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Die Marke Tatort: Unverwüstlich
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TV-Klassiker

Die Marke Tatort: Unverwüstlich

von Anna Staab | Redaktion
12.03.2013
Die Zuschauer wollen heute etwas erleben, und dafür bietet der ‚Tatort‘ eine gute Plattform. Der subjektiv empfundene Mehrwert der Sendung beim Einzelnen ist, auch durch das Gemeinschaftsgefühl, extrem hoch, und folglich sind es auch die intrinsische und extrinsische Belohnung.

Katja-Maria Prexl
 
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    Zur Person
    Katja-Maria Prexl

    Katja-Maria Prexl ist Doktorandin im Bereich Innovation und Entrepreneurship bei Junior-Professor Dr. Marco Hubert an der Zeppelin Universität, wo sie auch 2009 ihren Master absolvierte. Nach Studien der Wirtschafts- und Kommunikations- und Kulturwissenschaften in Mannheim, Newcastle Upon Tyne und Friedrichshafen, war sie für unterschiedliche Unternehmen und Start-Ups tätig. Zurzeit arbeitet sie mit Junior-Professor Dr. Marco Hubert und Dr. Ulf Pillkhan an einem Kurs zu „Foresight und Design Thinking“.

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    Factbox
    Der Tatort

    Mit über 40 Jahren Sendungshistorie ist der „Tatort" von ARD, ORF und SRF die älteste und zudem beliebteste deutschsprachige Krimireihe. Die Erstausstahlung der neuen Folgen findet in der Regel sonntags um 20:15 Uhr statt. Derzeit jagen 18 Ermittlerteams an unterschiedlichen Schauplätzen im deutschsprachigen Raum das Verbrechen.

    Die Studie im Detail

    Prexls englischsprachige Masterarbeit „An Empirical Analysis of the Antecedents and Consequences of Brand Rituals“, die sie 2008 am Lehrstuhl für Marketing bei ZU-Professor Dr. Peter Kenning einreichte, setzt sich mit den Voraussetzungen und Konsequenzen von Markenritualen auseinander. Die Ergebnisse der Studie wurden auf der „European Conference of the Association for Consumer Research“ 2010 in London vorgestellt und 2011 in der Fachzeitschrift „Advances in Consumer Research - European Conference Proceedings, Vol. 9“ veröffentlicht.


    Durch eine Vorstudie fiel die Wahl des Studienobjekts auf die Marke „Tatort“. In einem Fragebogen, der unter anderem von Nutzern des Internetforums www.tatort-fundus.de ausgefüllt wurde, beantworteten mehr als 600 Teilnehmer Fragen rund um die ARD-Sendung. Dabei ging es vor allem darum, wie die Teilnehmer den „Tatort“ wahrnehmen, welchen Bezug sie zu ihm haben und welche Rahmenhandlungen sie im Kontext der Sendung ausführen. Letztlich wurden vier Faktoren, die eine signifikant positive Auswirkung auf die Markenritualstärke haben, identifiziert: „Involvement“, „Brand trust“, „intrinsic reward“ und „extrinsic reward“.

    Der Begriff des (Marken-)Rituals

    Als Rituale definierten die Wissenschaftler regelmäßig vorkommende Handlungen, die in einer weitgehend identischen und deshalb standardisierten Weise durchgeführt werden. Sie sind stilisiert, stereotypisch, wiederholen sich periodisch und verwenden symbolisch aufgeladene Ausdrucksweisen, die der Handlung einen Mehrwert verleihen.

    Markenrituale im Besonderen sind gekennzeichnet durch Handlungen, die bewusst ihm Zusammenhang mit einer Marke regelmäßig wiederholt werden und die dazu dienen, eine emotional angenehme Atmosphäre im Zusammenhang mit der Marke zu kreieren.

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    Dossier
    Ausführlicher Abstract Masterarbeit Prexl
    Katja-Maria Prexl (2008)
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Keine Frage: „Tatort“ ist Kult. Wenn sich Sonntag abends um 20:15 Uhr das weiße Fadenkreuz auf blauem Grund zu altbekannter Musik auf dem Bildschirm zusammensetzt, ist das für viele Deutsche Anlass genug, den engsten Freunden Anrufverbot zu erteilen oder gar das Telefon auszustöpseln. In den Städten versammeln sich Zuschauer aller Altersklassen zum gemeinsamen „Tatort“-Schauen in Kneipen und Bars. Und sobald Boerne und Thiel im gefeierten „Münsteraner“ den Bildschirm erobern, übertreffen die Einschaltquoten die der allermeisten anderen ARD-Sendungen.

Der Tatort


Die Masterabsolventin Katja-Maria Prexl hat sich in ihrer Masterarbeit bei ZU-Professor Dr. Peter Kenning damit auseinandergesetzt, was den „Tatort“ eigentlich zu einer derartigen Marke gemacht hat – und wie die Rituale, die sich rund um die Fernsehsendung entwickelt haben, zur Stärke dieser Marke und zur Loyalität der Zuschauer beigetragen haben.

Die ARD-Sendung bot sich laut Prexl dabei auch deshalb als Untersuchungsgegenstand an, weil die Konsumenten des Produkts – die Zuschauer – einen „besonderen Zugang“ zum „Tatort“ haben: „In einer Vorstudie haben wir herausgefunden, dass der Begriff des ‚Rituals‘ bei vielen Menschen ein Zurückschrecken auslöst; Menschen haben Schwierigkeiten, über Rituale zu sprechen und Dinge als Rituale zu bezeichnen. Beim ,Tatort‘ ist das anders“, sagt Prexl. Sie erklärt das unter anderem damit, dass beim Ritual „Tatort“ der Gemeinschaftsgedanke eine wichtige Rolle spielt und Kommunikation darüber stattfindet: „Der besondere Rahmen und die Handlungen um die Marke ‚Tatort‘ erhöhen die Gesprächsbereitschaft: Man trifft sich zum Beispiel mit der Familie oder mit Freunden, um den ,Tatort‘ zu schauen, und im Anschluss spricht oder diskutiert man noch darüber.“

Die Studie im Detail


In einer Studie mit mehr als 600 Teilnehmern kam Prexl zu dem Ergebnis, dass zur Stärke des Rituals der Marke „Tatort“ vor allem Beteiligung, Einbindung und Vertrauen sowie intrinsische und extrinsische Belohnungen beitragen: „Die Zuschauer wollen heute etwas erleben, und dafür bietet der ‚Tatort‘ eine gute Plattform. Im Umfeld der Sendung wird ein besonderer Rahmen geschaffen; man trifft sich zum Beispiel in Gruppen, rätselt mit und diskutiert im Anschluss darüber – manchmal sogar noch am Tag danach. Viele Zuschauer stellen sich im Vorfeld auch schon Snacks und Getränke bereit oder stecken das Telefon aus“, erklärt Prexl: „Das hat viel mit einer emotionalen Atmosphäre zu tun, die bei Ritualen durch bestimmte Aktionen oder Aktivitäten geschaffen wird. Der subjektiv empfundene Mehrwert der Sendung beim Einzelnen ist, auch durch das Gemeinschaftsgefühl, extrem hoch, und folglich sind es auch die intrinsische und extrinsische Belohnung.“

Die Grafik zeigt die Stärke der Einflussfaktoren auf die Markenritualstärke und die daraus resultierenden Konsequenzen auf unterschiedliche Formen der Loyalität der Konsumenten.
Die Grafik zeigt die Stärke der Einflussfaktoren auf die Markenritualstärke und die daraus resultierenden Konsequenzen auf unterschiedliche Formen der Loyalität der Konsumenten.
Der Begriff des Rituals


Welche Auswirkungen hat es aber, wenn eine ritualisierte Medienmarke wie der Tatort mit einer anderen Medienmarke wie Til Schweiger verknüpft wird? Auf den ersten Blick scheint der Coup gelungen: Der erste Schweiger-Tatort fuhr Rekord-Quoten ein. Offensichtlich ließ sich das Stammpublikum nicht nur nicht verschrecken, es wurden auch neue Zuschauer hinzugewonnen. Dennoch sind die Kritiken zum neuen „Hamburger" scharf: Die Süddeutsche Zeitung beispielsweise nennt ihn "übertrieben" im Kontrast zu den ansonsten "möglichst realistischen Darstellungsformen" und "glaubhaften Figurenzeichnungen" des ARD-Formats und kritisiert, Szenerie und Besetzung seien allzu deutlich auf Schweiger ausgerichtet und die Rolle dem Schauspieler zu offensichtlich auf den Leib geschneidert worden. Und auch die Debatte um die von Schweiger gewünschte Vorspannänderung lässt an der Kompabilität der Medienmarke mit dem Mimen zweifeln.

Gibt es aber einen Zusammenhang zwischen Beständigkeit und Qualität und der Konsumentenloyalität? Kurz: Kann Til Schweiger der Marke „Tatort“ überhaupt schaden – oder ist in dem besonderen Fall dieser Sendung tatsächlich jede Art von Publicity auch gute Publicity? „Wir haben natürlich versucht zu analysieren, inwieweit die Qualität des Produkts diese Faktoren beeinflusst und ob sich gesetzte Marken auch einen gravierenden Fehler oder einen Skandal erlauben dürfen. Um das allerdings untersuchen zu können, müsste man einen Skandal konstruieren, der sich untersuchen ließe“, sagt Prexl.

„Wir kommen zu dem Ergebnis, dass die Faktoren Beteiligung, Markenvertrauen, intrinsische und extrinsische Belohnung für die Markenritualstärke relevant sind und dass die Markenritualstärke wiederrum signifikante Auswirkungen auf das Konsumentenverhalten, die Konsumentenloyalität und den Markenwert hat“, berichtet die Masterabsolventin. Auf die Frage nach der Übertragbarkeit auf andere Produkte betont sie: „Gerade sind wir dabei zu untersuchen, wie man die Ergebnisse der Studie auch auf andere Bereiche und Produkte, zum Beispiel Konsumgüter, anwenden kann. Dafür wurde mit dieser Studie eine solide Basis geschaffen, und dieses Thema ist als Folgestudie hoch brisant: Wie verhalten sich Markenritualstärke und Loyalität bei Konsumgütern zueinander? Und: Welche Parallelen der Verhaltensweisen gibt es bei Ritualen um Konsumgüter im Vergleich zum ‚Tatort‘?“



Bild: ARD, Grafik: Katja-Maria Prexl

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