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Der Professor emeritus für politische Ökonomie an der Universität Warwick ist Wirtschaftshistoriker und Keynes-Experte, Philosoph, Publizist.ebenso Mitglied des britischen Oberhauses. Er ist bekannt als Autor zu Fragen des Wachstums, des Glücks und dem rechten Maß. Seine drei Bände umfassende Biografie über die Ökonomen John Maynard Keynes wurde mehrfach ausgezeichnet.
In dem Buch „Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens“ (erscheint 2013 auf Deutsch) argumentieren die Autoren Robert und Edward Skidelsky, dass sich die moderne Welt durch Instabilität und die Unfähigkeit auszeichnet, zu sagen, wann wir genug haben. Sie schlagen vor, das wirtschaftliche Wachstum nicht mehr anhand des Bruttoinlandsproduktes zu messen, sondern anhand der 7 Elementen des guten Lebens: Gesundheit, Sicherheit, Respekt, Persönlichkeit, Harmonie mit der Natur, Freundschaft, Muße. Sie proklamieren 4 Wege, wie diese Werte gelebt werden sollen: durch Reduzierung der Arbeitszeit, ein bedingungsloses Grundeinkommen, eine progressive Konsumsteuer und Verringerung von Werbung.
Das Modell des Grundeinkommens sieht vor, dass monatlich jedem Bürger – auch Kindern – ein gesetzlich festgelegtes Grundeinkommen ausgezahlt wird. Hierfür muss keine Gegenleistung erbracht werden. Menschen, die weniger als dieses Grundeinkommen verdienen, wird die Differenz zum Grundeinkommen ausgezahlt. Diejenigen, die mehr verdienen, müssen nur das Einkommen versteuern, das über dem Grundeinkommen liegt. Das Konzept soll den Bürger aus der Lohnabhängigkeit befreien und eine größere Selbständigkeit in der Lebensgestaltung ermöglichen. Wie solch ein Grundeinkommen bezahlt werden soll, ist umstritten. Der deutsche Gründer der Drogeriemarkt-Kette dm Götz Werner ist einer der bekanntesten Befürworter der Konzepte und Gründer der Stiftung „Unternimm deine Zukunft“. Er schlägt die Finanzierung über eine Mehrwertsteuer in Höhe von 50 Prozent vor.
Das European Center for Sustainability Research an der Zeppelin Universität veranstaltete am 1. Dezember 2012 das Symposium „The doubts of growth. The growth of doubts.“ im Berliner Technikmuseum. Nach einem Grußwort des Bundesumweltministers Peter Altmaier sprach Professor Dr. Dennis L. Meadows, Co-Autor der Publikation „Grenzen des Wachstums“, zum Thema: „Updating Concepts of sustainable development for use in the 21st century” und Prof. Lord Robert Skidelsky, Wirtschaftshistoriker und Keynes-Biograph, sprach über sein Buch: „Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens“.
Für Sie stehen Werte, die ein gutes Leben ausmachen, einem konventionellen wirtschaftlichen Wachstum entgegen. Warum?
Professor Lord Robert Skidelsky: Das gute Leben erfordert, gewisse Entscheidungen zu treffen. Man muss sich dafür entscheiden, nicht so stark im Wettbewerb zu stehen und schnell zu wachsen. Das setzt voraus, dass man sich nicht hoch verschuldet. Fakt ist, wir haben alle das Paradigma des maximalen Wachstums verinnerlicht: Leih Dir so viel Geld wie möglich, um schnell zu wachsen. Sowohl Individuen als auch Unternehmen und Banken handeln so. Das ganze System ist darauf ausgerichtet, Schulden anzuhäufen, um Vermögenswerte zu generieren. Würden wir die Kreditvergabe limitieren, würden wir weniger schnell wachsen. Das wäre klug, weil ein Großteil des Wachstums, das durch Kreditvergabe entsteht, kein richtiges Wachstum ist. Es ist das Wachstum von spekulativen Werten. Eine Menge davon ist einfach Müll, und in dem Moment, in dem bemerkt wird, dass daraus keine Wertsteigerung erfolgt, bricht die Wirtschaft ein.
Wie kann sich ein Individuum diesem Paradigma entziehen und dem „guten Leben“ nachgehen?
Skidelsky: Baut Nahrung an, fertigt handwerkliche Gegenstände oder lebt mit anderen in einer Kommune! Viele Menschen machen das, obwohl sie natürlich eine Minderheit sind. Sie betreiben ihre eigenes kleines Gewerbe und bieten Dinge an, die andere kaufen wollen. Wahrscheinlich kann man immer irgendwie seinen Lebensunterhalt verdienen, aber das folgt nicht der Maximierungslogik. Man muss sich eben fragen, wie viel man wirklich braucht. Und daran schließt sich die Frage an, wie viel genug ist.
Auf nationalstaatlicher Ebene ließe sich das „gute Leben“ ihrer Meinung nach durch das bedingungslose Grundeinkommen fördern. Wie umsetzbar ist dieses Konzept tatsächlich?
Skidelsky: Es gibt ein paar Länder in der Welt, die ein bedingungsloses Grundeinkommen auszahlen. Zum Beispiel Alaska. Diese Länder verfügen meist über eine Ressource wie Öl. Die Einnahmen durch den Ölverkauf werden wie eine Dividende an die Bürger des Landes ausgeschüttet. Aber prinzipiell kann ein bedingungsloses Grundeinkommen überall funktionieren. Dafür benötigt man am Anfang ein gewisses Maß an Wachstum. Wenn eine Volkswirtschaft jährlich um 3 Prozent wächst, dann könnte man 1 Prozent für ein bedingungsloses Grundeinkommen verwenden, statt es für soziale Transferleistungen auszugeben. Das wäre anfangs vielleicht nicht viel, aber die Summe könnte wachsen. So könnte eine andere Dynamik in der Wirtschaft entstehen, weil die Bürger eine echte Wahl hätten, ob sie sich an der Wachstumsmaschine beteiligen wollen oder nicht. Wenn man das gute Leben fördern will, was konkret heißt den Menschen mehr Zeit für Leisure zu geben, müsste man so einen Weg gehen.
Wie kommt es, dass wir Leisure, also Muße und Freizeit, hauptsächlich mit unproduktivem Nichtstun assoziieren?
Skidelsky: Leisure muss man lernen. Wenn man zur Arbeit erzogen wurde und Leisure nur als Freizeit zwischen der Arbeit versteht, dann ist das keine Lebensform sondern nur einer Überbrückung der Zwischenzeit. So wird man keine Leisure-Interessen entwickeln, man hat nie Zeit, richtige Hobbies zu erlernen oder sich in Dinge zu vertiefen, die einen wirklich interessieren. Das Ziel muss sein, die Arbeitszeit weiter zu reduzieren und flexibler zu organisieren. Das entwickelt sich ja bereits. Ebenso muss hinterfragt werden, ob ältere Menschen in bestimmtem Alter aufhören müssen zu arbeiten. Denn oft können und wollen sie noch arbeiten. Also könnten Menschen über 60 insgesamt mehr arbeiten und Menschen unter 60 etwas weniger, um die Arbeitszeit besser zu verteilen.
Fotos: http://www.skidelskyr.com; cleaner croydon / flickr.com