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Pionier des Monats Daniel Grosfeld

Auf vielfältigen Wegen zu mehr Vielfalt

von Sebastian Paul
14.12.2023
Es wird viel darüber gesprochen, dass Deutschland bei der Digitalisierung hinterherhinkt. Aber wer beschäftigt sich eigentlich damit, dass unsere Daten auch so eingesetzt werden, wie sie eingesetzt werden sollen und nicht an den falschen Stellen landen und dort womöglich Diskriminierung verstärken?

Daniel Grosfeld
Pionier des Monats im Dezember
 
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Den größten Teil seiner Kindheit und Jugend verbrachte Daniel Grosfeld in einer Vorstadt von Münster. Besonders im Alltag stets spürbar war die Arbeit der Eltern in der Krankenpflege im Universitätsklinikum Münster. „Schon als Kind habe ich gemerkt, wie sie in ihrer Arbeit aufgehen, wie sie die Krankenpflege nicht nur als Beruf, sondern auch als Berufung verstehen. Meinen Geschwistern und mir haben sie damit auch deutlich gemacht, wie wichtig es ist, sich solidarisch zu zeigen und Verantwortung für sich und andere zu tragen“, erläutert Grosfeld. Schon früh engagierte er sich als Übungsleiter, der zeitweise sieben Tage die Woche auf und neben dem Fußballplatz stand, um Kindern und Jugendlichen neben Technik, Taktik und Kondition Werte wie Teamgeist, Fairness und Respekt zu vermitteln.


Wegweisend sollte außerdem ein deutsch-israelischer Jugendaustausch sein. „Währenddessen bin ich erstmals auf Tuchfühlung mit Politik im internationalen und interkulturellen Kontext gekommen und habe verstanden, wie wertvoll es ist, sich aus verschiedenen Perspektiven mit einem hochaktuellen und hochbrisanten Thema auseinanderzusetzen“, erzählt Grosfeld.


Ursprünglich spielte Daniel Grosfeld eigentlich mit dem Gedanken, später einmal Lehrer zu werden. Diesen Gedanken verwarf er aber, als ein Lehrer den Abiturient:innen mit auf den Weg gab: „Die große Welt der Abenteuer liegt außerhalb von Schule.“ Statt einem Lehramtsstudium betrat Daniel Grosfeld eben diese Welt. Mit dem weltwärts-Programm ging es für ihn ein Jahr nach Tansania. Auch wenn er dort an einer Grundschule eingeteilt war und Fächer wie Deutsch, Sport und IT unterrichtete, war ihm vor allem an einem gelegen: „Zum einen wollte ich aus meiner Komfortzone ausbrechen und mich selbst kritisch hinterfragen, zum anderen wollte ich verstehen, wie die Welt funktioniert und wie globale Faktoren wie Abhängigkeiten und Ungleichheiten entstehen.“


Zum Nachdenken brachten ihn die kolonialen Spuren, insbesondere die permanente Präsenz von Gebäuden und Denkmälern, die heute noch an die deutsche und britische Kolonialisierung erinnern. „Was mich ebenfalls nachdenklich stimmte, war das stereotypisierte Bild des afrikanischen Kontinents in meinem Bekanntenkreis. Es war nicht immer leicht zu erklären, dass das Leben der Menschen in Tansania nicht besser und nicht schlechter, sondern einfach nur anders ist und wir hin und wieder unsere europäische Brille hinterfragen sollten“, erläutert Grosfeld.


Nach Deutschland zurückgekehrt, nahm sich Daniel Grosfeld ein weiteres Jahr, um das soeben Erlebte sacken zu lassen, aber auch, um im Verein Gemeinsam für Flüchtlinge Münster neue Erfahrungen und Eindrücke zu sammeln. Regelmäßig traf er sich mit einem geflüchteten Tandempartner, gemeinsam unternahmen sie Ausflüge oder erledigten Behördengänge.


Die bereits in Tansania aufgeworfenen gesellschaftspolitischen Fragen blieben für ihn präsent. Folglich suchte Daniel Grosfeld nach einem passenden politikwissenschaftlichen Studiengang. Diese Suche führte ihn zur Hochschule Bremen. „Dort habe ich genau das richtige diskursive und praxisnahe Umfeld gefunden: Diskursiv war es wegen der kleinen Seminargrößen, praxisnah war es wegen der externen Gäste, die regelmäßig an die Hochschule kamen, um über mögliche Berufsfelder und die Praxis der Politik zu informieren“, berichtet Grosfeld. Neben den politischen Kursen erwarteten ihn Seminare in Verfassungsrecht und öffentliches Recht oder Betriebswirtschaft und Organisationslehre. Schließlich kulminierten seine Leidenschaften für Sport und Politik in seiner Bachelorarbeit, in der er organisationale Schwächen in den Fußballverbänden FIFA und UEFA analysierte und danach fragte, inwieweit diese sich politisch auffangen und anbinden lassen.


Was ihm im Bachelorstudium fehlte, war ein stärkerer Fokus auf die internationalen Beziehungen. Um diesem Aspekt nachzugehen, legte Daniel Grosfeld ein Auslandssemester an der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid ein. „In einem Kurs habe ich beispielsweise mehr darüber erfahren, wie sich im Zuge der Globalisierung westliche Werte über die Welt verteilen und inwieweit dieser Prozess kritisch zu betrachten ist“, erklärt Grosfeld.


Das Gefühl, noch nicht ausgelernt zu haben, ging der Entscheidung für ein Masterstudium voraus. „Bei der Studienwahl war es mir diesmal wichtig, forschungsorientiert zu studieren“, erwähnt Grosfeld. Dass seine Wahl auf den PAIR-Master an der ZU fiel, hatte noch dazu mit dem familiären Umfeld, dem direkten Draht zu den Professor:innen, dem weitreichenden Netzwerk und dem Pioniergeist zu tun, dem sich Daniel Grosfeld unbedingt stellen wollte. Was sind die Theorien, die unsere Gesellschaft lange geprägt haben oder nach wie vor prägen? In den ersten beiden Semestern verschaffte sich Daniel Grosfeld Zugang und Eintritt in unterschiedliche Theoriengebäude.


Von Anfang an war es ihm aber auch ein Anliegen, den universitären Raum mitzugestalten. Als Programmschaftssprecher arbeitete er an der Attraktivität seines Studiengangs für neue und bestehende Studierende, als stellvertretender studentischer Diversitätsbeauftragter an einem Leitfaden für gendergerechte Sprache. Beide Ämter übte er so lange aus, bis er zum studentischen Senator gewählt wurde. Sein Ziel, die Kommunikation zwischen den Studierenden und der Verwaltung zu verbessern, mündete in das gemeinsam mit dem studentischen Vizepräsidenten initiierten Format „Alles gefragt“, bei dem sich ZU-Präsident Klaus Mühlhahn den Fragen aus der Studierendenschaft stellt. Mit dem TandemCoaching möchte er ein anderes Format wiederbeleben, bei dem Studierenden jeweils ein WissenschaftsCoach und ein PraxisCoach zur Seite gestellt werden.


Hochschulpolitik ist kein Fremdwort für Daniel Grosfeld. Bereits an der Hochschule Bremen war er Mitglied im Studierendenrat und wirkte unter anderem am Kultursemesterticket mit, das Studierenden ermöglicht, für einen Euro einen Platz in nicht ausverkauften Theatervorstellungen zu ergattern. „Als Nicht-Akademikerkind war für mich die Welt der Universität komplett neu. Und neben dem wissenschaftlichen Arbeiten macht gerade die Hochschulpolitik diese Welt erfahrbar und verständlich“, erklärt Grosfeld.


Während seiner Zeit in Bremen entstand auch seine langjährige Tätigkeit bei der Vielfaltsprojekte GmbH – ein von ZU-Alumnus Professor Dr. Narku Laing gegründetes Sozialunternehmen, das Workshops und Seminare für die offene Gesellschaft entwickelt. Zunächst als Praktikant, später als Juniorreferent begleitete und betreute Daniel Grosfeld eine bunte Mischung an Projekten mit diversen Kund:innen – von der öffentlichen Verwaltung über DAX-Unternehmen bis hin zu Theatern. Zu seiner Schwerpunktarbeit zählten Ableismus, interkulturelle Kommunikation und Diversität.


Als Humanity in Action Fellow dagegen setzte sich Daniel Grosfeld mit der kolonialen Vergangenheit Deutschlands und den Kontinuitäten in der Gegenwart auseinander. Gemeinsam mit seiner Kohorte aus internationalen Fellows besuchte er Workshops und Seminare bei zivilgesellschaftlichen Akteur:innen, Menschenrechtsorganisationen und führenden Stimmen aus der Rassismusforschung in Berlin. „Mit der Teilnahme an dem Programm habe ich die Möglichkeit, ein eigenes Projekt zu realisieren, um der Community etwas zurückzugeben“, sagt Grosfeld. „Nur so viel sei verraten: Im Hinblick auf die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland arbeite ich an einer Interviewreihe mit verschiedenen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu Diskriminierung im Sport.“


Es erstaunt nicht, dass Daniel Grosfeld mittlerweile mit der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung sein Forschungsfeld gefunden hat. „Aktuell befasse ich mich intensiv mit Datenethik sowie Daten- und Diskriminierungsschutz beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung“, erläutert Grosfeld. „Es wird viel darüber gesprochen, dass Deutschland bei der Digitalisierung hinterherhinkt. Aber wer beschäftigt sich eigentlich damit, dass unsere Daten auch so eingesetzt werden, wie sie eingesetzt werden sollen und nicht an den falschen Stellen landen und dort womöglich Diskriminierung verstärken?“ Um diesen Themenkomplex drehen sich auch seine nächsten beiden Projekte: das Praxissemester und die Masterarbeit. „Auch eine Promotion schließe ich derzeit nicht aus“, bemerkt Grosfeld. „Denn es gibt da draußen in der Welt noch viele spannende Themen, zu denen ich gerne forschen möchte.“

Titelbild
| André Seecamp

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