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Die Partei auf Linie bringen
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Entscheidungen im Bundesrat

Die Partei auf Linie bringen

von Prof. Dr. Markus M. Müller | Zeppelin Universität
16.01.2020
Erstmals quantitativ beschrieben wird im Rahmen unseres Forschungsprojektes auch das parteipolitisch koordinierte Verhalten der (ehemals) ,kleinen Parteien‘, also der Grünen, der FDP und der Linken: Auch sie nutzen die Vertretung im Bundesrat, um Parteilinien zu etablieren. Parteipolitik im Bundesrat ist damit nicht nur Sache der SPD- beziehungsweise CDU-geführten Ministerien und Senate.

Prof. Dr. Markus M. Müller
Honorarprofessur für Politik- und Verwaltungswissenschaften
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Markus M. Müller

    Markus M. Müller hat seit 2009 die Honorarprofessur für Politik- und Verwaltungswissenschaften inne. In seinen Forschungsschwerpunkten befasst sich Müller mit den Regierungssystemen Deutschlands, der USA, Großbritanniens sowie mit Internationaler Politik, insbesondere international vergleichender Wirtschaftspolitik. 

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Im Zentrum der medialen Berichterstattung steht in der Regel die Bundesregierung, auch wenn es um die Gesetzgebung geht. Bei letzterer kommen in zweiter Linie auch Politikerinnen und Politiker des Bundestages, aus Regierungs- und Oppositionsparteien zu Wort, wiewohl sie es sind, denen das Grundgesetz die Gesetzgebung zugewiesen hat. Doch nicht nur ihnen. An sämtlicher Gesetzgebung nimmt auch der Bundesrat, die sogenannte „Länderkammer“, teil, wenn auch mit unterschiedlich stark ausgeprägten Mitspracherechten. Der Bundesrat kommt allerdings in der Berichterstattung nur vor, wenn sich gegen politisch umstrittene Regierungsvorhaben Widerstand von einer erheblichen Zahl von Landesregierungen abzeichnet und so eine „Blockade“ in der Länderkammer droht. Die internen Arbeits- und Entscheidungsprozesse des Bundesrates sind jedoch weitgehend unbekannt, die Forschung vergleichsweise überschaubar.


Heute sprechen wir wie selbstverständlich von Parteiinteressen im Bundesrat. Parteipolitik im Bundesrat widerspricht allerdings seiner Konzeption (und Selbstdarstellung) als Länderkammer, welche nach landläufigem Verständnis ausschließlich territoriale Interessen artikulieren und vertreten sollte. Spätestens seit Gerhard Lehmbruchs Studie zur Bedeutung des Parteiensystems für die deutsche Bundesstaatlichkeit Mitte der 1970er-Jahre liegt ein, wenn nicht das Hauptaugenmerk der Bundesratsforschung daher auf seiner mutmaßlichen Parteipolitisierung.


Trotz jahrzehntelanger Forschung bleibt diese allerdings umstritten, nicht zuletzt, weil die amtliche Dokumentation nur in Ausnahmefällen verzeichnet, welche Landesregierungen im monatlich stattfindenden Plenum wie abgestimmt haben. Folglich konnten empirisch fundierte Aussagen zur Rolle parteipolitischer Erwägungen bei Entscheidungen des Bundesrates nur schwerlich gemacht werden. Die Forschung musste notgedrungen auf Schlussfolgerungen aufgrund der parteipolitischen Mehrheitskonstellationen auf Bundesebene, indirekte Evidenz, wie Anrufungen des Vermittlungsausschusses, Einzelfallanalysen und quasi-anekdotische Beobachtungen zurückgreifen.

Früh übt sich: Bundesratspräsident Daniel Günther traf im Januar 2019 rund 160 Jugendliche aus ganz Deutschland und fünf europäischen Staaten und diskutierte mit ihnen über Europa. Das Treffen ist Teil des Projekts Modell Europa-Parlament (MEP), das für zwei Tage im Bundesrat zu Gast ist. Hier lernen die Schüler zwar die Funktionsweisen des Europäischen Parlaments kennen, erfahren aber auch viel über die Wirkmechanismen des Bundesrates. Ausgehend von der Prämisse der originären Länderzuständigkeit, hat das Grundgesetz dem Bund überwiegend die Kompetenzen im Bereich der Gesetzgebung übertragen. In der eigenen Zuständigkeit der Länder verbleiben nur noch wenige Bereiche, wie zum Beispiel die Bildung, die Kultur und das Polizei- und Ordnungsrecht. Nur dort können die jeweiligen Landesparlamente eigene Gesetze erlassen. Der weit überwiegende Teil der Gesetze wird vom Deutschen Bundestag und damit vom Bund beschlossen.
Früh übt sich: Bundesratspräsident Daniel Günther traf im Januar 2019 rund 160 Jugendliche aus ganz Deutschland und fünf europäischen Staaten und diskutierte mit ihnen über Europa. Das Treffen ist Teil des Projekts Modell Europa-Parlament (MEP), das für zwei Tage im Bundesrat zu Gast ist. Hier lernen die Schüler zwar die Funktionsweisen des Europäischen Parlaments kennen, erfahren aber auch viel über die Wirkmechanismen des Bundesrates. Ausgehend von der Prämisse der originären Länderzuständigkeit, hat das Grundgesetz dem Bund überwiegend die Kompetenzen im Bereich der Gesetzgebung übertragen. In der eigenen Zuständigkeit der Länder verbleiben nur noch wenige Bereiche, wie zum Beispiel die Bildung, die Kultur und das Polizei- und Ordnungsrecht. Nur dort können die jeweiligen Landesparlamente eigene Gesetze erlassen. Der weit überwiegende Teil der Gesetze wird vom Deutschen Bundestag und damit vom Bund beschlossen.

Im Rahmen eines seit 2017 laufenden DFG-Forschungsprojektes unter Leitung von Roland Sturm, Inhaber des Lehrstuhls für Deutsche und Vergleichende Politikwissenschaft, Europaforschung und Politische Ökonomie an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, und mir sollte dieses Defizit an Tatsachenwissen mit Hilfe einer quantitativ angelegten Erhebung von Ländervoten in den Ausschüssen des Bundesrates zumindest teilweise behoben werden. Denn anders als im Plenum werden alle Einzelentscheidungen der Ausschüsse des Bundesrates länderscharf seit einer Geschäftsordnungsänderung nach der Wiedervereinigung – und damit seit über 25 Jahren – dokumentiert. Da praktisch alle Plenarbeschlüsse in den Ausschüssen vorbereitet werden, kann mit dieser Methode näherungsweise ermittelt werden, ob und welche Zusammenhänge zwischen Parteipolitik und Entscheidung in den Verfahren des Bundesrates bestehen.


Im Rahmen der Forschung dieses Projektes wurden mehr als 50.000 Voten aus den 14 Fachausschüssen zwischen 1991 und 2013 aus den Protokollen händisch rekonstruiert. Mit ihrer Hilfe und weitergehenden Berechnungen ist es möglich, parteipolitisch geprägtes Abstimmungsverhalten erstmals auf Grundlage von amtlichen Daten zu quantifizieren. Dabei sind Auswertungen nach Politikfeldern oder nach Regierungskonstellationen möglich. Konflikte, die in den Parteifarben der Landesregierungen begründet liegen, können zudem mit anderen gemeinhin als wichtig wahrgenommenen Konfliktlagen in der Bundesrepublik – etwa zwischen Ost und West oder den Geber- und Nehmerländern im Länderfinanzausgleich – verglichen und in Relation gesetzt werden.

Einen Überblick über die im Projekt bis dato gewonnen Ergebnisse gibt der Fachaufsatz „Representation of Partisan, Territorial, and Institutional Interests in Second Chambers: Evidence from the German Bundesrat and its Committees“, der im amerikanischen Föderalismusjournal „Publius“ kurz vor der Konferenz bereits elektronisch erschienen ist.


Zu den Erkenntnissen des Forschungsprojektes gehört unter anderem der Nachweis sowohl von „Parteilinien“ im Abstimmungsverhalten der Länder in den Ausschüssen (also koordiniertes Entscheiden von Ländern gleicher Parteicouleur) und damit zusammenhängend von „Parteikonflikten“ (also dezidiert gegenläufige Parteilinien der Länder unterschiedlicher Parteicouleur). Parteipolitische Prägung in diesem Sinne ist dabei stärker nachweisbar als zum Beispiel ein abgestimmtes Verhalten von Geber- versus Nehmerländern oder Ost versus West. Erstmals quantitativ beschrieben wird auch das parteipolitisch koordinierte Verhalten der (ehemals) „kleinen Parteien“, also der Grünen, der FDP und der Linken: Auch sie nutzen die Vertretung im Bundesrat, um Parteilinien zu etablieren. Parteipolitik im Bundesrat ist damit nicht nur Sache der SPD- beziehungsweise CDU-geführten Ministerien und Senate (seit der sozial-liberalen Koalition als A- beziehungsweise B-Länder tituliert). Die Befunde machen schließlich aber trotz allem deutlich, wie sehr die Konsenskultur der deutschen Politik auch den Bundesrat in Form von häufiger Einstimmigkeit in den Ausschüssen dominiert.


Die Erkenntnisse wurden von den Projektbeteiligten, neben den Projektleitern namentlich von Antonios Souris und Patrick Finke, mit Expertinnen und Experten der Parlamentarismus-, Policy- sowie der Föderalismusforschung und aus der Praxis diskutiert. Zahlreiche Querbezüge zu Forschungsansätzen anderer Forschungsteams in Deutschland wurden dabei offenbar. Da der Datensatz mit Abschluss des DFG-Forschungsprojektes der wissenschaftlichen Öffentlichkeit allgemein zugänglich gemacht wird, ist mit zahlreichen weiteren Nutzungen zu rechnen, die über den institutionellen Fokus auf den Bundesrat hinausgehen.

Titelbild: 

| LoboStudioHamburg / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Bild im Text: 

Bundesrat / Frank Bräuer (Pressebilder) | Link


Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Markus M. Müller

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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