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Professor Peter Miroschnikoff war seit den 1960er Jahren als Krisenreporter der ARD tätig und berichtete über den Vietnamkrieg, Griechenlands Staatsstreich, Zyperns Bürgerkrieg zwischen Türken und Griechen, den Yom-Kippur Krieg und den Zerfall Jugoslawiens. Von 2001 bis 2006 leitete er das Ausbildungszentrum für Krisen- und Kriegsreporter der ARD und war an der Hochschule für Fernsehen und Film in München tätig. Im letzten Jahr veröffentlichte er das Buch " Reporter im Fadenkreuz - Probleme der Konfliktberichterstattung", das ausführliche Informationen und Hintergründe zu den im Artikel angerissenen Themen enthält.
Internationale Politik greifbar machen – mit dem Ziel gründete sich der Club of International Politics e.V. im September 2010 auf Initiative von Studierenden der Zeppelin Universität in Friedrichshafen.
Als gemeinnütziger, eingetragener Verein zählt der CIP inzwischen mehr als 160 Mitglieder und konnte sich mit zahlreichen Veranstaltungsformaten als Plattform im Diskurs über internationale Politik etablieren. Ziel ist es interessierten Studierenden, Schülern und Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich über internationale Fragestellungen zu informieren und ihr Wissen über politische, wirtschaftliche und kulturelle Institutionen und deren Zusammenhänge zu vertiefen - Themen, die in Zeiten einer fortschreitenden globalen Vernetzung zunehmend an Bedeutung gewinnen. Dabei hat der Verein sich den Grundsätzen der Überparteilichkeit und Unabhängigkeit verschrieben. Mit Hilfe eines breiten Veranstaltungsportfolios möchte der CIP einen Beitrag zur politischen Bildung in der Bodenseeregion leisten - Because Politics matters!
Nicht nur Terrororganisationen wie al-Quaida, die Taliban oder jüngst der IS beschäftigen meist via Internet eigene PR-Agenturen und Berater, um die Wahrnehmung in relevanten Öffentlichkeiten gezielt zu steuern. Auch auf Seiten der NATO-Partner bereitet man sich auf die sogenannten „Infowars“ der Zukunft vor: Westliche Militärs gehen dabei davon aus, dass Wahrheit in Krisenzeiten auf einen „strategischen Wert reduziert“ werden müsse. Die Medien, das wissen Regierungen wie die Obama-Administration, die massiv in den Aufbau einer Cyber-Armee investiert haben genau, werden dann zu einer vierten Waffengattung neben Heer, Luftwaffe und Marine.
„Bewaffnete Interventionen und Kriege sind regelrechte Medienereignisse und heute für die Konfliktparteien mindestens genauso wichtig wie die politisch-militärische Planung“, weiß Peter Miroschnikoff, ehemaliger Journalist und Gast an der ZU, „die Konzeption übernehmen dabei oft professionelle und gut bezahlte PR Agenturen, ohne die sich kaum ein moderner Krieg noch durchführen lassen würde.
Der frühere Auslandskorrespondent weiß wovon er spricht: Über 40 Jahre berichtete er für die ARD aus Krisengebieten wie Vietnam, Zypern, Israel oder Jugoslawien. Basierend auf seinem tiefen Geschichtsverständnis und der langjährigen Erfahrung beschäftigt er sich heute vor allem mit dem zunehmenden Einfluss von PR-Agenturen und Kommunikationsunternehmen auf die mediale Rezeption von militärischen Auseinandersetzungen.
Auf Einladung des Club of International Politics (CIP) war Miroschnikoff vor einigen Wochen zu Gast an der ZU. Im Rahmen eines zweitägigen Workshops wurden die Teilnehmer mit markanten Beispielen von PR-Steuerung konfrontiert und lernten, wie PR-Agenturen gezielt Meinungen beeinflussen. Im Zentrum standen dabei die aktuellen Medienstrategien Russlands, der USA, der EU-Staaten und diverser nichtstaatlicher Organisationen. In Kooperation mit dem CIP erhält ZU|Daily einige exklusive Einblicke in spannende Diskussionen mit einem der erfahrensten und renommiertesten Experten für journalistische Krisenberichterstattung.
„In den Kriegen der heutigen Zeit haben Schlüsselbilder die Funktion von Kriegstrophäen“, so Miroschnikoff, „egal ob im TV oder in sozialen Netzwerken im Internet“. In der Tat finden sich unzählige Belege für die gezielte Inszenierung kriegerischer Handlungen: Als im Zuge der Operation „Restore Hope“ amerikanische GIs 1992 über den somalischen Strand robbten, fürchteten sie sich nicht etwa vor wartenden Feinden, sondern bewegten sich geradezu auf Fernsehkameras amerikanischer TV-Sender zu, die seelenruhig am Strand warteten.
Als 2003 im zweiten Golfkrieg die ersten Bomben auf Bagdad fielen, traf es kaum zufällig als erstes die Gebäude, in deren Nähe Fernsehkameras installiert waren – und das zur amerikanischen Prime-Time um 21 Uhr.
Seit seiner Zeit als Korrespondent hat Miroschnikoff dabei stets hinterfragt, wie solche Inszenierungen zu Stande kommen und wer dahinter steht. „Das sofort zu durchschauen, ist nahezu unmöglich“, blickt er heute zurück, „die Rolle der PR-Agenturen versteht man meist erst nach und nach, oft viele Jahre später“. Führende Kommunikationsmanagement-Firmen wie Ruder Finn oder Rendon Group waren in fast alle amerikanischen Militäreinsätze der letzten Jahrzehnte involviert profitierten dabei von millionenschweren Verträgen durch die amerikanische Regierung. Bestes Beispiel für hier ist ein Coup des selbsternannten „Informationskriegers“ John Rendon bei der Befreiung Kuwaits im zweiten Golfkrieg 1991. Nur wenige Minuten nach dem Abzug der irakischen Besatzungsmächte wurden Amerikaner wie Briten auf den Straßen als Befreier gefeiert – standesgemäß mit hunderten britischen und amerikanischen Fähnchen. Wie tausende Kuwaitis quasi mit Kriegsende schon die passenden Flaggen zur Feier bereit hatten, hinterfragte damals kaum jemand; „tja, das war einer meiner Jobs“, prahlt Rendon heute mit seiner Medienwirksamen PR-Aktion.
„Wenn sie einen sicheren Arbeitsplatz wollen, dann gehen sie in die PR-Branche“, rät der langjährige Leiter vieler ARD-Auslandsstudios den ZU-Studenten, „denn die PR-Branche kennt keine Finanzkrise. Viel mehr noch: Sie wächst jährlich um 20%.“
Mehr als doppelt so viele PR-Berater als Journalisten sind in den Staaten heute aktiv, zudem bauen sie auf perfekte Netzwerke in Politik und Wirtschaft: Abgeordnete, Senatoren und sogar Ex-Präsidenten wie Bill Clinton haben wichtige Vorstandsposten inne oder agieren wie der ehemalige britische Premier Tony Blair als Berater – hochdotierter Honorarvertrag inklusive.
„Gute Propaganda“, beschreibt Miroschnikoff, „zeichnet sich dadurch aus, dass wir sie nicht bemerken und sie nur spät oder gar nicht ans Licht kommt“. Besonders im Bereich der Krisenkommunikation spielt dabei stets das sogenannte „Wording“ – die Auswahl der passenden Schlüsselbegriffe- eine entscheidende Rolle: Schon im Vorfeld des Vietnam-Kriegs ließ das Pentagon wissenschaftliche Studien zur emotionalen Wirkung verschiedener Begriffe durchführen, deren Ergebnis die Erstellung von Listen sogenannter „White Words“ (z.B. Friede, Demokratie, Gerechtigkeit, Freiheit) und „black words“ (Diktatur, Hass, Angriffskrieg, Terrorismus) war. Wenig verwunderlich ließ sich innerhalb der Bevölkerung mit zunehmender Anzahl der Black Words ein signifikanter Anstieg der Bereitschaft zu militärischem Eingreifen nachweisen, so dass es kaum verwunderlich scheint, dass George W. Bush in seiner „State oft the Union Speech“ zum Irak-Krieg 2003 ganze 22 solcher negativ konnotierter Begriffe verwendete.
Schon vor fast 80 Jahren war man sich in Amerika bewusst, welche Wirkung von Propagandamaßnehmen ausgehen kann. Als die Nazis eigene PR-Berater engagierten, um ihr Image in den USA aufzubessern, ergriff man dort Gegenmaßnahmen: Der „Foreign Agents Registration Act“ (FARA) verpflichtet bis heute alle Werbeagenturen, die politische Informationspolitik betreiben, zur Angabe solcher Tätigkeiten. Eine konkrete Frage des Justizministeriums lautet dabei fast wie bei einem Visumsantrag: „Haben sie politische Propaganda betrieben?“. Akteure wie Ruder Finn oder Rendon Group versuchen oft gar nicht erst, ihre Tätigkeiten zu verschleiern, sondern prahlen ganz offen mit ihren Erfolgen. Allein 40 amerikanische Agenturen sind in den 90er Jahren im Balkan-Konflikt auf den verschiedensten Seiten aktiv gewesen und haben mit Hochdruck daran gearbeitet, den jeweiligen Gegner in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken. Theoretisch sind die Agenturen dabei einer Art Ehrenkodex verpflichtet, „in der Praxis regiert aber meist das Geld“, so Miroschnikoff. So agierte der ehemalige NATO-Admiral James Lyons beispielsweise schon bald als Lobbyist für die serbische Regierung und versuchte aktiv, diese in Amerika in ein gutes Licht zu rücken, indem beispielsweise gezielt Informationen über angebliche Verbrechen an serbischen Christen gestreut wurden.
„In Zeiten des Krieges ist die Erklärung der Wahrheit ein Verbrechen“ schrieb bereits Sir Arthur Posonby. Und in der Tat scheinen auch westliche Politiker und Militärs oft kaum Skrupel zu kennen, wenn es um mediale Darstellung von Konflikten und deren Hintergründen geht:
Als 1990 der Irak unter Saddam Hussein in Kuwait einmarschierte, engagierte die dortige Exilregierung die amerikanische PR-Agentur Hill&Knowlton, um in der Öffentlichkeit Stimmung für eine Intervention zu machen. Besonders interessant ist dabei die Tatsache, darauf legt Miroschnikoff Wert, dass H&K hervorragend in der amerikanischen Regierungsspitze vernetzt war: Der damalige Leiter der Agentur hatte zuvor keinen geringeren Posten als den des Stabschefs und Wahlkampfleiters von George Bush Senior innegehabt. Da zunächst nur ein Drittel der kriegsmüden amerikanischen Bevölkerung eine Intervention befürwortete, entschied man sich zu drastischen Maßnahmen: Neben üblichen Plakat- und Flyeraktionen gelang es der Agentur auch, in den Gebäuden der Vereinten Nationen eine Ausstellung mit von Schauspielern gestellten angeblichen Kriegsverbrechen durchzuführen.
Der eigentliche PR-Coup sollte allerdings noch folgen: Die 15-jährige Nayirah, ihres Zeichens Tochter des kuwaitischen Botschafters, wurde live im Fernsehen als angebliche Kronzeugin präsentiert, die als Hilfskrankenschwester in einem kuwaitischen Krankenhaus miterlebt haben will, wie irakische Soldaten frisch geborene Babys aus den Brutkästen gerissen hätten. Der Baby-Topos zog, mehr als 700 TV-Sender weltweit und nicht zuletzt auch Präsident Bush übernahmen die Aussage, was nicht viel später zu einem Meinungswandel in der amerikanischen Öffentlichkeit führte. In der Tat könnte, so Hochrechnungen, einzig und allein die Nayirah-Lüge das Mehrheitsverhältnis im US-Senat zu Gunsten einer Intervention geändert haben. Dennoch stehen Manipulationen dieser Art nach US-Recht nicht unter Strafe.
Auch aktuelle Konflikte wie die Krise in der Ostukraine lassen sich mit einem Blick in die junge Vergangenheit besser verstehen. Bestes Beispiel für die Involvierung westlicher PR-Berater in militärischen Konflikte ist die Südossetien-Krise zwischen Georgien und Russland im Sommer 2008: Während die meisten TV-Teams bereits zu den Olympischen Spielen nach Peking abgereist waren und das allgemein als „Sommerloch“ bekannte Phänomen Einzug erhielt, entschloss sich der georgische Präsident Saakaschwili, in einer Blitzkrieg-ähnlichen Aktion die abtrünnige Provinz Südossetien „heimzuholen“. Gleichzeitig engagierte dieser die Brüsseler Agentur Aspect consulting im Rahmen eines Beratervertrags über eine halbe Million Euro. Die PR-Profis konnten einiges an Erfahrung vorweisen und hatten zuvor bereits beinahe unbeschadet Großkonzerne wie Shell durch eine Ölkrise und McDonalds durch den BSE-Skandal gebracht. „Als die georgische Offensive schon bald ins Stocken geriet, hat man einfach die alte David-gegen-Goliath-Schablone aus dem Kalten Krieg herausgeholt“, erinnert sich Miroschnikoff, „und so wurde erfunden, das kleine Georgien werde wieder einmal vom großen russischen Bären bedroht“.
Und tatsächlich dominierten PR-Agenturen und deren Strategien den Konflikt wie kaum ein anderer Faktor. Nachweislich falsche Berichte über angebliche russische Kriegsverbrechen und gefährdete Gaslieferungen an Westeuropa wurden zu großen Teilen ungeprüft in westliche Leitmedien übernommen. Zudem inszenierten die Brüsseler PR-Strategen den Präsidenten Saakaschwili bei Pressekonferenzen und Fernsehansprachen gekonnt neben NATO- und EU-Flaggen, obwohl Georgien nicht einmal Mitglied einer der Organisationen gewesen wäre. Dennoch empfand man in der westlichen Öffentlichkeit ein gewisses Maß an Zugehörigkeit.
Während die georgische Seite den Coup minutiös und unter Hinzunahme bester Berater geplant hatte, wurde russische Seite vollkommen überrascht und überrumpelt. Erst Tage mach Beginn des Krieges war man bereit zu reagieren und engagierte seinerseits die New Yorker PR-Firma Ketchum, deren Brüsseler Zentrale nur wenige Meter von der Gegenseite entfernt liegt. Erst nach einigen Wochen gelang es den russischen PR-Leuten, ihre eigene Darstellung der Ereignisse in westlichen Medien zu platzieren. Der Krieg, der militärisch erfolgreich geführt worden war, war moralisch zu diesem Zeitpunkt dennoch schon längst verloren. „Das hat Putin nachhaltig beeindruckt“, ist sich Miroschnikoff sicher, „so etwas wollte er auf keinen Fall noch einmal zulassen.“ Vor diesem Hintergrund lassen sich auch der Ausbau des Haussenders Russia Today sowie das aktuelle Agieren der russischen Kräfte in der Ukraine besser verstehen. Während die Ukraine und Russland nun schon seit Monaten um die Informationshoheit kämpfen wie wohl kaum zwei Konfliktparteien zuvor, ernennt Präsident Poroschenko einen neuen Gouverneur der Provinz Odessa, der sich im Geschäft bestens auskennt: Es ist kein geringerer aus der PR-erfahrene und mit allen Wassern gewaschene georgische Ex-Präsident, Micheil Saakaschwili.
Titelbild: Marines /flickr.com (CC BY-NC-2.0)
Bilder im Text: Frank Steele /flickr.com (CC BY-ND 2.0)
von English: Petty Officer 1st Class Joshua L. Kelsey [Public domain], via Wikimedia Commons
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Profilfoto: ARD-Studio Wien, Pressefoto via siebenbuerger.de