten aus Friedrichshafen gestoßen. Mit ihren Schilderungen über ihre Reisen und Erfahrungen hat sie das Publikum merklich fasziniert, alle hörten gebannt zu. Viele scheinen jedoch von ihrer Abgeklärtheit überrascht zu sein, sie erzählt von traumatischen Erlebnissen, doch wirkt dabei fast emotionslos, wodurch eher die Personen, über die sie berichtet in den Fokus rücken.

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