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Nach seinem Architektur-Dipom begann Christian Stumpf im Herbst 2010 sein Studium an der Zeppelin Universität. Sein Mastertitel sowie der Best Thesis Award für seine Abschlussarbeit wurden ihm im Herbst 2013 verliehen. Als nicht-konsekutiver Student im Fach Corporate Management & Economics interessierten ihn besonders die Schnittstellen zum Studiengang Communications & Cultural Management. Seit Mai 2014 arbeitet er als Consultant bei Jonas Lang LaSalle und berät Unternehmen, wie sie Organisation und Arbeitsprozesse optimieren können.
Das Lehnwort aus dem Englischen beschreibt einen Ort, an dem einzelne Personen oder Gruppen unabhängig voneinander an einem Ort arbeiten können. Obwohl die einzelnen Teilnehmer am Coworking Space an unterschiedlichen Projekten und in unterschiedlichen Firmen arbeiten, profitieren sie zum einen von ihren Kompetenzen sowie von geringeren Kosten für die geteilte Infrastruktur für das Büro. Die Coworking Spaces stellen den Teilnehmern der Arbeitsgemeinschaft sowohl Räume als auch Internet, Drucker, Telefone, usw. zur Verfügung.
Wenn man sich mit seinen Kommilitonen darüber unterhält, wie das Leben nach der Universität aussehen soll, hört man Sätze wie: „Auf einen „Nine-to-five“-Job habe ich keine Lust“ oder „Am Ende will ich nicht mit 20 anderen in irgendeinem eintönigen Großraumbüro versauern“. Eine neue Generation von kreativen Köpfen stellt neue Ansprüche an ihren zukünftigen Arbeitsplatz und Arbeitgeber. Ob man diese Generation nun „Digital Natives“, „Generation Y“ oder „Millennials“ nennen möchte, Fakt ist, dass sich der Arbeitsplatz der Zukunft verändern muss, um diesen Ansprüchen genügen zu können. Stumpf spricht in seiner Arbeit von der „non-collar workplace movement“. Eine Bewegung, die mit neuen Formen der Arbeitsplatzgestaltung vertraut ist und sich nicht mehr von flexiblen Arbeitssituationen wie in Coworking Spaces oder der Uni entwöhnen will. Nun fordert sie diese Flexibilität auch von ihren zukünftigen Arbeitgebern ein.
Internet-Firmen wie Google oder Zappos haben diesen Trend bereits früh erkannt und werben unter anderem mit einer ansprechenden Arbeitsumgebung. Dabei geht es den Unternehmen jedoch nicht allein darum, attraktiver Arbeitgeber zu sein und die kreative Elite zu rekrutieren, sondern auch darum, ganz gezielt die Kreativität der dort bereits Arbeitenden zu fördern.
Bis Unternehmen zu diesem Punkt gelangten, ist viel geschehen. Im Zuge des Taylorismus begann man Ende des 19. Jahrhunderts damit, Arbeitsprozesse in kleinere Teilschritte zu zerlegen und Gruppen von Arbeitern auf diese zu spezialisieren. Mit fortschreitender Automatisierung wurden immer gleich ablaufende Tätigkeiten von Maschinen ausgeführt. Musste an einer Produktionsstraße an immer derselben Stelle ein Loch gebohrt werden, gab es bald eine Maschine, die das erledigte. Diese Entwicklung gibt es bis heute, wobei Computerprogramme uns dabei helfen, unsere Arbeiten zu erledigen. Zuletzt haben wir begonnen, den Computer auf Grundlage großer Datenmengen selbst Entscheidungen fällen zu lassen (siehe hierzu auch Daily-Artikel "Die Diktatur der Daten" vom 21.11.2013).
Als Folge dieser Entwicklung gewinnen heute solche Prozesse an Bedeutung, die sich nicht automatisieren oder in Programmen abbilden lassen. Prozesse, in denen Dinge ent- statt abgewickelt werden. Ideen entstehen dabei meist dann, wenn Mitarbeiter ungezwungen zusammenkommen. Zum Beispiel in der Kaffeeküche des Büros, wo Lösungen für Probleme gefunden wurden. „Kreativität lässt sich nicht befehlen, sondern nur ermöglichen, indem man ein ideales Umfeld für Kreativität schafft“, merkt Stumpf an. Googles Politik, Mitarbeitern 20 Prozent der bezahlten Arbeitszeit und die Firmeninfrastruktur zur Verfügung zu stellen, um an eigenen Projekten zu arbeiten, gilt als Paradebeispiel dafür, wie Freiraum zu mehr Kreativität und erfolgreichen Produkten führen kann. Doch genau dieses ungezwungene Zusammenkommen ist angesichts neuer technologischer Errungenschaften einer immer mobilen Arbeitswelt nicht mehr notwendig und immer seltener der Fall. Dabei sind Unternehmen auf Innovationen angewiesen, um im Wettbewerb weiter bestehen zu können. Um die für Innovationen notwendige Kreativität zu ermöglichen, benötigt es auch eine Weiterentwicklung des Arbeitsplatzes. Mehr Raum für Kreativität ist die Devise und mit diesem Raum setzt sich auch die Ba-Philosophie auseinander.
Warum beschäftigt man sich ausgerechnet in Japan mit der Philosophie des Ortes? Stumpf sieht die Besonderheit Japans darin, dass sich die Gesellschaft dort in Kleingruppen organisiert. „Oft manifestieren sich diese Kleingruppen in der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Ort, wobei der Ort nicht nur physisch verstanden wird“, erklärt Stumpf. Nach der japanischen Philosophie setzt sich der Raumbegriff des Ba aus einem mentalen und einem physischen Ba zusammen. Das physische Ba ist der materielle Raum, der von der Gruppe gemeinsam genutzt wird. Die Gestaltung des physischen Bas bestimmt, inwieweit das Potential des mentalen Bas ausgeschöpft werden kann. Das mentale Ba erstreckt sich in den Köpfen der Mitarbeiter und wird aufgespannt durch gemeinsame Erfahrungen, Werte, Ideen und Ideale. Je mehr die Mitglieder einer Arbeitsgemeinschaft davon teilen, desto stärker ist ihr mentaler Raum.
Durch Befragung der Nutzer von Coworking Spaces zeigte Stumpf auf, dass es zu mehr Kreativität kommt, wenn die richtige Arbeitsplatzgestaltung in ein gemeinsames mentales Ba eingebettet ist. Organisationen sollten daher die Gestaltungsfragen nicht allein Facility Managern oder Architekten überlassen, die ihren Fokus allein auf Kosten oder Ästhetik des Arbeitsplatzes legen.
Die wichtigste Erkenntnis aus der Arbeit Stumpfs ist jedoch, dass nicht allein die Gestaltung des Arbeitsplatzes eine Rolle für die Entstehung von Kreativität spielt. Die wirklichen treibenden Faktoren sind ein geteiltes mentales Ba, also die richtigen Unternehmenskultur und ein entsprechendes Unternehmensklima. Es braucht ein Gefühl des geteilten Orts, den die Arbeitsgemeinschaft für sich einnehmen kann.
Um kreatives Arbeiten zu ermöglichen, braucht es einen Ort, der auf die Bedürfnisse dieser Gemeinschaft zugeschnitten ist, und nicht bloß einen Raum, in den man Tische, Stühle und Computer stellen kann. Als Konsequenz muss das physische Ba entsprechend gestaltet werden. Doch dieser Gestaltungsprozess ist zu keinem Zeitpunkt abgeschlossen. Der Arbeitsplatz muss sich den sich ändernden Bedürfnissen der Arbeitsgemeinschaft kontinuierlich und flexibel anpassen lassen.
Auf die Frage, wie seiner Meinung nach der Arbeitsplatz der Zukunft aussehen wird, antwortet Stumpf mit räumlicher Vielfalt. „Früher konnte man sich den Arbeitsplatz eines Mitarbeiters ansehen und anhand dessen sagen, welchen Aufgaben er nachgeht. Heute sitzen wir in homogenen Großraumbüros, in denen sich die Arbeitsplätze nur noch durch die Programme unterscheiden, die auf den Rechnern installiert sind“, führt Stumpf aus. Mehr Möglichkeiten für die jeweiligen Tätigkeiten besonders passende Umgebungen wählen zu können und diese bei Bedarf auch zu verändern, wird seiner Meinung nach wesentlicher Bestandteil künftiger Arbeitswelten sein.
Titelbild: Makers Coworking
Bilder im Text: Makers Coworking | mrdorkesq