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Marcel Tyrell ist seit 2009 Professor für Unternehmer- und Finanzwissenschaften an der Zeppelin Universität. Nach Studien der Wein- und Kellerwirtschaft und der Wirtschaftswissenschaften arbeitete und lehrte Tyrell unter anderem in Frankfurt, Trier und Pennsylvania, bevor es ihn nach Friedrichshafen zog. Dort forscht Tyrell zur Globalisierung und der Entwicklung der Finanzmärkte.
In der Öffentlichkeit werden hingegen immer stärker Szenarien des Auseinanderbrechens der Euro-Zone diskutiert, auch wenn die Politik dies derzeit noch nicht wahrhaben will oder kann. Das erste Szenario ist der (erzwungene oder freiwillige) Austritt Griechenlands. Ein solcher Austritt könnte kurzfristig Erleichterung verschaffen, löst aber nicht die strukturellen Probleme der anderen unter Druck stehenden Länder. Die direkten Kosten des Austritts wären für die verbleibenden Länder nur dann verkraftbar, wenn es nicht zu Ansteckungseffekten in der Euro-Zone kommen würde. Aufgrund der aus einem Austritt Griechenlands folgenden zunehmenden Verunsicherung der Anleger und der Vernetzung der Finanzsysteme sollte man jedoch hohe indirekte Kosten einkalkulieren, da es zu einem Flächenbrand mit immensen finanziellen Folgen kommen kann.
Das zweite Szenario wäre ein Austritt von Spanien, Irland, Portugal, Zypern und vielleicht auch Italien. Dies würde wahrscheinlich weitere Ansteckungseffekte vermeiden helfen, die direkten Kosten wären jedoch hier enorm. Eine dritte Möglichkeit, die insbesondere von angloamerikanischen Kommentatoren ins Spiel gebracht wird, ist der Austritt Deutschlands mit einer sukzessiven Rückkehr zur D-Mark. Dies würde dazu führen, dass der (Rest-)Euro stark abwerten würde und dadurch viele europäische Länder Wettbewerbsfähigkeit zurückerlangen könnten. Sie hätten damit auch eine Atempause, um ihre strukturellen Probleme sozialverträglich anzugehen. Für Deutschland wäre dies allerdings mit extrem hohen Risiken verbunden: Der Aufwertungsdruck auf die D-Mark müsste abgefedert werden, die exportorientierte Industrie würde stark leiden, die Arbeitslosigkeit zunehmen und der Finanzsektor müsste höchstwahrscheinlich wieder einmal unterstützt werden.
All diese Austrittsszenarien sind somit äußerst unattraktiv. Was bleibt also zu tun? Die momentan noch kostengünstigste Variante ist erstens die Einführung einer europäischen Bankenunion unter zentraler Aufsicht, zweitens die Einführung von Eurobonds konditioniert auf Struktur- und Anpassungsprogramme, die die Wettbewerbsfähigkeit bestimmter Länder fördern und die Verschuldungsdynamik außer Kraft setzen, ohne soziale Unruhen zu verursachen. Dies ist eine Herkulesaufgabe und erfordert eine intelligente, aber auch zupackende gemeinsame Politik, stellt jedoch die einzige Möglichkeit dar, wenn man die Euro-Zone wirklich retten will.
Grafik: Andreas Fachner