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Freiheit benötigen beide Seiten
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Urheberrecht

Freiheit benötigen beide Seiten

von Jenny Fadranski | Redaktion
14.11.2012
Durch die neuen technischen Möglichkeiten entstehen keineswegs neue Rechte auf Seiten der Nutzer.

Professor Dr. Joachim Behnke
 
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    Zur Person
    Professor Dr. Joachim Behnke

    Joachim Behnke ist Inhaber des ZU-Lehrstuhls für Politikwissenschaften. Er hat Theaterwissenschaft, Philosophie, Kommunikationswissenschaften, Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft studiert. Sein Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem bei Wahlsystem und Wählerverhalten. Außerhalb der Universität engagiert sich Behnke als Sprecher verschiedener Arbeitskreise in der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft und ist als Stiftungsberater tätig.

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    Factbox
    Podiumsdiskussion zum Urheberrecht

    Zum Thema „Urheberrecht und geistiges Eigentum im Zeitalter des Internets“ diskutierten am 31.10.2012 Sven Krohlas, Kandidat der Piratenpartei für die Bundestagswahl, Dorothee Schön, eine der erfolgreichsten Drehbuchautorin der Bundesrepublik und Johannes Marx, Professor für Politische Theorie an der Universität Bamberg. Moderiert wurde die Diskussion durch Professor Dr. Behnke.

    Urheberrechtsreform

    Angestoßen wurden die bisherigen Reformbemühungen durch verbindliche europäische Richtlinien zur Harmonisierung des Urheberrechts in Europa. Dies führte bisher dazu, dass insbesondere Einschränkungen beim Recht auf Privatkopie vorgenommen und die Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen verboten wurde. An dieser Gesetzgebung wird kritisiert, dass es besonders die Verwerter stärke. Das Problem der Kontrolle des Urheberrechtes im Internet bleibt weiterhin ungelöst. Nach dem Scheitern von ACTA, das Provider verpflichtet sollte, Urheberrechtsverletzungen zu kontrollieren, geht die Suche nach geeigneten Instrumenten weiter. Diskutiert werden zum Beispiel das Warnstufenmodell, das beim dritten Verstoß gegen das Urheberrecht eine Strafe vorsieht. Problematisch ist hierbei die Notwendigkeit, immense Datenmengen von allen Nutzern zu speichern und zu kontrollieren. Ebenso diskutiert wird eine Kultur-Flatrate, die jeder unabhängig von der eigentlichen Konsumierung urheberrechtlich geschützter Inhalte zahlen müsste. Noch in dieser Legislaturperiode soll in Deutschland der sogenannte 3. Korb der Urheberrechtsreform verabschiedet werden. Dem Spiegel sagte Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger aber, dass in dieser Legislaturperiode nur kleine Verbesserung des Rechtsschutzes zu erwarten seien und, dass jetzt noch nicht das gesamte Urheberrecht auf den Prüfstand gestellt werden könne.

    Position der Piratenpartei

    Die Piratenpartei steht für die Etablierung eines liberalen Urheberrechtes, da ihrer Meinung nach besonders die Verwerter durch das aktuelle Urheberrecht geschützt werden. Trotz eines wachsenden Marktes für Kulturgüter, würden Künstler nicht angemessen an den Einnahmen beteiligt. Deswegen fordert die Piratenpartei die Stärkung der Urheberrechte gegenüber den Verwertern in Form eines Urheberrechtsvertrages. Weiterhin plädieren sie für die Legalisierung des Kopierens und Filesharings, da sie die positiven Effekte der freien Verfügbarkeit höher einschätzen und den ökonomischen Schaden für gering halten. Ebenso sehen sie die Maßnahmen zur Verfolgung des Kopierens und Filesharings als nicht haltbare Eingriffe in die Privatssphäre. Die Piratenpartei will durch den freien Zugang zu intellektuellen Gütern die Gemeinfreiheit stärken und den gemeinsamen Kulturschatz, der wichtig für gesellschaftliche Entwicklungen ist, zugänglicher machen. Dazu gehört die freie Verfügbarkeit von staatlich finanzierten Werken. 

    Film: Press Pause Play

    Der Film Press Pause Play zeigt wie die unbegrenzten Möglichkeiten des Internets das Dasein des Künstlers und die Kunst verändern. Die frei verfügbare Dokumentation geht der Frage nach, ob eine demokratisierte Kultur eine bessere Kunst hervorbringt oder wahres Talent nicht mehr erkennen lässt. 

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Das aktuelle Urheberrecht ist unter vielen Gesichtspunkten veraltet. Die technischen Errungenschaften des Internets ermöglichen einen neuen Umgang mit intellektuellen Gütern wie Texten, Musikstücken und Filmen: Sie können weitergegeben, vervielfältigt, verändert und erneut veröffentlicht werden. Das zu tun, ist weitestgehend illegal, jedoch eine derart dominante Realität, dass das aktuelle Urheberrecht in Frage steht. Der Politikwissenschaftler Professor Dr. Joachim Behnke von der Zeppelin Universität betont: „Durch die neuen technischen Möglichkeiten entstehen keineswegs neue Rechte auf Seiten der Nutzer.“

ZU-Podiumsdiskussion zum Urheberrecht


Ungeachtet der verschiedenen Ansätze zur Lösung des Problems besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass das aktuelle Rechtssystem eine große Zahl von Internetnutzern und Filesharern kriminalisiert. Im Fall der Fälle werden sie für etwas bestraft, das schon selbstverständliche und dennoch illegale Alltagshandlung geworden ist. Will man das Problem lösen, tastet man Grundfragen von Freiheit, Eigentum und dessen Schutz an. Genau deshalb geht die Reform des Urheberrechts nur schleppend voran. Im Zeitalter des Internets muss neu diskutiert werden, wann geistiges Eigentum urheberrechtlich schützenswert und wann es im Dienste der Allgemeinheit ist, dies nicht zu tun. Fraglich ist dabei auch, wie viel Kontrolle im Internet zugelassen werden soll, um die Einhaltung des Urheberrechts zu gewährleisten.

Künstler fürchten um Erwerbsgrundlage

Wie stark Urheberrechte generell geschützt werden müssen, hängt auch davon ab, ob geistiges Eigentum mit dem klassischen Begriff des Eigentums adäquat beschrieben werden kann. Professor Dr. Johannes Marx, Inhaber des Lehrstuhls für Politische Theorie an der Universität Bamberg, hat dazu einen klaren Standpunkt: „Eigentum zeichnet sich dadurch aus, dass exklusive Nutzungsrechte vorhanden sind.“ Sven Krohlas ist Bundestagskandidat für die Piratenpartei aus Baden-Württemberg. Er sagt, dass seine Partei die Immaterialgüter definitiv als eine andere, weniger streng zu schützende Form von Eigentum betrachte. Und auch der Politikwissenschaftler Behnke stellt sich die Frage, ob künstlerische Werke nicht in die Öffentlichkeit hineinwüchsen und Bestandteil unseres Lebens würden. Doch entsteht hieraus ein moralischer Anspruch auf diese Güter? Nein, sagt Marx. Dieser Anspruch liege allein beim Urheber.


Das Ziel der Urheberrechtsreform im digitalen Zeitater ist, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, die Urhebern eine verlässliche Erwerbsgrundlage und gleichzeitig Nutzern eine attraktive Nutzung von Inhalten ermöglicht. Dabei müssen divergierende Interessen von Urhebern, Verwertern und Nutzern neu ausgelotet werden. Erforderlich scheint vor allen Dingen die Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen. Laut der Drehbuchautorin Dorothee Schön geht es darum, dass es für Freiberufler auch im Internet möglich sein muss, von ihrer geistigen Arbeit leben zu können. Für die 1.500 Urheber, die im Sommer einen offenen Brief unterzeichnet haben, liegt die Lösung in einer Stärkung des Urheberrechts. Vertreter der Piratenpartei hingegen glauben, dass eine Liberalisierung des Urheberrechts keinen ökonomischen Schaden anrichtet und im Sinne der Allgemeinheit wäre.

Urheberrechtsreform


Gerade sie, als Refombefürworter, haben immer wieder mit dem Vorwurf zu kämpfen, sie wollten den Schöpfern von intellektuellen Gütern durch die Etablierung einer Kostenlos-Kultur die Erwerbsgrundlage entziehen. Doch die Piratenpartei, die das Urheberrecht zu ihren Gründungsthemen zählt, wolle genau das verhindern: Sven Krohlas sagt, dass das jetzige Urheberrecht zu stark auf Verwerter ausgerichtet sei und ein Ausgleich zwischen Kreativen, Nutzern und Verwertern geschaffen werden müsse. Insbesondere wollen sie die Urheber gegenüber den Rechteverwertern, also den Medienkonzernen, stärken, um ihre Vergütungen zu verbessern.

Position der Piratenpartei


Die Diskussion um die Reform des Urheberrechtes steht sinnbildlich dafür, dass einer tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderung wie dem Internet in Bezug auf das Urheberrecht schwerlich mit neuen Verboten beizukommen ist. Auch wenn das Urheberrecht eine Errungenschaft ist, bleibt fraglich, wo die Freiheit des Urhebers aufhört und die des Nutzers beginnt. Um die aktuellen Urheberrechte einzuhalten, wären erhebliche Kontrollen und Eingriffe in die Privatsphäre nötig. Student Simon Hurtz verdeutlicht in einem Gedankenexperiment die Situation: Wenn man sich vorstellt, dass es auf einen Schlag keine Schlösser mehr in Häusern gebe und alle Eingangstüren fehlten, dann könnte man zwar das freie Betreten von Häusern verbieten, man hätte nur ziemliche Probleme dabei, das durchzusetzen. Mit dieser normativen Kraft des Faktischen müsse man sich auseinandersetzen. „Ein strafrechtliches Vorgehen gegen Filesharer ist deshalb maßlos übertrieben″, so Hurtz. Und der wissenschaftliche Mitarbeiter der Zeppelin Universität Christian Geiger kritisiert die Dominanz des kommerziellen Aspektes und moniert, dass es offenbar nicht um die Weiterentwicklung von Ideen sondern schlicht und ergreifend um Kohle ginge.


So dringlich die Urheberrechtsreform ist, einfache Lösungen liegen nicht parat. Noch in dieser Legislaturperiode werden in Deutschland weitere rechtliche Änderungen zur Verbesserung des Schutzes des Urheberrechtes verabschiedet. Doch die zuständige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger rechnet vor der nächsten Bundestagswahl nicht mehr mit einem großen Wurf.



Grafik: Bertram Rusch

Film: Press Pause Play


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