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Die Zukunft wartet nicht
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Familienunternehmen

Die Zukunft wartet nicht

von Prof. Dr. Reinhard Prügl | Zeppelin Universität
18.12.2020
Es braucht vor allem einen offenen und kontinuierlichen Dialog – nicht nur mit der Zukunft, sondern insbesondere zwischen allen Mitgliedern der Unternehmerfamilie, um letztlich ein gemeinsames Bild der Zukunft in den Bereichen Familie, Unternehmen und Eigentum zu schaffen.

Prof. Dr. Reinhard Prügl
Inhaber des Lehrstuhls für Innovation, Technologie und Entrepreneurship und wissenschaftlicher Leiter des Friedrichshafener Instituts für Familienunternehmen | FIF
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Reinhard Prügl

    Der aus dem Weinviertel in Österreich stammende Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Reinhard Prügl ist seit 2010 wissenschaftlicher Leiter des Friedrichshafener Instituts für Familienunternehmen | FIF an der Zeppelin Universität. Er beschäftigt sich seit dieser Zeit intensiv mit Nachfolge-Strategie-Prozessen, insbesondere aus der Perspektive der nachrückenden Generation. In diesem Rahmen ist er zudem akademischer Programmleiter eines einzigartigen berufsbegleitenden Masterstudiengangs für Familienunternehmertum | eMA FESH. 

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In den vergangenen Jahren ist eine zunehmende Professionalisierung der Prozesse rund um den Generationswechsel zu beobachten. Das ist insbesondere deshalb sinnvoll, da die Komplexität sowohl innerhalb der Familie selbst als auch im Umfeld der Unternehmerfamilie stetig zunimmt. Ein Beispiel: Lange Zeit galt für die Führungsnachfolge im Unternehmen das Highlander-Prinzip „Es kann nur einen geben“. Dies hat sich vielfach gewandelt. So ist es mittlerweile nicht mehr so, dass es in Bezug auf die Führungsnachfolge im Familienunternehmen nur einen Nachfolger geben kann, sondern es kann auch eine Nachfolgerin geben. Verstärkt werden auch Geschäftsführungsteams eingesetzt. Diese können rein aus Mitgliedern der Unternehmerfamilie bestehen, beispielsweise Geschwisterteams, wo dann auch oftmals Bruder und Schwester oder Cousin und Cousine gemeinsam an den Start gehen. Eine weitere Variante sind Mischgeschäftsführungen, bei denen ein oder mehrere Mitglieder der Unternehmerfamilie mit familienexternen Managern das Führungsteam des Unternehmens bilden. Diese Entwicklungen bestätigen auch die Ergebnisse der in Kooperation mit der Stiftung Familienunternehmen regelmäßig durchgeführten deutschlandweiten Studie zu „Deutschlands nächster Unternehmergeneration“, aber auch zahlreiche Gespräche im Rahmen des langfristig angelegten Forschungsprojekts „Projekt 2024“ in Kooperation mit der EQUA Stiftung.

Deutschlands nächste Unternehmergeneration steht bereit, Verantwortung zu übernehmen, doch die Nachfolgemodelle werden individueller. Das ist ein Ergebnis von zehn Jahren Forschungsarbeit im Rahmen der Studienreihe „Deutschlands nächste Unternehmergeneration“ der Stiftung Familienunternehmen, die das Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen (FIF) durchgeführt hat. Das klassische Nachfolgemodell, wonach ein Familienmitglied die alleinige Verantwortung in der Geschäftsführung übernimmt, verliert an Bedeutung. Nur 29 Prozent der Befragten gaben an, Geschäftsführer müssten zwingend der Gesellschafterfamilie entstammen. Das sind im Mittel 4,3 Prozent weniger als noch vor zehn Jahren. 22 Prozent der Befragten vertraten die Ansicht, nur ein einziges Familienmitglied könne in die Geschäftsführung eintreten (minus 13 Prozent). Die junge Generation ist zudem entschlossen, Verantwortung im Unternehmen zu übernehmen. 71 Prozent der Befragten sehen es als wahrscheinlich an, dass sie bis zum 40. Geburtstag Geschäftsführer des Familienunternehmens sein werden. Die Übernahmebereitschaft stieg in den vergangenen zehn Jahren im Mittel um 91 Prozent an. Gleichzeitig bringt sie unternehmerisches Selbstbewusstsein mit. Mehr als 81 Prozent der Befragten sind zuversichtlich, dass ein von ihnen geführtes Unternehmen auch Erfolg hat.
Deutschlands nächste Unternehmergeneration steht bereit, Verantwortung zu übernehmen, doch die Nachfolgemodelle werden individueller. Das ist ein Ergebnis von zehn Jahren Forschungsarbeit im Rahmen der Studienreihe „Deutschlands nächste Unternehmergeneration“ der Stiftung Familienunternehmen, die das Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen (FIF) durchgeführt hat. Das klassische Nachfolgemodell, wonach ein Familienmitglied die alleinige Verantwortung in der Geschäftsführung übernimmt, verliert an Bedeutung. Nur 29 Prozent der Befragten gaben an, Geschäftsführer müssten zwingend der Gesellschafterfamilie entstammen. Das sind im Mittel 4,3 Prozent weniger als noch vor zehn Jahren. 22 Prozent der Befragten vertraten die Ansicht, nur ein einziges Familienmitglied könne in die Geschäftsführung eintreten (minus 13 Prozent). Die junge Generation ist zudem entschlossen, Verantwortung im Unternehmen zu übernehmen. 71 Prozent der Befragten sehen es als wahrscheinlich an, dass sie bis zum 40. Geburtstag Geschäftsführer des Familienunternehmens sein werden. Die Übernahmebereitschaft stieg in den vergangenen zehn Jahren im Mittel um 91 Prozent an. Gleichzeitig bringt sie unternehmerisches Selbstbewusstsein mit. Mehr als 81 Prozent der Befragten sind zuversichtlich, dass ein von ihnen geführtes Unternehmen auch Erfolg hat.

Digitalisierung, Klimawandel, kürzer werdende Innovationszyklen, höhere Anforderungen an die Einbindung von Mitarbeitern in Entscheidungsprozesse, der Kampf um Talente und Fachkräfte oder die Herausforderungen der aktuellen COVID-19-Pandemie – die Problemstellungen, die das Umfeld unternehmerischen Handelns bestimmen, werden zunehmend vielfältiger und komplexer. Als Reaktion auf die zunehmende Komplexität innerhalb und außerhalb der Unternehmerfamilie scheint ein professioneller Nachfolge-Strategie-Prozess zunehmend unabdingbar, um das Ziel der langfristigen Zukunftssicherung der Unternehmerfamilie durch entsprechend tragfähige Lösungen zu erreichen. Dabei steht die strukturierte Erarbeitung eines Dialogs mit und über die Zukunft auf fünf Ebenen im Zentrum der Betrachtung: (1) Individuum, (2) nächste Generation, (3) gesamte Familie, (4) Unternehmen, (5) Eigentum/Vermögen:

  1. Individuelle Ebene: Wie kann/soll meine Zukunft als individuelles Mitglied einer Unternehmerfamilie aussehen?
  2. Ebene der nachrückenden Generation: Wie kann/soll die gemeinsame Zukunft der Mitglieder der nachrückenden Generation als wesentliche Träger des Fortbestands der Unternehmerfamilie aussehen?
  3. Ebene der gesamten Unternehmerfamilie: Wie kann/soll die gemeinsame Zukunft der Familie im Zusammenspiel der Generationen aussehen (Einbindung der übergebenden Generation)?
  4. Ebene des Familienunternehmens: Wie kann/soll die Zukunft des Familienunternehmens aussehen?
  5. Ebene des Familieneigentums/-vermögens: Wie kann/soll die Zukunft des Familieneigentums/-vermögens gestaltet werden?

Oftmals wird die Wichtigkeit von gemeinsamen Vorstellungen über mögliche Zukunftsszenarien unterschätzt. Wie sollen die einzelnen Mitglieder der Unternehmerfamilie denn wissen, welche Rolle sie zukünftig in der Unternehmerfamilie spielen (oder nicht spielen) möchten und können, wenn kein gemeinsames Bild darüber erarbeitet wurde, wie diese Zukunft denn in verschiedenen Szenarien aussehen könnte? Dieses gemeinsame Bild der Zukunft betrifft zunächst die Unternehmensebene. Ohne Klarheit über die Handlungsoptionen für die Zukunft des Familienunternehmens fällt es schwer, damit verbundene Entscheidungen über die zukünftige Rolle der gesamten Unternehmerfamilie – sowohl auf Seiten der nachfolgenden als auch der übergebenden Generation – zu treffen.

Selbiges gilt auch für die Vermögensebene. Vielfach werden in Nachfolge-Strategie-Prozessen die Aktivitäten des Family Offices (oder vergleichbarer Ansätze und Strukturen, die vielleicht nicht unter diesem Titel aufscheinen wie das Management von Immobilieninvestitionen oder anderer Beteiligungen der Unternehmerfamilie außerhalb des Familienunternehmens) vernachlässigt. Diese Aktivitäten werden oft nicht als Teil des Nachfolge-Strategie-Prozesses verstanden, bieten jedoch vielfach Möglichkeiten für beide Generationen, sich langfristig in unterschiedlichen Rollen und Aufgaben für die Entwicklung der Unternehmerfamilie einzusetzen. Erst wenn in beiden Fällen ein gemeinsames Bild der Zukunft und ein Überblick über Handlungsoptionen vorliegen, können im Rahmen der Familienstrategie (Nicht-)Werte, (Nicht-)Ziele und (Nicht-)Rollen der Unternehmerfamilie und der diese bildenden Mitglieder in Bezug auf Unternehmen und Eigentum/Vermögen definiert werden.
Nachfolge an sich ist ein Prozess, braucht also entsprechende Vorlaufzeiten. In besonderem Maße trifft das auf eine solide, tragfähige und ganzheitliche Nachfolgestrategie zu, welche die drei Kernbereiche unternehmerisch aktiver Familien umfasst. Ziel eines solchen Prozesses ist vor allem Klarheit: Klarheit in Bezug auf die Zukunft

  • der gesamten Familie
  • des Unternehmen/der Governance-Strukturen/der operativen Führung, als auch
  • die Sphäre des Familieneigentums und -vermögens
Auch vor Familienunternehmen macht die aktuelle Corona-Krise nicht Halt. Doch Familienunternehmen in Deutschland nutzen staatliche Hilfsmaßnahmen laut einer Umfrage zurückhaltend. Demnach greift mehr als die Hälfte der Firmen auf Kurzarbeit zu, die aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung finanziert wird. Steuerstundungen nehmen rund 36 Prozent in Anspruch. Deutlicher seltener wurden mit knapp 19 Prozent Soforthilfen genutzt sowie Kredite (10 Prozent) und Mietstundungen (6,8 Prozent). Elf Prozent der Unternehmen leiteten Werks- oder Standortschließungen ein. Das sind die Ergebnisse repräsentativer Befragungen der Stiftung Familienunternehmen, die vom Münchner ifo Institut erhoben wurden. Für die Studie wurden von Mai bis Juni 2.452 Unternehmen befragt. Im Oktober nahmen aus diesem Kreis 1.104 Firmen erneut an der Umfrage teil.
Auch vor Familienunternehmen macht die aktuelle Corona-Krise nicht Halt. Doch Familienunternehmen in Deutschland nutzen staatliche Hilfsmaßnahmen laut einer Umfrage zurückhaltend. Demnach greift mehr als die Hälfte der Firmen auf Kurzarbeit zu, die aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung finanziert wird. Steuerstundungen nehmen rund 36 Prozent in Anspruch. Deutlicher seltener wurden mit knapp 19 Prozent Soforthilfen genutzt sowie Kredite (10 Prozent) und Mietstundungen (6,8 Prozent). Elf Prozent der Unternehmen leiteten Werks- oder Standortschließungen ein. Das sind die Ergebnisse repräsentativer Befragungen der Stiftung Familienunternehmen, die vom Münchner ifo Institut erhoben wurden. Für die Studie wurden von Mai bis Juni 2.452 Unternehmen befragt. Im Oktober nahmen aus diesem Kreis 1.104 Firmen erneut an der Umfrage teil.

Wie der Name schon sagt, ist der Nachfolge-Strategie-Prozess ein Prozess. Und dieser beginnt mit dem ersten Schritt, für den es nie zu früh ist. Wichtig scheint dabei insbesondere auf den verschiedenen Ebenen (siehe oben) in den Dialog mit der Zukunft einzutreten. Dabei ist zu beachten, dass es überaus sinnvoll sein kann, in der Gestaltung dieses Prozesses der nachrückenden Generation besondere Verantwortung zu übertragen – ist es doch diese, die von den Ergebnissen dieses Prozesses in besonderem Maße betroffen ist. Zentral ist auch, die individuelle Ebene nicht aus den Augen zu verlieren: Welche persönliche Zukunft ist für die einzelnen Mitglieder der Unternehmerfamilie vorstellbar beziehungsweise erstrebenswert? Um dies zu ermöglichen, braucht es auch einen Dialog zur möglichen Zukunft des Unternehmens und des Familienvermögens. Beides wird oftmals vernachlässigt. Schließlich kann die Einbindung von Spezialisten für die einzelnen Teilbereiche überaus hilfreich sein.


Der Umgang mit der eingangs angesprochenen Komplexität kann durch die Einbindung versierter und erfahrener Spezialisten adressiert werden. So gibt es mittlerweile und glücklicherweise in den einzelnen Teilbereichen einige wertvolle Angebote. Spezialisten für die Erarbeitung von individuellen Zielen, Fähigkeiten und Entwicklungschancen für Mitglieder von Unternehmerfamilien sind hier ebenso zu nennen wie spezialisierte Anbieter für die Entwicklung einer Familienstrategie/-charta/-governance. Darüber hinaus spielen auf Belange der Unternehmerfamilie fokussierte Rechtsberater, aber auch auf Familienunternehmen spezialisierte Strategie- und Unternehmensberater eine wesentliche Rolle. Und nicht zuletzt, erfährt der Bereich des Eigentums- und Vermögensmanagements eine zunehmende Professionalisierung. Spezialisten rund um das Thema Family Office können diesbezüglich unterstützen. Um dieses divers verteile Expertenwissen für Nachfolge-Strategie-Prozess nutzbar zu machen, braucht es Koordination.

Die Erfahrung zeigt, dass eine Koordinationsrolle im Nachfolge-Strategie-Prozess eine überaus sinnvolle Einrichtung sein kann. Besonders gute Ergebnisse erzielen hier vielfach Tandem-Lösungen: ein familien-interner Ansprechpartner*in (oftmals aus der Gruppe der nachrückenden Generation stammend) und ein familien-externer Nachfolge-Strategie-Experte bilden das Koordinationsteam. Dieses Tandem kümmert sich um die Identifikation der Bedürfnisse, Chancen und Herausforderungen der einzelnen Mitglieder der Unternehmerfamilie (nachfolgende und übergebende Generation). Darauf basierend werden dann entsprechende Spezialisten für die einzelnen Bausteine der Nachfolge-Strategie identifiziert, ausgewählt und deren Arbeit koordiniert.


Wann ist der beste Zeitpunkt, um mit einem Nachfolge-Strategie-Prozesse zu beginnen? Jetzt. Denn sowohl der Prozess als auch die Ergebnisse profitieren von ausreichend Zeit für die Erarbeitung der Nachfolgestrategie. Das heißt nicht, dass solche Prozesse ohne definierten Zeitrahmen oder Meilensteine auskommen, die sich die Unternehmerfamilie setzt. Ausreichend Zeit hilft aber dabei, kein Familienmitglied auf dem Weg zu einer gemeinsamen Lösung zu verlieren. Denn es braucht vor allem einen offenen und kontinuierlichen Dialog – nicht nur mit der Zukunft, sondern insbesondere zwischen allen Mitgliedern der Unternehmerfamilie, um letztlich ein gemeinsames Bild der Zukunft in den Bereichen Familie, Unternehmen und Eigentum zu schaffen. Das schafft Klarheit, vermeidet spätere Missverständnisse und sorgt für ein gutes Einvernehmen in der Familie, im Unternehmen und in Bezug auf die langfristige Sicherung des Familienvermögens. Es handelt sich um nichts weniger als um eine Investition in Konfliktprävention oder besser um eine Vorwegnahme der Arbeit an möglichen Konfliktbereichen im geschützten Rahmen und in verträglichen Dosen – denn die Dosis macht das Gift.


Dieser Artikel ist am 13. Oktober unter dem Titel „Strukturierte Dialoge mit der Zukunft führen“ in der Oktober-Ausgabe von „DIE NEWS – Fachzeitschrift für Familienunternehmen“ erschienen.

Titelbild: 

| H. Heyerlein / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Bilder im Text: 

| Bill Oxford / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link

| Science in HD / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Reinhard Prügl

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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