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Kursverlust ist keine Pannen-Folge
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Kursverlust ist keine Pannen-Folge

Interview: Paul Berg | Redaktion
25.10.2012
Ich würde den Kursverlust von Google nicht auf Irrationalität zurückführen, ganz im Gegenteil wurden hier meines Erachtens neue bewertungsrelevante Informationen über die Quartalszahlen in den Markt kommuniziert, die als ein valider Indikator angesehen werden können, dass das bisherige Geschäftsmodell von Google in Zukunft nicht mehr so gut funktionieren wird.

Professor Dr. Marcel Tyrell
 
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    Zur Person
    Professor Dr. Marcel Tyrell

    Seit 2009 leitet Prof. Dr. Marcel Tyrell das Buchanan Institut für Unternehmer- und Finanzwissenschaften der Zeppelin Universität. Vorher lehrte er unter anderem an der Universität Frankfurt, der University of Pennsylvania und der European Business School. Schwerpunktmäßig forscht er an Veränderungen von Finanzsystemstrukturen, mikro – und makroökonomischen Auswirkungen von Finanzkrisen und der Verschuldungsdynamik von Volkswirtschaften.

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    Factbox
    Panne für Google

     Mit der Veröffentlichung der Google-Quartalszahlen am 18. Oktober 2012 noch während des laufenden Handels an der New Yorker Technologiebörse NASDAQ und in einer noch unfertigen Form begann ein Kursrutsch für eines der größten Unternehmen der Welt – ein Minus von 19 Milliarden Dollar und ein Verlust des Marktwerts von knapp 10 Prozent waren für den US-amerikanischen Internetkonzern Google die Folge. Durch den Kauf des Handyherstellers waren hohe Kosten entstanden sowie konnte Google pro Klick von seinen Werbekunden weniger Geld einnehmen. Die in Großbuchstaben gesetzte Zeile in der Google-Mitteilung, ein Zitat des Google-Gründers Larry Page stehe noch aus („PENDING LARRY QUOTE“) deutete laut Presseberichten von Anfang an auf einen Patzer hin. Zu früh veröffentlicht wurden die Daten von der Dienstleistungsfirma RR Donnelly, deren Aktien um mehr als 3 Prozent fielen.

    Heerscharen von Finanzanalysten am Puls der Börse

    Institutionelle Investoren sind laut Professor Dr. Marcel Tyrell die bei weitem wichtigste Anlegergruppe auf den bedeutenden Börsenplätzen dieser Welt. Weit über 90 Prozent der Handelstätigkeit in Aktien würden von diesen Marktteilnehmern generiert, weshalb für börsennotierte Unternehmen der Kontakt zu ihnen so wichtig sei. Das sei Aufgabe der „Investor Relations“-Abteilung börsennotierter Unternehmen. Die institutionellen Investoren beschäftigten Heerscharen von Finanzanalysten, die die wichtigen börsennotierten Unternehmen andauernd analysieren und bewerten. Tyrell: „Wenn die Masse der Anleger, die ja gerade als institutionelle Anleger in starker Konkurrenz zueinander stehen, sich dann gestützt durch ihre eigenen Finanzanalysten trotz der Konkurrenz in der Interpretation der Zahlen überwiegend einig sind, dann kommt es zu einem massiven Kursrückgang.“ Als Strippenzieher seien sie insofern nicht zu bezeichnen.

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    Hä...?
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Wie rational ist das Verhalten von Investoren und wie kommen solche Börsenkurse überhaupt zu Stande?

Professor Dr. Marcel Tyrell: In der Theorie verändern sich Börsenkurse dann, wenn neue bewertungsrelevante Informationen bezüglich des betreffenden Unternehmens öffentlich werden oder beispielsweise alte Informationen neu bewertet werden. In Börsenkursen reflektieren sich damit grob gesprochen die zukünftigen Gewinnaussichten von Unternehmen und deren Risiko. Insofern sind Aktienkurse immer zukunftsgerichtet. Trotzdem oder auch gerade wegen dieser Zukunftsgerichtetheit kann es auf Börsen zu Herdenverhalten und Bubbles kommen. Wann sich jedoch diese Ineffizienzen einstellen, ist trotz intensiver Forschung noch nicht geklärt.

Panne für Google


Also hatten wir es hier mit Irrationalität zu tun?

Tyrell: Ich würde den Kursverlust von Google nicht auf Irrationalität zurückführen, ganz im Gegenteil wurden hier meines Erachtens neue bewertungsrelevante Informationen über die Quartalszahlen in den Markt kommuniziert, die als ein valider Indikator angesehen werden können, dass das bisherige Geschäftsmodell von Google in Zukunft nicht mehr so gut funktionieren wird. Die überraschend schwierige Integration des Verlustträgers Motorola, den Google gekauft hat, tut ihr Übriges.

Nehmen wir an, die gleichen Quartalszahlen wären aufbereitet nach Börsenschluss veröffentlicht worden…

Tyrell: Natürlich ist es ärgerlich, wenn Quartalszahlen zu früh veröffentlicht werden. Normalerweise werden diese Zahlen nach Börsenschluss veröffentlicht und in einer Konferenzschaltung den wichtigsten institutionellen Investoren erklärt, um gerade bei überraschenden Zahlen wie in diesem Fall die Hintergründe erläutern zu können. Man will den institutionellen Anlegern damit Gelegenheit geben, die Zahlen und ihr Zustandekommen zu reflektieren, ohne direkt im Aktienmarkt darauf handeln zu müssen. Damit sollen übertriebene Reaktionen vermieden werden. Ob es deswegen im hier vorliegenden Fall zu einer übertriebenen Reaktion gekommen ist, wage ich zu bezweifeln, denn der Aktienkurs hat sich am Freitag nur unwesentlich erholt. Meines Erachtens sind die durch die Quartalszahlen implizierten neuen Informationen langfristig relevant und bilden deshalb keine Basis, an der Effizienz der Reaktionsweise der Marktteilnehmer zu zweifeln.

Heerscharen von Finanzanalysten am Puls der Börse


Spielte also die entgangene Chance zur Datenaufhübschung durch Google keine Rolle?

Tyrell: Zahlen seitens des Unternehmens einfach aufzuhübschen, gelingt kaum, denn die Zahlen müssen einen späteren Überprüfung auch juristisch standhalten und man hat es mit sehr gut informierten Investoren auf der anderen Marktseite zu tun. Gerade in den USA sind eine Vielzahl von Topmanagern auch wegen gefälschter Quartalszahlen ins Gefängnis gekommen. Um so wichtiger ist es für ein Unternehmen, wenn wie im hier vorliegenden Fall neue negative Informationen durch die für alle Beteiligten überraschend schlechten Quartalszahlen an die Öffentlichkeit gelangen, dass es die Möglichkeit hat, das Zustandekommen dieser Zahlen zu erklären. Diese Möglichkeit wurde Google durch die vorzeitige Veröffentlichung genommen. Das bedeutet aber nicht, dass das Unternehmen im Allgemeinen die Deutungshoheit über diese Zahlen hat.


Bild: Bertram Rusch

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