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Professor Dr. Ulrich Schittko ist Gastprofessor für Wirtschaftstheorie und angewandte Ökonometrie an der Zeppelin Universität. Er studierte Volkswirtschaftslehre und Mathematik an den Universitäten München, Bochum und Minneapolis. 1968 promovierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München und war danach Assistent an der Ruhr-Universität Bochum.
Nach einem Forschungsaufenthalt an der University of Minnesota habilitierte er 1972 an der der Universität Augsburg. 1978 übernahm er dort eine Professur für Wirtschaftstheorie und Ökonometrie, die er bis 2006 inne hatte. Daneben hielt Schittko unter anderem Professuren an der Universität Regensburg und der University of Kansas inne. Schittko ist Mitglied des Theoretischen Ausschusses und des Ausschusses für Außenwirtschaftstheorie- und politik des Vereins für Sozialpolitik. Seine Forschungsschwerpunkte sind die mikroökonomische Theorie, die allgemeine Gleichgewichtstheorie, die dynamische Makrotheorie, die Außenwirtschaftstheorie und die angewandte Ökonometrie.
Man betrachte die Gleichheit 1 + r(t) = p(t)/p(t+1) und verwende das Balasko-Shell-Kriterium für die Effizienz eines Gleichgewichts, dann erkennt man, dass Ökonomien mit niedrigen Zinsen auf eine höhere Inflationsrate wirken und umgekehrt, so dass die notwendige und hinreichende Bedingung für die Effizienz eines monetären Gleichgewichts eher für höhere als für niedrigere Zinsen erfüllt ist. Autoren, die sich zu diesem Thema geäußert haben sind Wallace und Kehoe, Balasko und Shell, Okuno und Zilcha.
Die Zinshöhe im Euro-Raum wird von der Europäischen Zentralbank bestimmt. Einmal im Monat bestimmt sie einen Leitzins, das passiert unabhängig von Regierungen und Geschäftsbanken. Der Leitzins legt fest, wie teuer oder günstig sich Geschäftsbanken von der Zentralbank Geld leihen können und bestimmt damit auch den Zinssatz, den sich Kreditinstitute gegenseitig sowie ihren Geschäfts- und Privatkunden geben. Bei hohem Leitzins werden Kredite teurer, die Konjunktur wird tendenziell gedämpft. Ein niedrigerer Leitzins bringt günstiges Geld in die Volkswirtschaft und führt zu Investitionen, die sich bei teurerem Geld nicht lohnen würden. Durch eine Niedrigzinspolitik soll also die Nachfrage nach Krediten bei Banken steigen und dadurch positiv auf die Investitionsneigung von Unternehmen wirken.
Sie prangern an, dass eine Politik der niedrigen Zinsen Volkswirtschaften ineffizient werden lässt – welche aktuellen Beispiele sehen Sie für diesen Zusammenhang?
Professor Dr. Ulrich Schittko: Nach Einführung des Euros in Spanien war ein Übergang von einer Hochzinsökonomie zu einer Niedrigzinsökonomie gegeben. Dies führte zu Ineffizienzen, wie die Investitionen in Betongold und Gold oder Ähnliches zeigten. Am Schluss platzte die Immobilienblase. Oder nehmen Sie Griechenland oder ein anderes Land aus dem Club Med.
Warum genau treibt Niedrigzinspolitik Volkswirtschaften in diese Lage?
Schittko: Allgemein gilt in Modellen mit Marktfriktionen das erste Wohlfahrtstheorem nicht, das heißt, ein Gleichgewicht ist nicht effizient oder salopp ausgedrückt, mit den Ressourcen wird Schindluder getrieben.
Marktfriktionen bedeuten Koordinations- oder Transaktionshemmnisse – wodurch ergeben sie sich?
Schittko: Zum Beispiel durch gesetzliche Reglementierungen, Transaktionskosten, Marktversagen und zu guter Letzt durch demographische Friktionen.
Inwiefern würden höhere Zinsen die Lage verbessern?
Schittko: Mit der Erhöhung der Zinsen wäre es wieder möglich, einen Werttransfer über die Zeit zu ermöglichen. Im Moment haben wir bei den häufig gekauften Gütern eine Inflation von rund 5 Prozent, so dass eine stetige Enteignung der Geldvermögensbesitzer stattfindet. Dies ist der grausamste Effekt der Inflation, der offensichtlich von der Politik gewollt ist, da man sich hier elegant der Schulden entledigt. Was beobachten Sie? Einen Immobilienboom in Deutschland, da man hofft, durch Investitionen in Betongold aber auch andere Rohstoffe, einen Werttransfer über die Zeit zu organisieren. Das ist Ineffizienz, das heißt Verschleuderung der Ressourcen.
Natürlich würden die Staaten in der Währungsunion unterschiedlich getroffen, wenn die Zinsen erhöht werden. Hans-Werner Sinn zum Beispiel hat hierzu viele Äußerungen gemacht.
Das wäre eine politische Entscheidung – Sie sprechen sich gegen die in Deutschland übliche Trennung zwischen Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik aus. Warum konkret?
Schittko: Wenn man nicht zeigen kann, dass ein bestimmter in der Realität beobachtbarer Effekt mit Hilfe eines Modells erzeugt werden kann, dann hat man keine Erklärung für das Zustandekommen dieses Effekts in der Realität. Deshalb sind theoretische Erkenntnisse eine unabdingbare Voraussetzung für die Verwirklichung einer erfolgreichen Politik. Also, ohne hinreichende Theoriekenntnisse führt die Politik zu nicht abschätzbaren Ergebnissen und ihre Formulierung ist in höchstem Maße unverbindlich und gleicht einem linguistischen Dampfbad.
Foto: Yvonne von Hunnius