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Seit dem Herbstsemester 2012 ist Bruno S. Frey Gastprofessor an der Zeppelin Universität. Er studierte Nationalökonomie an den Universitäten Basel und Cambridge . Von 1969-2006 war er außerordentlicher Professor an der Universität Basel, von 1970-1977 Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Konstanz, anschließend bis im Sommer 2012 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Zürich. Seit 2010 ist Frey Distinguished Professor of Behavioural Science an der Warwick Business School an der Universität Warwick.
In einem aktuellen Forschungsprojekt untersuchten Bruno Frey, Lasse Steiner und Simone Hotz wie das prestigesträchtige Kulturprojekt „Europäische Kulturhauptstadt" die regionale ökonomische Entwicklung beeinflusst und die Zufriedenheit der lokalen Bevölkerung beeinflusst. Sie fanden heraus das die wirtschaftliche Entwicklung dadurch nicht signifikant beeinflusst wurde und, dass die Menschen gar unzufriedener wurden. Das führen die Wissenschaftler auf die hohen öffentlichen Ausgaben für das Projekt, die Störungen im öffentlichen Nahverkehr, große Menschenmassen und gestiegene Häuserpreise zurück.
Auszeichnungen können die intrinsische Motivation eines Mitarbeiters sehr viel strärker erhöhen als monetäre Anreize, so die Annahme, die Frey und seine Mitarbeiter in verschiedenen Projekten untersuchen. Unter anderem entsteht durch eine nicht monetäre Auszeichnung eine soziale Beziehung, eine Loyalitätsverpflichtung, die bei einer Geldzahlung nicht entsteht. Die Herausforderung für die Forschung besteht vor allen Dingen in der Erfassung existierender Auszeichungen.
Was kritisieren Sie konkret an der Standardökonomie?
Professsor Dr. Dr. Bruno S. Frey: Erstens ist die Standardökonomie weitgehend statisch, sie hat sich über die Zeit hinweg kaum verändert. Das Zweite ist, sie ist sehr geschlossen. Sie nimmt ganz wenige Elemente aus anderen Wissenschaften auf. Wenn sie das tut, dann so, dass es für die etablierte Theorie ungefährlich bleibt. Das Dritte ist: die Standardökonomie ist unglaublich auf die wissenschaftlichen Methoden orientiert - also statistische, ökonometrische und mathematische Fragen. Über den Forschungsinhalt wird zum Beispiel auf wissenschaftlichen Konferenzen kaum mehr gesprochen. Das finde ich falsch. Und das Vierte ist: die Standardökonomie ist sehr fachintern. Was also in der Wirklichkeit passiert, interessiert nur ganz nebenbei. Insbesondere der Nachwuchs ist auf das Publizieren orientiert, weil anders keine wissenschaftliche Karriere möglich ist. Sie unterhalten sich nicht darüber, warum das Wirtschaftswachstum in Deutschland nicht hoch ist, warum es in Spanien so viele Arbeitslose gibt, oder warum die Inflation in Ländern wie Argentinien so hoch ist.
Demnach ist die Standardökonomie für die Praxis recht wirkungslos?
Frey: Genau. Da wird eine riesige wissenschaftliche Aktivität unternommen und der Effekt auf die Wirklichkeit ist minimal.
Inwiefern arbeiten Sie an einer Veränderung dieser Situation?
Frey: Ich denke, die Volkswirtschaftslehre ist eine sehr interessante Wissenschaft, mit der man richtig gute Erkenntnisse gewinnen kann. Insbesondere, wenn sie auf Gebiete außerhalb des Wirtschaftsbereichs angewandt wird. Zum Beispiel auf Politik, Umwelt, Familie, Kunst oder Terrorismus. Zum Beispiel kann man mit der ökonomischen Theorie untersuchen, wie ein Theater organisiert ist, oder was für Eintrittspreise ein Museum verlangen sollte. Aber auch den Herdentrieb auf Kunst- und Finanzmärkten.
Die Standardökonomie geht von einem rationalen und ausschließlich eigennützigen Menschen aus, halten sie das für reformierungswürdig?
Frey: Ich denke, dass das Modell des Menschen, der Homo oeconomicus, unbedingt erweitert werden muss. Dass der Mensch angeblich nur seinen Eigennutz maximieren will, halte ich für total überholt. Deswegen bin ich sehr an der Zusammenarbeit mit Psychologen interessiert. Wir müssen unbedingt besser verstehen, wann Menschen eigennützig handeln und wann gerade nicht. Zum Beispiel verschenken Menschen viel Geld, viele arbeiten für einen guten Zweck ohne den geringsten Lohn zu erhalten. Viele Leute freuen sich, wenn sie eine Auszeichnung bekommen, obwohl keinerlei Geld damit verbunden ist. Solche Phänomene interessieren mich sehr.
In ihrer Glücksforschung haben Sie herausgefunden, dass mehr Geld den Einzelnen nicht unbedingt glücklicher macht. Muss die Wirtschaft eines Landes demnach auch nur bis zu einem gewissen Grad wachsen?
Frey: Ein höheres Einkommen ist nicht unbedingt glücksfördernd, insbesondere, wenn man schon gut verdient. Bei Menschen, die wenig verdienen, schießt das Glücksempfinden bei mehr Geld aber eindeutig nach oben. Bei ersteren sind Freundschaften, gute Bekanntschaften und ein politisches System mit Rechtssicherheit wichtiger als das Geld. Aber es gibt eben Länder, in denen die Menschen sehr arm sind. Und da müssen wir schon auf Wachstum abstellen. Es ist eine gute Sache wenn zum Beispiel 300 Millionen Chinesen das Mittelstandsniveau erreichen.
Inwiefern beeinflusst das politische System das Glücksempfinden?
Frey: Menschen sind in Demokratien glücklicher als in autoritären Gesellschaften und Diktaturen. In Demokratien sehen Menschen die Möglichkeit, etwas verändern zu können. Besonders stark ist das in direkt-demokratischen Gesellschaften, in denen über inhaltliche Probleme abgestimmt wird. Das gibt Bürgern ein gutes Gefühl, insbesondere wenn Entscheidungen auf lokaler Ebene getroffen werden können. Denn die lokale Situation kennen sie normalerweise besser als die ganze Nation.
Welche Fragen finden Sie für die zukünftige Forschung spannend?
Frey: Da gibt es viele. Eine folgt aus dem Fakt, dass Menschen sich immer mit anderen Menschen vergleichen. Entscheidend dabei ist, dass man sich meistens mit Leuten vergleicht, die mehr haben und das macht nicht besonders glücklich. Die Frage ist dann, warum macht der Mensch das, auch wenn er es selbst nicht möchte. Als Ökonom fragt man sich, unter welchen ökonomischen Bedingungen solche psychologischen Prozesse ablaufen.
Foto: flickr/Trevor Leyenhorst