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Die Sache mit den furzenden Rindern
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Populäre Fleischirrtümer

Die Sache mit den furzenden Rindern

von Prof. Dr. Peer Ederer | Zeppelin Universität
23.08.2019
Übrigens, sollten Sie dennoch der Ansicht sein, auf Rindfleisch zugunsten des Klimas verzichten zu wollen, dann wird das trotzdem nicht helfen. Rinder werden in erster Linie für die Milchwirtschaft gehalten, das Fleisch ist eher ein Nebenprodukt.

Prof. Dr. Peer Ederer
Honorarprofessur für Human Capital, Innovation und Growth
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Peer Ederer

    Prof. Dr. Peer Ederer hat an der Sophia Universität in Tokyo (BA) und der Harvard Business School in Boston, USA (MBA) studiert. Er promovierte an der Universität Witten-Herdecke in Finanzökonomie. Er ist unter anderem Honorarprofessor der Zeppelin Universität in Friedrichshafen mit den Schwerpunkten Humankapital, Wachstum und Innovation und leitet das „Global Food and Agribusiness Network“ mit Unterstützung der China Europe International Business School Zurich Campus.

    Im Rahmen seiner Tätigkeiten berät er Firmen aus aller Welt, die in der Agrarwirtschaft und Lebensmittelindustrie arbeiten. Nur objektive und wissenschaftliche Erkenntnisse sind dabei gefragt. Auftragsforschungen mit Zielvorgaben oder Lobbyarbeit in jedweder Form sind nicht Bestandteil seiner Arbeit.  

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Was für eine Horrorvorstellung! Die Kühe furzen die Klimakatastrophe herbei. Den Eindruck könnten in diesen Tagen die verängstigten Menschen gewinnen, wenn sie die täglichen Nachrichten der Weltretter hören. Aber keine Angst: Daran stimmt gar nichts. Das fängt damit an, dass Rinder ihr Methangas fast ausschließlich durch das Maul emittieren. Die Bilder und Vokabeln von flatulierenden Kühen sind reine assoziative Propaganda, die jeder Grundlage entbehrt. Ein paar unumstrittene Fakten helfen weiter: Weltweit hält die Menschheit 1,4 Milliarden Rinder, also für je fünf Menschen ein ganzes Rind. Der überwiegende Großteil davon erzeugt eines der gesündesten Lebensmittel überhaupt: die Milch und alle daraus entstehenden Produkte. Der kleinere Teil der Herde ist weitgehend für die Hamburgerproduktion da und ein noch kleinerer Teil wird als Steak und Filet gegessen. Aber: ungefähr ein Drittel des Wertes der gesamten landwirtschaftlichen Produktion der Welt hängt direkt oder indirekt mit der Milchwirtschaft zusammen.

Auch unbestritten: Rinder ernähren sich von Gras, das verhältnismäßig wenige Nährstoffe enthält. Dafür haben diese Huftiere eine spezialisierte Verdauung in Symbiose mit Bakterien, infolgedessen eine große Menge an Methangas erzeugt wird. Wer hier aufhört, die wirkliche Methangasbelastung zu messen, hätte mit der folgenden Betrachtung recht: Das emittierte Methangas erzeugt einen Treibhausgaseffekt in der Atmosphäre. So wird die Aussage gerechtfertigt, dass die Rinderwirtschaft ein bedeutender Teil des Treibhauseffektes ausmacht, laut dem IPCC Weltklimarat, ungefähr genauso viel wie die gesamte Automobilflotte der Welt. Daraus leitet sich dann die Empfehlung ab, weniger Fleisch zu essen, um das Klima zu schützen. So oft dieser Logikschluss vollzogen wird, so falsch ist er. Rinder rülpsen nicht das Klima warm. Im Gegenteil: Rinder sind, falls überhaupt klimarelevant, Teil eines essenziell wichtigen bio-geologischen Kreislaufs, der das Klima kühlt, nicht wärmt. Das passiert auf zwei Wegen, die gleich beschrieben werden und eines deutlich machen: Auf Fleisch zu verzichten, ändert am Treibhauseffekt überhaupt nichts.

Der erste Abkühlungseffekt: Kühe, die auf der Weide stehen und dort grasen, bearbeiten gleichzeitig mit ihren Hufen den Boden. Diese natürliche Bodenbearbeitung führt zu einer aktiveren Biosphäre und fördert insbesondere eine Schicht von methanotrophen Bakterien in der Erde, die sich ausschließlich von Methan ernähren und daraus Proteine herstellen. Diese Proteine werden von anderen Organismen aufgenommen und führen zu einer höheren und stabileren Biodiversität.

Wenn wir eine Kuhherde auf der Weide sehen, denken wir sicher nicht gleich an eine Ökokatastrophe. Doch jedes Rind produziert täglich mehrere Hundert Liter Methan – und das ist ein enormes Problem für das Klima. Das von Bakterien in Mägen von Wiederkäuern produzierte Methan ist eines der stärksten Treibhausgase. Methan (CH4) entsteht, wenn organische Stoffe zersetzt werden, zum Beispiel in Sümpfen oder eben in Rindermägen. Eine Kuh, an die täglich fünf Kilo Heu verfüttert wird, produziert 191 Liter Methan am Tag. Dieses Gas wirkt etwa 25 Mal stärker als CO2 und macht einen großen Teil des Treibhauseffektes aus. [Text: Redaktion]
Wenn wir eine Kuhherde auf der Weide sehen, denken wir sicher nicht gleich an eine Ökokatastrophe. Doch jedes Rind produziert täglich mehrere Hundert Liter Methan – und das ist ein enormes Problem für das Klima. Das von Bakterien in Mägen von Wiederkäuern produzierte Methan ist eines der stärksten Treibhausgase. Methan (CH4) entsteht, wenn organische Stoffe zersetzt werden, zum Beispiel in Sümpfen oder eben in Rindermägen. Eine Kuh, an die täglich fünf Kilo Heu verfüttert wird, produziert 191 Liter Methan am Tag. Dieses Gas wirkt etwa 25 Mal stärker als CO2 und macht einen großen Teil des Treibhauseffektes aus. [Text: Redaktion]

Es stimmt ohne Zweifel, dass die Rinder Methan emittieren, aber durch ihre Bodenbearbeitung tragen sie auch entsprechend viel zur Methansequestrierung durch diese Bakterien bei. Die Frage, ob die beiden Effekte sich neutralisieren, ist erstaunlich schlecht erforscht. Es gibt nur wenige Studien, durchgeführt in Australien, Österreich, Russland und China, die versucht haben, eine Antwort zu finden. Das Wenige, was daraus abzuleiten ist, ist, dass die methanotrophen Bakterien im Boden mehr Methan absorbieren, als die Kühe emittieren und zwar in einem Ausmaß, dass sogar die Stallkühe mitkompensiert werden. Dass es diesen Effekt gibt, wird von den meisten Klimaforschern nicht bestritten. Er wird aber meistens ganz ignoriert, oder in einer Fußnote im Methodikteil als unbekannte Größe deklariert und dann außer Acht gelassen. Warum es nicht mehr Studien über die Methanbodensequestrierung von Huftieren gibt, ist unerklärlich, schließlich geht es ja um die Frage, wie wir das Klima retten können. Oder geht es in Wirklichkeit um einen Feldzug gegen den Fleischkonsum?

Es gibt ein weiteres Indiz dafür, dass der Rinderbestand keine Nettomethanemission erzeugt. Von Satellitenbildern ist klar erkennbar, wo sich das Methan in der Atmosphäre ansammelt und in welchen Jahreszeiten. Dort, wo die meisten Rinderherden stehen, gibt es besonders wenig Methan. Stattdessen finden sich auf den Satellitenbildern Konzentrationen anderer bekannter Methanerzeuger wie Reisanbau, tropische Regenwälder, Erdgaspipelines und Verbrennungsmotoren. Dafür gibt es eindeutige Nachweise. Nur für Rinder nicht.

Der zweite Abkühlungseffekt dank der Kühe und auch der ungezähmten Tierherden in Afrika wird von den Klimaerwärmern übergangen. Die Huftiere, egal ob Rinderherden in Argentinien, Brasilien, den USA oder anderer Rinderzüchterstaaten oder um die Millionen Tiere zählenden Herden von Gnus und Zebras in Afrika, die Huftiere sind ein essenzieller Bestandteil des biologischen Kreislaufs von Steppen-, Savannen-, und Waldlandschaften. Die Gräser benötigen das regelmäßige Mähen durch die Huftiere, da sie über Jahrmillionen miteinander ko-evolutioniert sind. Ohne Huftiere vertrocknen und verwüsten die Steppen, wie geschehen in der Prärie Nordamerikas nach dem Abschießen der Büffelherden, in den ausgedehnten Steppen Asiens von Ungarn bis in die Mongolei und in Afrika. Überall, wo die nachsteinzeitlichen Menschen – dazu gehören wir auch noch – die natürlichen Huftierherden stark dezimiert haben, sind danach die Regionen vertrocknet. Die Vertrocknung entzieht diesen Makroregionen den Wasserkreislauf, ohne diesen gibt es weniger Wolken, und ohne Wolken wird es heißer.

Es gibt Wissenschaftler, die behaupten, dass wir ohne diesen Effekt der Versteppung mittlerweile wieder in einer tiefen Eiszeit gelandet wären, weil die meteorologische Entwicklung eher auf eine Abkühlung der Erde hinausläuft. Aber diese Theorien zeigen nur, dass die Ängste zwischen einer neuen Eiszeit und einer Überhitzung nahe beieinander liegen und sich für jeden und alles ein Wissenschaftler findet, der das vertritt. Aber eine nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführte Bewirtschaftung von Steppen und Savannen mit Huftieren würde vermutlich in vielen Regionen den Verwüstungsprozess umkehren, den Wasserkreislauf wiederherstellen und eine Kühlung des jetzigen Klimas bewirken. Und es hätte den Nebeneffekt, viele gesunde Lebensmittel zu produzieren.

Die Berechnungen der Klimaforscher zu den Auswirkungen von Methan auf das Klima sind nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch falsch. Methan verbleibt im Schnitt nur zirka 12 Jahre in der Atmosphäre, bis es zerfällt, während Kohlendioxid mehrere zehntausend Jahre in der Atmosphäre verbleibt. Dafür hat das Methan während seiner zwölf Jahre Bestand einen sehr viel höheren Treibhauseffekt als Kohlendioxid. Üblicherweise werden diese Faktoren auf 100 Jahre CO2-Äquivalenz umgerechnet. Das ist methodisch so unsinnig, wie wenn der Wärmeausstoß von einem zweistündigen Grillfeuer mit dem einer einjährigen Bodenheizung verglichen würde, indem man die Wärme des Grillfeuers auf einen Tag Bodenheizung umrechnet. Dabei geht aber ein wichtiger Aspekt verloren: Das Methan, das von der Kuh emittiert wurde, ist schon seit eh und je Bestandteil des ständigen natürlichen Kohlenstoffkreislaufs zwischen Boden, Fauna und Atmosphäre – denn Methan ausstoßende Huftiere hat es bereits seit Jahrmillionen gegeben.

Wird der Rinderbestand erhöht, dann führt dies nur zu einem kurzfristigen Wärmeimpuls, der dann durch den natürlichen Kreislauf wieder kompensiert wird. Wird aber in einem Motor Benzin verbrannt, oder in einem Kraftwerk Kohle, oder in einem Haus Erdgas, Energieträger also, die zuvor 200 Millionen Jahre in der Erde eingelagert waren, dann führt das zu einem permanenten Anstieg von Karbonverbindungen in der Atmosphäre, der durch keinen Kreislauf kompensiert wird. Deswegen sind natürliche Tieremissionen nicht vergleichbar mit Energieerzeugungsemissionen durch gefördertes Öl, Kohle oder Gas.

Die Diskussion um höhere Fleischpreise sorgt bei vielen Deutschen für politische Kurzschlüsse. Denn auch für die Produktion von Milch werden Kühe gehalten und gefüttert – und auch das ist wenig förderlich fürs Klima. Bis ein Liter Milch im Kühlschrank steht, sind mindestens 100 Liter Wasser geflossen. Das haben zumindest Forscher der TU Berlin berechnet. Wie die Universität in der vergangenen Woche mitteilte, wurde hierfür das Wasser kalkuliert, das für Futter, Putzen des Stalles, das Tränken der Tiere und die Milchproduktion verbraucht wird. Von großer Bedeutung ist dabei die Art der Haltung und Fütterung. „Wenn der Bauer sein Vieh im Stall mit Mais, Luzernen, Sojabohnen und anderen Futtermitteln versorgt, die zum Großteil aus Nord- und Südamerika importiert werden, statt es auf der Weide zu halten, können sogar leicht 400 Liter Wasser pro Liter Milch zusammenkommen“, erklärten die verantwortlichen Wissenschaftler Vanessa Bach und Markus Berger. [Text: Redaktion]
Die Diskussion um höhere Fleischpreise sorgt bei vielen Deutschen für politische Kurzschlüsse. Denn auch für die Produktion von Milch werden Kühe gehalten und gefüttert – und auch das ist wenig förderlich fürs Klima. Bis ein Liter Milch im Kühlschrank steht, sind mindestens 100 Liter Wasser geflossen. Das haben zumindest Forscher der TU Berlin berechnet. Wie die Universität in der vergangenen Woche mitteilte, wurde hierfür das Wasser kalkuliert, das für Futter, Putzen des Stalles, das Tränken der Tiere und die Milchproduktion verbraucht wird. Von großer Bedeutung ist dabei die Art der Haltung und Fütterung. „Wenn der Bauer sein Vieh im Stall mit Mais, Luzernen, Sojabohnen und anderen Futtermitteln versorgt, die zum Großteil aus Nord- und Südamerika importiert werden, statt es auf der Weide zu halten, können sogar leicht 400 Liter Wasser pro Liter Milch zusammenkommen“, erklärten die verantwortlichen Wissenschaftler Vanessa Bach und Markus Berger. [Text: Redaktion]

Übrigens, sollten Sie dennoch der Ansicht sein, auf Rindfleisch zugunsten des Klimas verzichten zu wollen, dann wird das trotzdem nicht helfen. Rinder werden in erster Linie für die Milchwirtschaft gehalten, das Fleisch ist eher ein Nebenprodukt. Schon jetzt besteht ein riesiges Überangebot an Rindfleisch im Markt, das von den Kunden nicht verzehrt wird. Denn die Verbraucher essen fast nur Steaks oder Hamburger, ein Rind aber besteht aus viel mehr Fleischarten und Innereien. Diese empfinden immer mehr Menschen als ungenießbar. Daher werden zunehmend immer größere Mengen Rindfleisch zu Hunde- und Katzenfutter verarbeitet. Das ist der am schnellsten wachsende Fleischmarkt überall auf der Welt. Genaue Zahlen lassen sich dazu nicht finden. Fest steht jedoch, solange Sie nicht auch ihren Milchkonsum (und Butter, Eiskrem, Torte, Käse etc.) deutlich einschränken – und damit entsprechend Ihre Gesundheit gefährden (siehe Folge 1) –, wird Ihr persönlicher Fleischverzicht in erster Linie den Haustieren zugute kommen, aber keine einzige Kuh in der Welt weniger bedeuten.


Dieser Beitrag ist am 16. August unter dem Titel Populäre Fleischirrtümer: Falschalarm Rinderfurz auf dem Blog „Achgut.com“ erschienen.

Weiterführende Informationen und Quellen finden Sie unter den folgenden Links:
| www.foodandagribusiness.org/quo-vadis-meat-2050-part-4-climate/

Studien zu methanotrophen Bakterien:
| www.nature.com/articles/srep04444
| www.nature.com/articles/srep40857
| iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/11/7/075001/meta
| onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/j.1758-2229.2009.00078.x

ESA Methan Satellitenbilder:
| www.esa-ghg-cci.org/?q=node/116

Methodisch falsche Klimaberechnung der CO2-Methan-Äquivalenz:
| www.oxfordmartin.ox.ac.uk/publications/climate-metrics-for-ruminant-livestock/
| www.oxfordmartin.ox.ac.uk/pollutants

Titelbild: 

| Doruk Yemenici / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Bilder im Text: 

| Theo Leconte / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link

| Vera Cho / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Peer Ederer

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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