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Josef Wieland ist Direktor des Leadership Excellence Institute Zeppelin | LEIZ und Inhaber des Lehrstuhls für Institutional Economics an der Zeppelin Universität. Von 1995 bis 2013 war Wieland Professor für Allgemeine BWL mit Schwerpunkt Wirtschafts- und Unternehmensethik an der Hochschule Konstanz für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) und dort Direktor des Kooperativen Promotionskollegs sowie des Konstanz Instituts für WerteManagement (KIeM). Daneben ist er wissenschaftlicher Direktor des Zentrums für Wirtschaftsethik (ZfW) und Gründer und Vorsitzender des Forums Compliance & Integrity – Anwenderrat für Wertemanagement. Seit 2012 ist Wieland Vorsitzender des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik (DNWE) sowie Mitglied im CSR-Forum des BMAS. 1999 wurde er mit dem Max Weber Preis für Wirtschaftsethik des BDI und im Jahr 2004 mit dem Forschungspreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet.
Es war nicht weniger als die Gestaltung einer vernetzten Weltgesellschaft, die bei dem Treffen der G20 am 7. und 8. Juli in Hamburg auf der Tagesordnung stand. Um diese anspruchsvolle Agenda und deren Herausforderungen besser zu verstehen, ist es nützlich, sich einige Entwicklungen in der wirtschaftlichen Wertschöpfung der vergangenen zwei Jahrzehnte zu vergegenwärtigen.
Die Spielregeln für eine globale Wirtschaft haben eine dominante Rolle auf dem Gipfel gespielt. Diese globale Weltwirtschaft ist allerdings mit dem Begriff „International Trade“ nur unzureichend charakterisiert. Das Modell des Exportweltmeisters, das in Deutschland produziert und dann die Güter und Dienstleistungen weltweit an den Konsumenten bringt, ist zu einem nicht unwesentlichen Teil durch die „Global Value Chain“ abgelöst worden. In der globalen Ökonomie wird weltweit arbeitsteilig investiert, entwickelt, produziert und organisatorisch koordiniert: Die Wertschöpfung findet auf allen Stufen dieses Prozesses und in vielen Ländern dieser Welt statt. Das öffnet Zugangsmöglichkeiten zum Weltmarkt für sich entwickelnde und Schwellenländer, die ein Upgrading vom einfachen Rohstoff- oder Teilezulieferer zum Anbieter ganzer Herstellungsschritte bekommen. In der Terminologie der Ökonomen nennt man dieses Upgrading ein „full package model“ oder „Orginal Equipment Manufacturing“ (OEM), Begriffe, die heute auch im Management vieler deutscher Unternehmen zum Alltag gehören.
Die „United Nations Conference on Trade and Delvelopment“ (UNCTAD) in Genf schätzt, dass heute etwa 80 Prozent des Welthandels auf diese Transaktionen, Produkte und hochwertigen Services in und zwischen Firmen entfallen – mit der Folge, dass etwas mehr als ein Viertel des Weltexports doppelt gezählt wird. In diesen grenzüberschreitenden Netzwerkorganisationen, so die Schätzungen der „International Labour Organisation“ (ILO), sind etwa 160 Millionen Menschen beschäftigt. Ohne die transkulturelle Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der beteiligten Akteure ist dieses Wertschöpfungsmodell nicht zu haben – von dessen Gelingen aber hängt heute der Wohlstand aller Nationen ab. Moderne Ökonomien sind weniger Marktökonomien als vielmehr Kooperationsökonomien unter Wettbewerbsbedingungen, für die es global anerkannte Spielregeln geben muss. Genau das war das Thema der G20-Gipfels, der daher seine Arbeit und das Abschlusskommuniqué folgerichtig unter das Motto „Shaping an interconnected world“ gestellt hat. Was sind nun die Ergebnisse und wie soll man sie beurteilen?
Eine der Konsequenzen globaler Wertschöpfungsnetzwerke ist, wie bereits erwähnt, das Upgrading der Entwicklungs- und Schwellenländer, die damit zunehmend eine eigenständige und stärkere Position in der Weltwirtschaft bekommen. China mag hier als Beispiel genügen und Donald Trumps „America First“ zielt genau darauf, diesen Prozess zu stoppen und umzugestalten in nur eine Richtung: „freer and fairer for all Americans“ – so die „President‘s National Trade Policy for 2017“. Tatsächlich war die Trump-Administration nach Hamburg gereist, um diese Anfang dieses Jahres verkündete Strategie durchzusetzen. Dazu gehört die Neuverhandlung internationaler in bilaterale Abkommen und die Schwächung internationaler Organisationen wie die WTO oder die OECD. Mit einem Wort: Protektionismus. Das ist nicht gelungen. Allerdings hat die G20 dafür einen Preis gezahlt, indem die Berechtigung von „legitimate trade defence instruments“ in das Abschlussdokument aufgenommen wurde. Dazu gehören nach Ansicht der US-Regierung (und das ist eine gefährliche Ausweitung des bisherigen Verständnisses von unfairem Handel) Belange der amerikanischen Sicherheit. Das ist eine Generalklausel, deren Interpretation und Reichweite ganz der Definition der USA unterliegt und von niemandem auf dem Gipfel geteilt wurde.
Ähnlich verhält es sich mit dem Pariser Abkommen zur globalen Erwärmung. Im Vorfeld hatte die New York Times über die Absicht von Donald Trump spekuliert, Russland, die Türkei, Indonesien und Saudi-Arabien auf diesem Gipfel dazu zu bewegen, ebenfalls das Abkommen aufzukündigen. Das hätte als Zeichen einer erstarkten Führungsrolle Trumps in der Welt gedeutet werden können. Im Ergebnis jedoch waren die USA isoliert und dabei hat Europa keine unbedeutende Rolle gespielt.
Eine weitere Konsequenz globaler Wertschöpfung ist der Einbezug von Nachhaltigkeits-, Sozial-, Umwelt-, Korruptionsbekämpfungs- und Menschenrechtsstandards, die traditionell in den Diskussionen zum „International Trade“ eine eher randständige Rolle gespielt haben. Das hat sich mit dem Gipfel geändert. Gegen den Widerstand von Ländern wie etwa China und, wie man hört, mit der massiven Unterstützung von Theresa May haben diese Standards eine zentrale Rolle in den Beratungen gespielt und sind nicht nur in der Abschlusserklärung, sondern auch in separaten Beschlüssen für das Management von Unternehmen gefordert und spezifiziert worden. Nicht zuletzt für die deutsche Wirtschaft und ihre Verbände ist dabei interessant, dass die gesellschaftliche Verantwortlichkeit von Unternehmen für die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit sich in der Wahrnehmung ihrer Sorgfaltspflichten („due diligence“) – durch Ethik- und Compliance-Managementsysteme im Hinblick auf die erwähnten Sozial-, Anti-Korruptions- und Menschenrechtsstandards – ausdrücken muss. In diesen Kontext gehören ebenso „Hochrangige G20-Grundsätze zur Verantwortlichkeit juristischer Personen für Korruption“, was der deutschen Diskussion über die Einführung eines Unternehmensstrafrechts neue Legitimität und damit Auftrieb verleihen dürfte.
Gelegentlich wird der Eindruck erweckt, als ob die G20 sich im Gipfeltreffen des Führungspersonals erschöpft. Das ist sicherlich ein zentrales und sichtbares Element, aber eben auch nur eines in einem kontinuierlichen Prozess. Nicht nur werden die Themen des Gipfels für jeweils drei Jahre koordiniert (also die Türkei, China, Deutschland und anschließend Argentinien, Japan, Saudi-Arabien) und von ministeriellen Arbeitsgruppen in allen 20 Ländern vorbereitet, sondern aus dem Gipfel einsamer, mächtiger, zumeist männlicher Regierungschefs wird mehr und mehr ein lebendiger Stakeholderprozess, an dem sich Plattformen wie T20 (Wissenschaft), B20 (Wirtschaft) und W20 (Frauen) mit eigenen Beiträgen und Forderungen zur Vorbereitung der jeweiligen Gipfel beteiligen. Wenn ich das Ergebnis richtig deute, ist einiges aus diesem Prozess in die Dokumente eingeflossen. Natürlich kann man die Effektivität der G20, gemessen an den Problemen der Welt, kritisch sehen. Aber gerade die eingangs skizzierten Herausforderungen der globalen Wertschöpfungsnetzwerke sind auch ein Beleg dafür, dass die G20 als Stakeholderprozess ein Element der Entstehung einer globalen Ordnung ist. Als solcher ist sie zurzeit unverzichtbar.
Titelbild:
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Bilder im Text:
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Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Josef Wieland
Redaktionelle Umsetzung: CvD