ZU|Daily wurde in die Hauptseite in den Newsroom unter https://www.zu.de/newsroom/daily/ integriert. Die neuesten Artikel seit August 2024 werden dort veröffentlicht. Hier finden Sie das vollständige Archiv aller älteren Artikel.
Klaus Mühlhahn hat am 1. Juni sein Amt als Präsident der Zeppelin Universität angetreten. Zuvor war er seit 2018 Vizepräsident an der FU Berlin für die Bereiche Forschung, Nachwuchsförderung sowie Wissenstransfer und Ausgründungen. Mühlhahn gilt als einer der renommiertesten Sinologen in Deutschland. Nach dem Studium der Sinologie und der Promotion an der FU Berlin führte ihn sein wissenschaftlicher Weg zunächst von 2002 bis 2004 als Visiting Fellow an das Center for Chinese Studies der University of California, Berkeley. Weitere Stationen waren von 2004 bis 2007 als Professor für gegenwärtige chinesische und asiatische Geschichte das Institut für Geschichte der University of Turku, Finnland, und von 2007 bis 2010 als Professor für Geschichte und außerordentlicher Professor für ostasiatische Sprachen und Kulturen die Indiana University Bloomington, USA, bevor Mühlhahn im selben Jahr als Professor für chinesische Geschichte und Kultur an die FU Berlin zurückkehrte. An der Zeppelin Universität übernimmt Mühlhahn den Lehrstuhl für Moderne China-Studien.
Herzlich Willkommen in Ihrem ersten Semester an der Zeppelin Universität, lieber Herr Mühlhahn! Haben Sie die ersten Kehrwochen schon erfolgreich absolviert – oder sind die Unterschiede zu ihrer früheren Wirkungsstätte in Berlin gar nicht so groß?
Prof. Dr. Klaus Mühlhahn: Vielen Dank. Einerseits sind die Unterschiede zwischen Universitäten nicht wirklich groß, denn viele Universitäten arbeiten im Grunde genommen auf der Grundlage von ähnlichen Regeln. Auf der anderen Seite gibt es aber natürlich klare Unterschiede zwischen dem großen Berlin und dem viel kleineren Friedrichshafen.
Stichwort Unterschiede: Welche Differenzen haben Sie zwischen der staatlichen Freien Universität Berlin und unserer privaten Zeppelin Universität bereits ausmachen können?
Mühlhahn: Berlin steht für eine große Massenuniversität, die ZU ist eine kleine und viel persönlichere Universität. Die große Massenuniversität ist anonymer und auch schwerfälliger. Im Gegensatz dazu kann die ZU näher an den Menschen sein und dadurch agiler und innovativer.
Im vergangenen Semester kam der physische Lehrbetrieb in Deutschland nahezu vollständig zum Erliegen. Wie gut waren deutschen Hochschulen auf die „Schock-Digitalisierung“ ihrer Lehre vorbereitet?
Mühlhahn: Die deutschen Hochschulen waren nicht besonders gut auf die Digitalisierung vorbereitet: Es ist sicher keine Übertreibung zu sagen, dass die meisten Hochschulen in puncto Digitalisierung zurücklagen. Das Thema stand bis zu diesem Jahr nur an wenigen Hochschulen im Mittelpunkt der universitären Entwicklung.
An der Zeppelin Universität sollen im kommenden Semester zwei Drittel der Seminare vor Ort stattfinden. Große amerikanische Universitäten wollen weiterhin auf Präsenzlehre verzichten. Lässt sich die Idee der Universität – das wissenschaftliche Streiten um Argumente – überhaupt ins Internet übertragen? Oder leidet darunter die Qualität von Lehren und Lernen?
Mühlhahn: Online-Lehre kann durchaus gewinnbringend eingesetzt werden. Aber die Erfahrungen von diesem Frühjahr haben uns gezeigt, dass die virtuelle Lehre die Präsenzlehre keinesfalls ersetzen kann. Untersuchungen und Umfragen im Sommer dieses Jahres haben klar gezeigt, dass die Studierenden die Präsenzlehre mit großer Mehrheit der digitalen Lehre vorziehen. Viele Studierende erleben es als Qualitätsverlust, wenn sie keine Präsenzlehre geboten bekommen.
Auch in Friedrichshafen soll ein Teil des Curriculums weiter digital gelehrt werden. Worauf kommt es in digitalen Seminaren an, um für Studierende genauso wie für Lehrende eine möglichst inspirierende Atmosphäre mit maximalem Wissensgewinn zu schaffen?
Mühlhahn: Die Sorge um den Schutz von gesundheitlich gefährdeten Dozierenden, Mitarbeitenden und Studierenden macht es notwendig, einen Teil der Lehre digital zu leisten. Ich bin überzeugt, dass auch digitale Lehre inspirierend und produktiv sein kann. Wir sind im Moment aber alle dabei, die richtigen Formate dafür zu entwickeln. Wichtig ist, dass auch im digitalen Seminar die Studierenden uneingeschränkt Fragen stellen und intensiv diskutieren können und darüber hinaus individuell und persönlich mitgenommen werden. Ich denke allerdings auch, dass trotz aller Fortschritte noch weiterhin Experimente, neue Initiativen und Ansätze ausprobiert werden müssen, bis wir ein gutes Format gefunden haben.
Welchen Stellenwert spielen neben dem Seminar Orte wie Mensa oder Bibliothek als Orte der Begegnung und des gegenseitigen Austauschs, als Stätten der Inspiration für die eigene Forschung?
Mühlhahn: Es ist keine Frage, dass die konkreten Orte der Begegnung ganz wichtig sind. An einer Universität lernen die Studierenden nicht nur von den Dozierenden, sondern auch von ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen. Gerade für die studentische Forschung ist der Austausch mit und die Anregung von anderen entscheidend. Leider ist aber gerade dieser persönliche Austausch im Moment nur unter der Einhaltung der Regeln zur sozialen Distanz möglich. Von daher ist es auch gerade dieser Austausch an konkreten Orten auf dem Campus, der mir am meisten Sorgen macht. Die Gefahr ist, dass er zu Corona-Infektionen führt und der Campus zu einem Hotspot wird. Deshalb bitte ich alle Studierenden dringend, sich die Regeln bewusst zu machen und sie auch einzuhalten. Wir wollen Präsenz – aber das ist nur möglich, wenn wir alle unserer Verantwortung dafür gerecht werden.
Welche Rolle wird die Digitalisierung nicht nur von Seminaren, sondern auch von Prüfungsleistungen oder Verwaltungsabläufen, im Rahmen Ihrer Amtszeit spielen? Und welche weiteren Kernthemen werden Ihr Handeln bestimmen?
Mühlhahn: Die Digitalisierung bietet für mich gerade in der Verwaltung, einschließlich der Studierendenverwaltung und der Verwaltung von Prüfungsleistungen, große Chancen. Digitalisierung bietet allgemein die Möglichkeit, administrative Prozesse besser und effizienter durchzuführen. Im Idealfall entsteht so mehr Zeit für Anderes und Wichtigeres. Allerdings ist darauf zu achten, dass die Digitalisierung medienbruchfrei und also durchgängig erfolgt. Nur so können Dienstleistungen zielgenauer erbracht und die allgemeine Zufriedenheit erhöht werden.
Titelbild:
| Montage: Florian Gehm / mit Fotos von Florian Gehm und Ilja Mess (alle Rechte vorbehalten)
Titelbild (Kleinformat):
| Florian Gehm / Zeppelin Universität (alle Rechte vorbehalten)
Bild im Text:
| Ilja Mess (alle Rechte vorbehalten)