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Martin Fenz studiert seit 2014 Communication, Culture and Management an der Zeppelin Universität und war im Februar 2016 auf dem Start-up-Kongress „4 Years From Now“ im Rahmen des „Mobile World Congress“ in Barcelona unterwegs. Nach seiner Matura, dem österreichischen Abitur, arbeitete Fenz zunächst bei einer PR-Agentur und organisierte dann verschiedene Ausstellungen und Kulturveranstaltungen im Großraum Wien, wo er 2013 ein Studium der Kultur- und Sozialanthropologie begann, dem er ein Jahr später für sein CCM-Studium am Bodensee den Rücken kehrte.
In drei Jahren hat „4 Years From Now“ seine Teilnehmendenzahl vervielfacht, mit den spanischen Behörden innovative Finanzierungsmodelle entwickelt und stabile Brücken in die Wissenschaft gebildet. Einer der kreativen Köpfe dahinter ist Esteban Redolfi, Executive Director des Events – ZU-Studierender Martin Fenz hat ihn getroffen.
Die Mobilfunkbranche hat schnell erkannt, dass ihr Sektor im Zuge der Digitalisierung rasant von kreativen Unternehmern erobert wird. Da scheint es nur sinnvoll, die Möglichkeit zum Networking zu bieten und Innovation mit Kapital zu rüsten. Es glich auch ein wenig einer Mall für starke, etablierte Unternehmen, die sich fragen: Wie sieht unsere Konkurrenz von morgen aus? Was kaufen wir besser jetzt, um unsere Stellung zu sichern? Die Mitmischer werden jedenfalls mehr, denn nach nur drei Jahren zählte das 4YFN mit 12.500 Teilnehmern schon zehntausend mehr als 2014. Die „Founders & Investors Lounge“ war täglich mehr als gut besucht und bot Raum für etwa 5.200 Meetings. So hat das 4YFN als Tochterevent des „Mobile World Congress“ erneut eingeschlagen. Zwar haben nicht alle 100.000 Besucher die Hallen der Start-ups besucht, doch einige Tausend haben die Chance genutzt und die Möglichkeit zum Networking wahrgenommen.
Neben den allgemeinen Trends zu E-Health und M-Education konnte auch Katalonien diesbezügliche Pilotprojekte mit Partnern aus Finnland öffentlichkeitswirksam präsentieren. Es ist der Kooperation zwischen Wirtschaft, Politik und Technik zu verdanken, dass auch kulturelle Veränderungen im Bildungszugang thematisiert werden. Die Initiativen mehrerer öffentlicher wie privater Schulen aus Katalonien sollen vorerst Maßstäbe für Spanien setzen und dann Brücken in ganz Europa schlagen.
Das Angebot an kreativen Ideen war in der Kürze der Zeit kaum zu erfassen. Von ambitionierten Frauen aus den Vereinigten Staaten, die von kreisrunden Displays überzeugt sind und darin die Zukunft des tatsächlich handlichen Gadgets von morgen sehen, bis hin zu innovativen Ideen zur adäquaten medizinischen Versorgung von Flüchtlingen war alles verteten. So auch eine App, die dem Echtzeitwahn von WhatsApp entgegenhält und wenig Sympathie dafür hegt, dass einem gesagt wird, wann der Empfänger die gesendete Nachricht gelesen hat. Vielmehr erinnert „Jack“ an die nunmehr romantische Idee des Briefeschreibens. Sendet man einen „Jack“, kann man selbst entscheiden, wann der Adressat die Meldung zu lesen bekommt. Das kann sofort oder aber in 100 Jahren sein – vorausgesetzt, die Lebenserwartung im 21. Jahrhundert macht „Jack“ keinen Strich durch die Rechnung.
Wie „Jack“ die Daten bis zu 100 Jahre sichern will, weiß man für ein kleines Publikum zu beantworten. Ob das funktioniert, wenn die halbe Welt ihren ungeborenen Urenkeln Nachrichten schickt, überlegt man sich wohl erst, wenn Geldgeber gefunden sind und WhatsApp nicht mehr „in“ ist. Darüber hinaus merkt man, dass generell allen digitalen Pioniere das Thema „Daten“ sehr wichtig. Das dürften die Fragen sein, die sich den Datenschutzbeauftragten in demokratischen Nationen noch stellen werden, nämlich spätestens dann, wenn das Internet der Dinge globale Realität wird – oder „Jack“ Nachrichten aus dem Jenseits übermittelt.
Doch der Tod bleibt nicht unbeachtet. So hat sich ein tatkräftiges Team aus Juristen und Entwicklern damit beschäftigt, was eigentlich mit den Accounts bei Facebook, Twitter, WhatsApp, Instagram, Flickr, YouTube und all dem passiert, wenn man stirbt. Braucht ein Toter ein Facebook-Profil, um die Beileidsbekundungen seiner Freunde entgegenzunehmen? Das Team ist sich einig: Wohl eher nicht! Darum soll in Zukunft der letzte Wille, die Präsenz im Web und die digitale Fußspur durch einen Kanal geregelt werden. Dazu müsste sich auch das Berufsbild des Notars grundlegend ändern. Mit großer Spannung bleibt also die europäische Entwicklung in diese Richtung abzuwarten.
Eine weitere Neuerscheinung könnte auch den Flüchtlingen aus Kriegsregionen zugutekommen. Das Hamburger Team von „MLove“ hat sich die Kosten für die medizinische Versorgung von Geflüchteten und die dadurch gebotene Leistung ein wenig näher angeschaut und festgestellt, dass die Kosten-Nutzen-Rechnung hierzu wenig sinnvoll erscheint. Denn die medizinische Versorgung in Zelten oder provisorischen Einrichtungen mit einigen Übersetzern kostet bedeutend mehr als das Aufstellen eines Container-Behandlungsraumes mit Highspeed-Internetverbindung. Nicht nur die hygienischen Zustände könnten damit verbessert werden, sondern auch die Kommunikation zwischen Arzt und Patient. Denn die Übersetzer vor Ort werden mit bis zu 40 Sprachen konfrontiert und so kam es schon häufiger zu unnötigen, oft lebensbedrohlichen Situationen bei der Behandlung. Die Container von „MLove“ dagegen sind mit einem Übersetzer-Netzwerk in ganz Deutschland verbunden und können in Echtzeit jede Sprachbarriere aushebeln. Damit wäre den Flüchtlingen geholfen und die medizinische Versorgung würde allgemein flexibler sein. So sind die Container genormt und können via Lkw, Zug oder Frachter in wenigen Tagen – ohne Ab- und Aufbau – versetzt werden. Vielleicht wird die EU darauf aufmerksam, wenn die gewünschten Hotspots Wirklichkeit werden oder sich die Situation an der griechisch-mazedonischen Grenze weiter verschlimmert. Auch könnte man dem rechtsgesinnten Steuerzahler damit zeigen, dass die Flüchtlingskrise gar nicht so viel kosten muss. Jedenfalls leisten Institutionen der Zivilgesellschaft hier Pionierarbeit, denn die Realisierung der ersten Container hat „MLove“ in Kooperation mit der „Dorit & Alexander Otto Stiftung“ vollzogen.
Über bessere Datenübertragung und allgemeinen Internetzugang sprach auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Neben futuristischen Plänen zu solarbetriebenen Internet-Flugzeugen über der Wüste, damit Nomaden Selfies posten können und auch endlich „connected“ sind, gab er allerdings wenig Auskunft über die Ambitionen des Unternehmens. Sei es Datenschutz oder Nutzungsbedingungen: Facebook sagt, dass es in guter Absicht handelt. Das unterliegt natürlich oft einer subjektiven Definition und man kommt nicht umher zu bedenken, dass Mark Zuckerberg die vier Milliarden „disconnected people“ gerne der Nutzerkartei hinzufügen möchte. „Connected“ zu sein ist nichts Schlechtes, die Frage ist nur wie.
Die positiven Argumente des jährlichen Start-up-Events in Barcelona haben jedenfalls nicht nur Techniker und Spanier erkannt. Die Wirtschaftskammern Österreichs betreuten mit „Austria Advantage“ den Auftritt ausgewählter Unternehmer aus der Heimat vor Ort und Frankreich entsandte mit „FrenchTech“ eine beachtenswerte Delegation aus Newcomern. Auch Kolumbien bringt sich ein und präsentierte interessante Ideen zu Social Responsibility im digitalen Zeitalter. Großbritannien ist natürlich auch dabei. Nebenher fällt auch die Open University of Catalonia auf, die das Wissensmanagement zwischen Entwicklern und Wirtschaft forciert. Sie bemüht sich, die Fähigkeiten ihrer Studierenden mit den Bedürfnissen der Wirtschaft (und auch umgekehrt) zu verbinden und ist der Ansicht, dass einfach die richtigen Köpfe zusammenkommen müssen, wenn man etwas bewegen will.
Bewegen werden uns vor allem die 5. Generation des Mobilen Internets (5G) und das Internet der Dinge. Datenübertragungen von mehr als 20 Gigabyte pro Sekunde schaffen Möglichkeiten, die wir bisher noch nicht erahnen. Vor allem in den Hallen des „Mobile World Congress“ wird man bei Huawei und Ericsson damit vertraut, was der Markt alles für seine Konsumenten plant. Nachdem wir begeistert eine Drohne von Barcelona aus in der schwedischen Zentrale von Ericsson fliegen durften, bot sich die Möglichkeit, hinter die Kulissen zu blicken und in freundlicher Atmosphäre Näheres über die Geschäftsfelder des stillen Konzerns zu erfahren. Und Ericsson ist lauter als man denkt, wenn es um Entwicklung und Society Transformation geht.
Begrüßend ist, dass die Größen aus Wirtschaft und die Newcomer die Gelegenheit nutzten, um sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen, zusammen die Zukunft träumten und versuchten miteinander neue Wege zu definieren. Zwar geht jeder wieder in seine verschlossene Ideenwerkstatt zurück, doch ein paar Brücken dürften bleiben und zumindest freut man sich aufs nächste Jahr in Barcelona - sowie auf spannende Zeiten. Diese läutet ja auch die heimische Politik ein. Mit der erst kürzlich präsentierten „Digital Strategie 2025“ dürfte man den Ton der Zeit getroffen haben.
Titelbild:
| 4 Years from Now Barcelona / flickr.com (Pressebild)
Bilder im Text:
| Caspar von Moltke / Zeppelin Universität
Beitrag (redaktionell unverändert): Martin Fenz
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm