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Stiftungen und Unternehmen

Stiften gehen

Interview | mit Julia Tauß
25.05.2018
Gemeinnützige intersektorale Kooperationen ermöglichen den beteiligten Partnern – trotz kultureller Unterschiede durch ihre komplementären Ressourcen – eine höhere Problemlösungsfähigkeit und Wirkung in der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen.

Julia Tauß
ZU-Alumna und Trägerin des Best Thesis Awards
 
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    Zur Person
    Julia Tauß

    Julia Tauß hat an der Zeppelin Universität „Communication and Cultural Management“ im Master studiert. Darin hat sie einen thematischen Schwerpunkt auf strategische Kommunikation gelegt und am Lehrstuhl für Politische Kommunikation gearbeitet. Ihr Interesse am Dialogischen und Austauschformaten setzt sie aktuell bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) fort und unterstützt dort die „Emerging Market Sustainability Dialogues“. Mit intersektoraler Zusammenarbeit kam sie erstmals bei der Deutschen Botschaft in Moskau und der Stiftung Mercator in Berührung. Für den privaten Sektor führte sie interkulturelle Analysen für eine Kommunikationsberatung durch und unterstützte in der TRUMPF GmbH die Abteilung Unternehmenskommunikation und Politik. 

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Könntest Du für den Leser kurz den Inhalt Deiner Arbeit zusammenfassen? 


Julia Tauß: Meine Masterarbeit widmet sich der Frage, welche Faktoren die Zusammenarbeit von Stiftungen mit Unternehmen beeinflussen, um in unserem pluralistischen Sektorensystem gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Gemeinnützige intersektorale Kooperationen ermöglichen den beteiligten Partnern trotz kultureller Unterschiede durch ihre komplementären Ressourcen eine höhere Problemlösungsfähigkeit und Wirkung in der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen. Doch nur etwa ein Drittel der deutschen Stiftungen zieht eine Kooperation mit einem privatwirtschaftlichen Akteur in Betracht – und das, obwohl Stiftungen grundsätzlich Kooperationen als Instrument nutzen, um ihren Stiftungszweck zu verwirklichen.


Diese Schnittstelle wollte ich daher näher untersuchen und habe Experteninterviews mit Vertretern aus Stiftungs- und Unternehmenspraxis geführt. Auf beiden Seiten werden Kooperationen als effektives und effizientes Instrument eingesetzt – doch im Verhältnis zu den Prognosen theoretischer Modelle bleiben Chancen ungenutzt, sektorübergreifend eine größere Wirkung zu erzielen. Das hat verschiedene, teils individuelle Gründe, während man grundsätzlich sagen kann, dass ein Bewusstsein für den Trend des kollektiven Handelns angekommen ist.

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Kannst Du anhand eines Beispiels erklären, in welchen Bereichen die Kooperation zwischen Stiftungen und Unternehmen besonders erfolgreich funktioniert? 


Tauß: Da fällt mir das Beispiel eines Interviewpartners ein, das sich auf den Bereich nicht-finanzieller Kooperationen bezieht, in denen bislang noch wenige Stiftungen mit Unternehmen zusammenarbeiten. Die Stiftung Lesen kooperiert zum Beispiel seit sechs Jahren mit McDonalds. Zweimal im Jahr wird jeweils für einen Monat bei den Happy Meals von McDonalds eine Auswahl von acht Büchern zur Verfügung gestellt, von denen sich die Kinder und Jugendliche dann jeweils ein Buch aussuchen können. Nachdem insgesamt 4,5 Millionen Happy Meals pro Monat in Deutschland verkauft werden, wird dadurch eine große Reichweite erzielt und gleichzeitig fließt bei dieser Aktion kein Geld. Die Stiftung Lesen erwirkt dadurch Zugänge zu ihrer Zielgruppe von weniger bildungsaffinen Eltern und möglicherweise eher ökonomisch Benachteiligten und kann ihrem Stiftungszweck dadurch sehr gezielt nachgehen.

Geht es den Unternehmen wirklich darum, in der Zusammenarbeit mit Stiftungen gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen oder zu einem Großteil auch um die eigene Reputation? 


Tauß: Das kann man so pauschal natürlich nicht sagen. Der Ursprung des gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen begründet sich in den zwei Traditionen des Korporatismus und der Philanthropie. Korporatistisches Mitwirken beschreibt die Teilhabe an der Sozialen Marktwirtschaft, indem über Interessensvertretungen an staatlichen Entscheidungen und Rahmenbedingungen mitgewirkt wird. Die innerbetriebliche Interpretation des Korporatismus fällt unter den Begriff Corporate Social Responsibility (CSR). Eigene Organisationseinheiten bemühen sich im Sinne von CSR darum, die Kriterien wirtschaftlichen Erfolgs mit den Prämissen gesellschaftlicher Verantwortung zu verknüpfen, um somit strukturelle Veränderungen anzustoßen. CSR reduziert sich dabei nicht nur auf ein Instrument, die Reputation zu verbessern und erfolgreich unternehmerisch tätig zu sein, sondern bietet die Möglichkeit, gesellschaftliche Strukturen systematisch mitzugestalten.


Dem gegenüber steht philanthropisch motiviertes Handeln, das auf individuelle Entscheidungen von Unternehmenspersönlichkeiten zurückgeht, sich als Unternehmen für die Notwendigkeiten der jeweiligen Gesellschaft einzusetzen. Daraus hat sich das Verständnis des Corporate Citizenship entwickelt, worin sich Unternehmen als integraler Bestandteil des Gemeinwesens verstehen und durch eine Vielzahl an Instrumenten, wie Spenden und Sponsoring oder Corporate Volunteering-Programme, darin mitwirken. Da Unternehmen jedoch nicht originär in Bereichen gesellschaftlichen Engagements tätig sind, bewegen sie sich außerhalb ihrer wirtschaftlichen Kompetenzen, weswegen es ihnen oft an notwendiger Expertise und Glaubwürdigkeit mangelt. Folglich sind sie auf Partnerschaften angewiesen und können es sich im aktuellen Wettbewerb nicht leisten, kein gesellschaftliches Engagement vorzuweisen.

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Nur ein Drittel der in Deutschland bestehenden Stiftungen zieht eine Kooperation mit Unternehmen in Betracht. Wie kann diese Zahl zum Wohl der Gesellschaft vergrößert werden? 


Tauß: Unternehmen reagieren dann auf soziale und gesellschaftspolitische Anträge, wenn sich dadurch die inhaltliche Erfüllung ihres Engagements abzeichnet – und das erst einmal unabhängig von der Organisationsform des Gegenübers aus dem Dritten Sektor. Das bedeutet auch, dass ihnen möglicherweise Alleinstellungsmerkmale von Stiftungen – als einem zivilgesellschaftlichen Akteur unter vielen – in der sektorübergreifenden Zusammenarbeit nicht bekannt sind. Folglich liegt die Verantwortung bei Stiftungen, auf Unternehmen zuzugehen, um gemeinnützige intersektorale Kooperationen anzustoßen und deren Potenziale strategisch auszuschöpfen. Hier besteht in Teilen eine gewisse Unsicherheit: Die Beobachtung im Stiftungssektor, dass Stiftungen bei Kooperationen mit Unternehmen vorsichtig sind, hat steuerrechtliche Gründe, die das Gemeinnützigkeitsrecht betreffen.


Doch es gibt für Stiftungen verschiedene Möglichkeiten, mit Unternehmen zusammen zu arbeiten, ohne in die steuerrechtliche und gemeinnützige Bredouille zu geraten. Zu den gängig angewandten gehören die Akquise von pro bono Dienstleistungen von Unternehmen für gemeinnützige Projektpartner oder die Organisation gemeinsamer Veranstaltungen oder die Durchführung von Studien. Im Bereich der nicht-finanziellen Förderung, wie bei dem oben genannten Beispiel, sehe ich noch das größte Entwicklungspotenzial.

Titelbild: 

| rawpixel / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Grafiken im Text: 

| Bundesverband Deutscher Stiftungen, Berlin 2018


Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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