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Heribert Dieter über „Freihandelszone"
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Adventskalender | Türchen 21

Heribert Dieter über „Freihandelszone"

von Florian Gehm & Alina Zimmermann | Redaktion
21.12.2014
Freihandelszonen werden in ihrer positiven Wirkung überschätzt, weil sie die Unternehmen mit kostspieligen administrativen Hemmnissen, etwa die Dokumentation des Warenursprungs, belasten.

PD Dr. Heribert Dieter
Gastprofessur für Internationale Politische Ökonomie
 
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    Zur Person
    PD Dr. Heribert Dieter

    Heribert Dieter wurde geboren 1961 und forscht zu internationalen Wirtschaftsbeziehungen an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Er lehrt seit dem Fall Semester 2009 an der Zeppelin Universität. Dieter studierte von 1983 bis 1989 Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der FU Berlin, wo er 2005 auch seine Habilitation ablegte. Zu seinen aktuellen Forschungsvorhaben zählen die Untersuchung von Reformoptionen für die internationalen Finanzmärkte, die Analyse der Perspektiven der Europäischen Währungsunion und monetärer Kooperation in Asien sowie die Betrachtung der Position Deutschlands in der Weltwirtschaft des 21. Jahrhunderts.  

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Der Begriff „Freihandelszone" ist ein heikles Politikum. Dabei verbirgt sich hinter einer solchen Zone zunächst nicht mehr als ein Abkommen in Form eines völkerrechtlichen Vertrags, mit dem zwei Staaten sich gegenseitig den freien Handel gewährleistet. So verzichten die Vertragspartner untereinander auf Handelshemmnisse, betreiben jedoch gegenüber Drittländern eine autonome Außenhandelspolitik. Somit kann eine Freihandelszone auch ein erster Schritt zu einer engeren wirtschaftlichen Integration zwischen Ländern sein. Dass solche Verträge ein völkerrechtlich alltägliches Instrument sind, bestätigt auch PD Dr. Heribert Dieter, Inhaber der Gastprofessur für Internationale Politische Ökonomie an der Zeppelin Universität: „Die außenwirtschaftspolitische Disskussion ist heute von Freihandelszonen geprägt. Es gibt bereits über 400 solcher Verträge. Und 200 weitere Abkommen, darunter auch TTIP, werden noch verhandelt", begründet Dieter seine Wortwahl für den wissenschaftlichen Adventskalender.

Dass diese Aktivisten nicht sonderlich begeistert vom Handelsabkommen TTIP sind, ist offensichtlich. Hinter dem Flaschmob im Mai 2014 steckt „Campact", ein Bündnis für „Demokratie in Aktion", das den Europwahlkampf von SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz aufmischte. Campact startet Petitionen zu Themen, die die Öffentlichkeit bewegen. „Statt Lobbyisten das Feld zu überlassen, sorgen wir dafür, dass auch die Meinung normaler Bürger gehört wird", schreibt das Bündnis über sich. Nach eigenen Angaben beteiligen sich mehr als 1.584.000 Menschen am Netzwerk und werden Teil einer lebendigen Demokratie. Das Kampagnen-Portfolio könnte man trotzdem als recht populistisch beschreiben. Die Aktionen tragen Namen wie „Schluss mit dem Klimakiller Kohle", „Wir lassen uns nicht länger bespitzeln" - oder eben „Stoppt TTIP".
Dass diese Aktivisten nicht sonderlich begeistert vom Handelsabkommen TTIP sind, ist offensichtlich. Hinter dem Flaschmob im Mai 2014 steckt „Campact", ein Bündnis für „Demokratie in Aktion", das den Europwahlkampf von SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz aufmischte. Campact startet Petitionen zu Themen, die die Öffentlichkeit bewegen. „Statt Lobbyisten das Feld zu überlassen, sorgen wir dafür, dass auch die Meinung normaler Bürger gehört wird", schreibt das Bündnis über sich. Nach eigenen Angaben beteiligen sich mehr als 1.584.000 Menschen am Netzwerk und werden Teil einer lebendigen Demokratie. Das Kampagnen-Portfolio könnte man trotzdem als recht populistisch beschreiben. Die Aktionen tragen Namen wie „Schluss mit dem Klimakiller Kohle", „Wir lassen uns nicht länger bespitzeln" - oder eben „Stoppt TTIP".

Doch genau in dieser Normalität des Freihandelsabkommen steckt des Pudels - oder um mit den aktuellen Debatten zu sprechen - des Chlorhühnchens Kern. Denn wer den Wirtschaftsteil einer deutschen Tageszeitung aufschlägt oder sogar am Stammtisch die Ohren spitzt, der kommt mich mehr an Chlorhühnchen, Hormonfleisch und Gentechnik vorbei. Schuld daran soll die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, abgekürzt TTIP, sein. Das Freihandels- und Investitionsschutzabkommen in Form eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen der Europäischen Union und den USA befindet sich seit Jahren in Verhandlungen und soll die bisherige wirtschaftliche Zusammenarbeit der Vertragspartner weiter ausbauen. Die detaillierten Vertragsbedingungen werden seit Juli 2013 von Vertretern der Europäischen Kommission und der US-Regierung ausgehandelt. Dass die aktuellen Verhandlungen somit an Fahrt gewonnen haben, ist auch für Dieter ein Grund, sich wissenschaftlich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen: „Im Jahr 2014 habe ich in meiner wissenschaftlichen Arbeit TTIP genauer betrachtet. Überrascht hat mich, auf welch schmaler Basis die Prognosen über die wirtschaftlichen Effekte aufbauen. Kurz gesagt: Die Politik verwendet Aussagen, die die positiven Wirkungen des transatlantischen Präferenzabkommens überschätzen."

Dabei ist die Intention - glaubt man den Aussagen der Handelspartner - eine sinnvolle und vor allem gewinnbringende Idee für beide Seiten: 119 Milliarden Euro jährlich möchte die EU durch ein Freihandelsabkommen mit den USA gewinnen. Viel soll auch bei Produktion und Tests gespart werden, indem die Standards zwischen den Vertragspartnern angepasst werden. Durch die Vermeidung von doppelten Produktzulassungen könne man beispielsweise allein in der Kosmetik-Industrie bis zu 35% sparen.


Allerdings sorgt nicht nur die Angst, dass sich Europäer möglicherweise bald an geringere Standards der Vereinigten Staaten anpassen müssen, für Unmut bei den Verhandlungen über das transatlantische Abkommen. Denn worüber wird eigentlich hinter den dicken Türen der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten diskutiert, fragen sich viele besorgte Bürger. Einblick in die Verhandlungsdokumente? Hinter Schloss und Riegel. Offene Gespräche mit Journalisten und Kritikern? Fehlanzeige.
Eigentlich sollte das Abkommen schon Ende des Jahres in trockenen Tüchern sein. Ist es aber nicht. Angesetzt ist es mittlerweile für das Jahr 2015. Fraglich bleibt auch dieser Termin. Schließlich scheint der öffentliche Widerstand nicht zu schwächeln. Und wer entscheidet das Ganze am Ende auf „unserer" Seite?
Das EU-Parlament sowie sämtliche Länder - aufgrund des Eingriffs in die eigene Kompetenz - entscheiden schlussendlich. Es sind also die jeweiligen Parlamente, die über das zukünftige Schicksal von TTIP bestimmen.

Flugzeug auf. Auto rein. So einfach könnte weltweiter Handel in der Automobil-Industrie funktionieren. Teils hohe Autozölle machen den Verbrauchern aber immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Während die Staaten also um das Abkommen TTIP ringen, geraten andere Probleme der Handelsordnung in Vergessenheit. Für den Abbau von Handelshemmnissen würden sich laut Dieter aber gerade die Autozölle anbieten: „Die USA erheben seit über 50 Jahren einen hohen Zoll von 25 Prozent auf sogenannte leichte Lastwagen, während bei Personenwagen nur ein geringer Zoll von 2,5 Prozent anfällt. Pro Jahr werden etwa acht Millionen „light trucks“, mehr als die Hälfte des gesamten Fahrzeugmarktes, in den USA neu zugelassen. Ein Import in diesem Segment aus Europa oder Asien findet wegen des hohen Zolls so gut wie nicht statt", beschreibt Dieter in der WirtschaftsWoche im Oktober 2014.
Flugzeug auf. Auto rein. So einfach könnte weltweiter Handel in der Automobil-Industrie funktionieren. Teils hohe Autozölle machen den Verbrauchern aber immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Während die Staaten also um das Abkommen TTIP ringen, geraten andere Probleme der Handelsordnung in Vergessenheit. Für den Abbau von Handelshemmnissen würden sich laut Dieter aber gerade die Autozölle anbieten: „Die USA erheben seit über 50 Jahren einen hohen Zoll von 25 Prozent auf sogenannte leichte Lastwagen, während bei Personenwagen nur ein geringer Zoll von 2,5 Prozent anfällt. Pro Jahr werden etwa acht Millionen „light trucks“, mehr als die Hälfte des gesamten Fahrzeugmarktes, in den USA neu zugelassen. Ein Import in diesem Segment aus Europa oder Asien findet wegen des hohen Zolls so gut wie nicht statt", beschreibt Dieter in der WirtschaftsWoche im Oktober 2014.

Doch selbst wenn die aktuellen Verhandlungen nicht zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden, wird das Bestreben weitergehen, internationale Handelshemmnisse abzubauen. Wie werden Freihandelszonen in Zukunft aussehen? Welche neuen Zonen werden sich formieren? Welche Eigenschaften müssen sie innehaben, um bestehen zu können? Viele Fragen drängen sich auf, auch wenn die positiven Wirkungen von Freihandelszonen oft überschätzt werden, „weil sie die Unternehmen mit kostspieligen administrativen Hemmnissen, etwa die Dokumentation des Warenursprungs, belasten", wie Dieter mahnt.


„Der Königweg der Handelsliberalisierung bleibt der multilaterale Ansatz. Freihandelszonen sind ökonomisch suboptimal und politisch gefährlich, weil sie nicht-teilnehmende Staaten ausschließen. Erkennbar ist heute ein geostrategischer Wettlauf um Einfluss. Im asiatisch-pazifischen Raum etwa konkurrieren drei Großprojekte miteinander: Die Freunde der USA in TPP, die Freunde der ASEAN in RCEP, und das 21 Länder, einschließlich der USA und Russlands, umfassende asiatisch-pazifische Abkommen FTAAP-21. Implementiert werden wird bestenfalls eines davon - aber welches? Handelsabkommen des 21. Jahrhunderts müssen Handelskosten reduzieren - und Freihandelsabkommen gelingt dies nur bedingt. Aus ökonomischer und politischer Sicht überlegen ist die Zollunion, in der sich Volkswirtschaften eng aneinander binden. Die Zollunion, erstmals erfolgreich angewendet in Deutschland im 19. Jahrhundert, ist für mich das überlegene Modell, weil es Handelskosten reduziert und den gegenwärtigen Wildwuchs beseitigen würde: Eine Volkswirtschaft kann unendlichen vielen Freihandelszonen, aber nur einer Zollunion beitreten", schließt Dieter sein Plädoyer.


Ob es mit TTIP nun klappt oder nicht - sicherheitshalber sollten wir uns den diesjährigen Weihnachtsbraten nach europäischen Standards noch mal schmecken lassen, bevor es nächstes Jahr möglicherweise schon zu spät ist. Wohl bekomm's.

Titelbild: Dirk Kirchner / flickr.com (CC BY-NC-SA 2.0)

Bilder im Text: campact / flickr.com (CC BY-NC-SA 2.0)

Lufthansa Cargo (Werner Bartsch) / Pressebilder


Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm & Alina Zimmermann

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