Die heutige Gesellschaft wird immer mehr zu einer Mediengesellschaft. So auch in südostasiatischen Ländern, wo stark regulierte Mediensysteme wachsenden Nutzungsmöglichkeiten gegenüberstehen. Dadurch erweisen sich die Vermittlung und der Erwerb von Medienkompetenz als zunehmend wertvoll. Um den Aufbau eines grenzüberschreitenden Netzwerkes in diesem Bereich zu unterstützen, ist das internationale Bildungstransferprojekt „MEDLIT – Media Literacy as a Media Competence Program for Social Change“ gestartet. Es wird vom Programm „Erasmus+“ der Europäischen Union mit rund einer Million Euro gefördert. Daran beteiligt sind der Lehrstuhl für Medienkultur der Zeppelin Universität (ZU) von Professor Dr. Marian T. Adolf, die Universität Wien, die Open Universiteit Nederland und jeweils zwei Partneruniversitäten aus drei südostasiatischen Ländern.
Der Ausgangspunkt des Forschungsprojektes „MEDLIT“ liegt in der steigenden Bedeutung von Medienkompetenz als Schlüsselkompetenz moderner Gesellschaften. „Ein grundständiges Verständnis darüber, wie Medien funktionieren, wie sie ihre informativen und unterhaltenden Inhalte produzieren und welche Rolle sie für das Funktionieren von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik haben, gehört heute zur Allgemeinbildung – und zwar weltweit. Medienkompetenz ist daher eine Schlüsselkompetenz für den selbstbestimmten Umgang mit dem technologischen wie auch dem sozialen Wandel moderner Gesellschaften“, sagt Professor Dr. Marian T. Adolf, Inhaber des Lehrstuhls für Medienkultur und Leiter des ZU-Projektteams, dem die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Dr. Cornelia Wallner (zugleich Ludwig-Maximilians-Universität München) und Susan Alpen angehören.
Der Medien-Baum wächst: Mittlerweile gehören nicht mehr nur Computer, Monitor und Drucker fest ins Büro, sondern auch soziale Medien, gemeinsame Mitarbeiter-Chats, die ständige Erreichbarkeit mittels Smartphone. Doch wie umgehen mit dem Medienwahnsinn? Immerhin die Selbsteinschätzung der Medienkompetenz durch Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland zeigt: 95 Prozent der 14- bis 29-Jährigen geben an, sich mit dem Internet gut oder sogar sehr gut auszukennen. Doch gerade Länder, in denen der Zugang zu Internet und sozialen Netzwerken beschränkt ist, könnten beim Erwerb von Medienkompetenz abfallen? Das Projekt „MEDLIT“ will diesem Risiko entscheidend entgegentreten – mit grenzübergreifenden Netzwerken.
Ziel ist es, ein umfangreiches und stabiles Netzwerk im Bereich Medienkompetenz für die Region Südostasien aufzubauen. Im Fokus der Forschungsarbeit stehen daher jeweils zwei Partneruniversitäten aus den südostasiatischen Ländern Malaysia, Thailand und Vietnam: die Universiti Malaysia Kelantan in Kota Bharu, die Universiti Putra Malaysia in Serdang, die Chulalongkorn University und die Srinakharinwirot University in Bangkok sowie die Academy of Journalism and Communication in Hanoi und die Ho Chi Minh City University of Social Sciences and Humanities. „Bei unseren Partnerländern handelt es sich um aufstrebende und sehr unterschiedliche Mediensysteme, die von diversen wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Traditionen geprägt sind“, führt Adolf aus.
Diesen Mediensystemen widmen sich die an dem Projekt beteiligten Wissenschaftler, wobei sie vergleichend und analysierend auf die jeweils länderspezifische Ausprägung von Medienkompetenz schauen. Dazu werden in einem mehrstufigen Verfahren Experten aus den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft befragt. Anschließend werden in enger Zusammenarbeit mit der Universität Wien, der Open Universiteit Nederland und den sechs südostasiatischen Partneruniversitäten die Ergebnisse aufbereitet, um darauf aufbauend eine öffentlich zugängliche Online-Kurs, einen sogenannten Massive Open Online Course (MOOC), zum Thema „Media Empowerment & Responsibility“ (zu Deutsch „Medienbefähigung und -verantwortung“) zu entwickeln. „Dieser MOOC wird das Lehr- und Lernprogramm im Bereich Medienkompetenz in den Partnerländern ergänzen, aber auch für die Zivilgesellschaft zugänglich sein und soll eine Ressource für das gesellschaftliche Wissen über Medien und das Handeln durch Medien darstellen“, erläutert Adolf.
Nicht nur der tägliche Umgang mit Medien, sondern vor allem auch der aktive Dialog über den rapiden Medienwandel trägt zur Bildung von Medienkompetenz bei: Seit zehn Jahren leistet die Berliner Konferenz re:public einen wichtigen Beitrag für einen regen Austausch – eine Veranstaltung rund um das Web 2.0, speziell Weblogs, soziale Medien und die digitale Gesellschaft. Ihre Besucher diskutieren in Arbeitsgruppen unter anderem die Möglichkeiten, das Machbare und das Unterstützenswerte und reflektieren kritisch, welche Strukturen und Bedingungen gelten müssen, damit Medienkompetenz einschließlich Netzkompetenz – verstanden als Befähigung zum emanzipierten und verantwortungsbewussten Umgang mit Medien – in unserer Gesellschaft breit und tief verankert werden kann.
Die beteiligten europäischen und südostasiatischen Wissenschaftler erhoffen sich von der gemeinsamen Arbeit an dem internationalen Bildungstransferprojekt „MEDLIT“ eine längerfristige wissenschaftliche Kooperation, um auch in Zukunft von gemeinsamen Forschungsprojekten und neuen Erkenntnissen zu profitieren sowie am Aufbau und Austausch zivilgesellschaftlichen Wissens mitzuwirken. „Das Projekt erweist sich schon jetzt als äußerst interessant und lehrreich: so etwa die ertragreiche Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus aller Welt, das Kennenlernen anderer Traditionen und Gepflogenheiten, das historische Werden von gesellschaftlichen Kommunikationssystemen sowie die Gemeinsamkeiten aktueller Herausforderungen über nationale und kulturelle Grenzen hinaus“, erklärt Adolf.
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Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm