Sie befinden sich im Archiv von ZU|Daily.

ZU|Daily wurde in die Hauptseite in den Newsroom unter https://www.zu.de/newsroom/daily/ integriert. Die neuesten Artikel seit August 2024 werden dort veröffentlicht. Hier finden Sie das vollständige Archiv aller älteren Artikel.

Schnapp sie Dir alle!
NAVIGATION

Konsumforschung

Schnapp sie Dir alle!

Interview: Florian Gehm | Redaktion
12.02.2013
Die Kunst liegt darin, die traditionellen Methoden intelligent mit den neuen Methoden zu ergänzen, um tiefe Einblicke zu gewinnen und Kundenbedürfnisse ganzheitlich und auch im Kontext zu verstehen.

Dr. Ursula Koners
 
  •  
    Zur Person
    Dr. Ursula Koners

    Während und nach ihrem Studium der Europäischen Betriebswirtschaftslehre und ihrer Promotion in Cranfield arbeitete Ursula Koners immer wieder auch in der Praxis - unter anderem für den Ravensburger Spieleverlag und die Daimler AG in Stuttgart. Seit 2011 ist Koners Institutsmanagerin des Friedrichshafener Instituts für Familienunternehmen und Programmdirektion des Executive Master for Family Entrepreneurship | eMaFESH an der ZU.

  •  
    Factbox
    Methoden der Marketingforschung

    Zwei wesentliche Techniken, die Koners in Buch und Interview zur Sprache bringt, sind die Repertory Grid Technik und die Conjoint-Analyse. Verantwortlich für Erstere ist der amerikanische Psychologe George A. Kelly, der 1955 standardisierte Interviews mit offenen Fragestellungen verknüpfte, um unbekannte und subjektive Einschätzungen von Befragten  zu gewinnen und aus ihren Antworten vergleichbare Datensätze zu erlangen. Auch die Conjoint-Analyse geht auf psychologische Untersuchungen zurück und wurde in den 1970er Jahren entwickelt. Zum einen zielt sie auf die Bewertung von Gütern ab, zum anderen setzt sie einzelne Gegenstände in Verbindung zum Gesamtnutzen ihrer Verbraucher. Beide Methoden sind seit Jahrzehnten geläufige Tools der Marketingforschung.

    Zum Weiterlesen: "Hidden Needs" von Ursula Koners

    "Hidden Needs: Versteckte Kundenbedürfnisse entdecken und in Produkte umsetzen" lautet der Titel des Buches von Dr. Ursula Koners und ihrem Kollegen Keith Goffin. In ihrem Buch aus dem Jahr 2011 sind sie den Wünschen der Kunden auf der Spur. Zu viele Firmen entwickeln auch heute noch am Markt vorbei, weil sie durch klassische Marktforschung die versteckten Bedürfnisse ihrer Kunden nicht bestimmen können, so ihre Begründung. Mithilfe moderner Ansätze, die unter dem Begriff Hidden-Needs-Analyse zusammengefasst werden und ihren Ursprung in der Psychologie und Anthropologie haben, können sie entschlüsselt werden. Die Autoren stellen die wichtigsten Methoden praxisnah vor.

  •  
    Mehr ZU|Daily
    Wenn Kaufen zum Zwang wird
    Immer mehr Menschen gelten in Deutschland als kaufsüchtig. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Professorin Dr. Lucia Reisch. Doch das Suchtproblem ist im gesellschaftlichen Diskurs kaum präsent, sagt sie im Interview.
    Ewig lockt der Schokoriegel
    Der spontane Griff ins Süßigkeitenregal kann Grundlage für Kaufzwänge sein. Isabella Maria Kopton, Professor Dr. Bruno Preilowski sowie Professor Dr. Peter Kenning untersuchten, wie diese Impulsivität zu begrenzen ist.
    Rabatte als Eigentor
    Werden andere Konsumenten bevorteilt, kann schnell Neid aufkommen. Das haben Inga Wobker und Professor Dr. Peter Kenning untersucht, beim Research Day der ZU werden Ergebnisse präsentiert.
  •  
     
    Hä...?
    Haben Sie Fragen zum Beitrag? Haben Sie Anregungen, die Berücksichtigung finden sollten?
    Hier haben Sie die Möglichkeit, sich an die Redaktion und die Forschenden im Beitrag zu wenden.
  •  
    Teilen

Mithilfe der Hidden-Needs-Analyse werden versteckte Kundenwünsche aufgedeckt, was auch zu Produktverbesserungen führen soll. Haben Sie Beispiele aus den letzten Jahren, bei denen das zum Erfolg geführt hat?

Dr. Ursula Koners: Ich darf zwar keine Beispiele aus unseren vertraulichen Forschungsprojekten nennen, es gibt aber natürlich sehr anschauliche Beispiele aus der Vergangenheit. Ein sogenanntes „Listen and Watch Team“ von Miele hat vor einigen Jahren Eltern von Allergiker-Kindern beim Staubsaugen beobachtet und bemerkt, dass sie mehrmals hintereinander dieselbe Matratze absaugten, quasi in meditativer Art und Weise. Auf Nachfrage der Miele-Beobachter kam heraus, dass sie einfach nur 100 Prozent sicher sein wollten, dass kein Staub mehr vorhanden ist. So entstand die damals noch unbekannte Display-Anzeige am Staubsauger, die Allergikern signalisierte, wann ein Untergrund staubfrei ist, indem sie das Staublevel anzeigt.

Um zunächst bei der Praxis zu bleiben: Welche Negativbeispiele für gefloppte Projekte haben Sie im Kopf?

Koners: Ein Negativbeispiel waren amerikanische Frühstücks-Cerealien für Kinder namens „Dunk a Balls“. Diese bestanden optisch aus kleinen Basketbällen und sollten somit ein spielerisches Frühstück ermöglichen. Besonders auf dem englischen Markt ein absoluter Flop, denn – abgesehen vom zweideutigen Namen – ist dort ein Standard-Erziehungssatz: „Don`t play with your food“. Und der Spieltrieb von Kindern ist auch nicht wirklich ein „Hidden Need“.

Mehr zu Methoden der Marketingforschung


In Ihrem Buch beschreiben Sie Methoden, die nicht unbedingt neu sind, sondern teils schon seit 1955 entwickelt und als Verfahren in der Marketingwirtschaft eingesetztwurden. Was ist an Ihrem Werk neu?

Koners: Das ist genau der Kern. Die Methoden sind nicht neu, wurden bisher aber nicht oder nur sehr selten für die Produktenwicklung genutzt. Einige Methoden, wie zum Beispiel die Repertory Grid Technik, stammen beispielsweise aus der Psychologie und ihr Mehrwert entsteht nur dann, wenn sie miteinander kombiniert werden, um ihre Erkenntnisse zusammenzuführen und abzugleichen. Die Kunst liegt darin, die traditionellen Methoden intelligent mit den neuen Methoden zu ergänzen, um tiefe Einblicke zu gewinnen und Kundenbedürfnisse ganzheitlich und auch im Kontext zu verstehen. Wenn sich aus individuellen Repertory Grid Interviews zum Beispiel völlig neue Erkenntnisse ergeben, könnten diese im Anschluss nochmals ganz gezielt in Fokusgruppen hinterfragt werden. Wenn man gleichzeitig auch im privaten Umfeld des Probanden im Rahmen einer ethnographischen Untersuchung Beobachtungen anstellt, werden auch sozial erwünschte Aussagen aus Fokusgruppen aufgedeckt. Im Grunde geht es bei der Hidden-Needs-Technik also, wie in der wissenschaftlichen Forschung, auch um klassische Triangulation – die Anwendung mehrerer Methoden auf das gleiche Phänomen.

Dann reichen traditionelle Umfragen also nicht aus, um versteckte Kundenbedürfnisse aufzudecken. Für viele neue Methoden werden aber Probanden benötigt, was eine solche Analyse sicher verteuert. Können kleine und mittlere Unternehmen trotzdem davon profitieren?

Koners: Neue Methoden bedeuten nicht zwangsläufig Mehrkosten und Probanden benötigt man auch für Fokusgruppen und reguläre Interviews. Ganz unabhängig von der Unternehmensgröße ist wichtig, dass die verantwortlichen Mitarbeiter entsprechend geschult werden und den Prozess der Hidden-Needs-Analyse ganz objektiv durchlaufen können. Es kommt durchaus vor, dass Hidden-Needs-Projekte intern torpediert werden, weil langjährige Mitarbeiter aus Entwicklung oder Marketing davon ausgehen, sämtliche Kundenbedürfnisse aus dem Effeff zu kennen. Einen solchen Konflikt kann man nur lösen, wenn die Hidden-Needs-Philosophie in der Unternehmenskultur verankert und von der Unternehmensleitung auch vorgelebt wird. In der Praxis besteht das Problem also weniger darin, geeignete Probanden zu finden, sondern intern Überzeugungsarbeit zu leisten.

Zum Weiterlesen: Hidden Needs von Ursula Koners


Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Produktinnovationen für Unternehmen wichtig. Wird die Erforschungder Hidden Needs daher intensiver oder aus Spargründen eher zurückhaltend betrieben?

Koners: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten am Innovationsbudget zu sparen, kann langfristig ein Risiko sein, was auch schon ausgiebig wissenschaftlich belegt wurde. Wir stellen fest, dass Führungskräfte aus den Bereichen Marktforschung und Produktentwicklung immer offener für neue Methoden in der Marktforschung werden. Sicherlich auch deshalb, weil es inzwischen schon gängige Praxis ist, externe Quellen in den Prozess einzubeziehen. Und je mehr Produkte am Markt zur Verfügung stehen und je ausgefeilter die Produkteigenschaften werden, desto schwieriger wird es, für den Kunden einen Mehrwert zu schaffen und Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die sich spürbar von bereits bestehenden differenzieren. Wir können uns demnach nicht über mangelndes Interesse beklagen.

Und was sagen Sie zur Kritik im Rahmen der Argumentation einer heutigen Überschussgesellschaft? Durch Hidden Needs werden schließlich Produkte für Bedürfnisse entwickelt, denen sich der Kunde bisher noch nicht bewusst war...

Koners: Der Kern des Buches ist ein völlig anderer. Es geht nicht darum, neue „überflüssige“ Bedürfnisse zu wecken oder Konsum zu forcieren, sondern Produkteigenschaften herauszufiltern, die auf einen Bedarf treffen, den Kunden selbst gar nicht artikulieren können, weil er nur unterbewusst existiert. Es geht also eben nicht um die Generierung einer unsinnigen Produktflut, sondern um die konsequent fokussierte Entwicklung von Produkten, die dem Kunden einen echten Mehrwert bieten. Nur kann dieser gewünschte Mehrwert von Kunden im Regelfall nicht vorab kommuniziert werden. Und genau hier setzt die Hidden-Needs-Analyse an.


Bild: IS2 / photocase.com

Goffin & Koners: Hidden Needs

Keith Goffin, Ursula Koners: „Hidden Needs: Versteckte Kundenbedürfnisse entdecken und in Produkte umsetzen", Schäffer-Poeschel, 265 Seiten, ISBN-10: 3791025384, ISBN-13: 978-3791025384

12
 
nach oben
Zeit, um zu entscheiden

Diese Webseite verwendet externe Medien, wie z.B. Videos und externe Analysewerkzeuge, welche alle dazu genutzt werden können, Daten über Ihr Verhalten zu sammeln. Dabei werden auch Cookies gesetzt. Die Einwilligung zur Nutzung der Cookies & Erweiterungen können Sie jederzeit anpassen bzw. widerrufen.

Eine Erklärung zur Funktionsweise unserer Datenschutzeinstellungen und eine Übersicht zu den verwendeten Analyse-/Marketingwerkzeugen und externen Medien finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.