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Während und nach ihrem Studium der Europäischen Betriebswirtschaftslehre und ihrer Promotion in Cranfield arbeitete Ursula Koners immer wieder auch in der Praxis - unter anderem für den Ravensburger Spieleverlag und die Daimler AG in Stuttgart. Seit 2011 ist Koners Institutsmanagerin des Friedrichshafener Instituts für Familienunternehmen und Programmdirektion des Executive Master for Family Entrepreneurship | eMaFESH an der ZU.
1899 nimmt die unglaubliche Erfolgsgeschichte von HiPP ihren Lauf: In seiner Konditorei in Pfaffenhofen stellt Joseph Hipp ein Zwiebackmehl her, welches ab 1921 von Sohn Georg Hipp in München verkauft wird. Das Produkt boomt: Die Konditorei stellt die Produktion ganz auf „J. Hipp’s Kinderzwiebackmehl“ um. Nach dem Tod seines Vaters übernimmt Georg Hipp die Konditorei und erweiterte sie um ein Café, das noch heute besteht.
1932 gründet Georg das Unternehmen „Nährmittel Hipp“ und wir zum Entrepreneur. Im selben Jahr beginnt die Produktion von Kindernahrung in einer ehemaligen Hopfenhalle. Nach der Zerstörung des Betriebsgeländes im zweiten Weltkrieg, stellt HiPP ab Mitte der 1950er Jahre als erster Betrieb in Deutschland Babynahrung industriell in Dosen her. Seit 1960 werden auch Obst und Gemüse zu sogenannten „Menüs" verarbeitet.
Schon 1963 tritt Georgs Sohn Claus in den väterlichen Betrieb ein. Drei Jahre später übernimmt er die Betriebsleitung. Bis heute ist er zusammen mit seinem Bruder und seinen Söhnen einer der Geschäftsführer. 1999 wurde der Konzernsitz in die Schweiz verlegt, von wo aus Produktion und Vermarktung von täglich 1,5 Millionen Babygläschen weltweit koordiniert wird.
Wer bei Familienunternehmen an wenige kleine Betriebe im hintersten Winkel Bayerns denkt, der täuscht sich. Denn etwa 95 Prozent der in Deutschland ansässigen Betriebe und Firmen werden als Familienunternehmen geführt. Gemeinsam stellen sie 57 Prozent der Arbeitsplätze und erwirtschaften 41,5 Prozent des Umsatzes aller Unternehmen in Deutschland, wie das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn 2007 herausfand. Zur Liste der Unternehmen gehören Volkswagen, BMW oder Metro – die allesamt aber eher als globale Akteure gelten. Claus Hipp, die Rügenwalder Mühle oder Haribo und seine „Goldbären“ hingegen werden viel stärker als Familienunternehmen wahrgenommen.
Wer bei diesen Firmen auf die aktuelle Kommunikation achtet, stellt fest, dass vermehrt eigene Mitarbeiter oder auch die Inhaberfamilie selbst in der Öffentlichkeit auftreten. „Auf den zweiten Blick wurde uns dann bewusst, dass es eine ganze Reihe von unterschiedlichen Markenbotschaftern von und für Familienunternehmen gibt, die unterschiedlich wirken“, beschreibt Koners, wie aus einer ganz subjektiven Wahrnehmung das Forschungsthema von ZU-Absolventin Pia Ottes wurde. Ziel war es also, herauszufinden, wie diese unterschiedlichen Markenbotschafter von Konsumenten wahrgenommen werden. „Bei der Untersuchung haben wir aber keine Interpretationsmöglichkeiten vorgegeben, sondern die Interviewpartner – also Menschen wie Sie und mich – mittels einer speziellen aus der Psychologie stammenden Fragetechnik namens Repertory Grid gebeten, ihre Wahrnehmung durch geeignete Begriffe und Adjektive zu beschreiben und diese dann einem Ranking zu unterziehen, so dass die Intensität der Wahrnehmung deutlich wurde“, erläutert Koners das anschließende methodische Vorgehen. Entscheidend sei dabei gewesen, dass die Wahrnehmung verschiedener Markenbotschafter immer im Vergleich beschrieben werden musste. Am Ende sei so ein sehr umfangreiches „Imagedifferenzial“ bezüglich der jeweiligen Markenidentität entstanden, beschreibt Koners.
„Würde man die Ergebnisse zusammenfassen wollen, könnte man tatsächlich belegen, dass Mitarbeiter und Inhaber von Familienunternehmen in Summe vertrauenswürdiger wahrgenommen werden als andere Markenbotschafter“, fasst sie die Ergebnisse der Arbeit zusammen. Gleichzeitig erinnert Koners aber auch daran, dass im Rahmen der Untersuchung ausschließlich die Lebensmittelindustrie betrachtet wurde – und dabei zunächst auch nur sechs verschiedene Firmen genauer analysiert wurden. „Verallgemeinern lässt sich das also nicht, aber unsere zugrundeliegende These wurde deutlich bestätigt.“
Unternehmen ein Gesicht mit hohem Wiedererkennungswert zu geben, ist keine neue Strategie. Schon in den 1970er Jahren wusch niemand die Wäsche so rein wie Ariels „Klementine“. Keinem Versicherungsvertreter legte man seine Finanzen so gerne in die Hände wie „Herrn Kaiser“ von der Hamburg-Mannheimer. „Diese beiden Markenbotschafter hatten einerseits einen sehr hohen Wiedererkennungswert und andererseits verliehen sie der jeweiligen Marke damals schlicht und einfach ein menschliches Gesicht, das möglichst vielen Kunden sympathisch sein sollte“, erklärt Koners. Der Trend zum menschlichen Gesicht lässt sich heute wieder verstärkt beobachten, wenn es um Markenbotschafter aus dem eigenen Unternehmen geht: „Nachhaltigkeit ist dabei nur eines von vielen Schlagworten, die insbesondere in der Lebensmittelbranche bei bestimmten Kundengruppen unbewusst gesucht und beim Kauf bevorzugt werden“, erläutert Koners. Auch Authentizität spiele eine große Rolle, denn prominente Persönlichkeiten verliehen einer Marke und den dazugehörigen Produkten in der Konsumentenwahrnehmung völlig andere Wesensmerkmale als Mitglieder des Familienunternehmens. „Herr Kaiser war als Markenbotschafter damals auch als Mitarbeiter von Hamburg-Mannheimer positioniert – wenn auch nur fiktiv. Der Ansatz ist also nicht wirklich neu, er wird heutzutage nur verstärkt und oft auch sehr strategisch eingesetzt“, beschreibt Koners die Entwicklungen im Auftreten verschiedener Unternehmen.
Aber ob Geschäftsführer oder fiktiver Mitarbeiter – nicht immer funktionieren die Markenbotschaften von Familienunternehmen. „Fällt Ihnen spontan eine Werbung eines Familienunternehmens ein, die Sie regelmäßig hören oder sehen aber zu allererst als störend empfinden?“, fragt Koners deshalb zur Betrachtung der Gegenseite. Diese Störung müsse aber nicht grundsätzlich etwas Negatives bedeuten. Denn wenn Markenbotschafter polarisieren, dann wurde das erste Ziel – die Aufmerksamkeit des potentiellen Kunden – schon einmal erreicht. „Es geht bei der bewussten Integration von Markenbotschaftern weniger darum, dass die Kommunikation bei allen Empfängern als sympathisch wahrgenommen wird, sondern dass die Werte des Familienunternehmens und dessen Marke mit der Person des Markenbotschafters möglichst gut übereinstimmen“, erklärt Koners die grundsätzliche Idee hinter den Werbestrategien. Ob nun ein Mitarbeiter oder sogar die Inhaberfamilie selbst in Erscheinung tritt, ist daher von der größtmöglichen Überschneidung abhängig: „Der Erfolg hängt am Ende davon ab, ob die Kommunikation und die Markenbotschafter im Einklang mit den Markenwerten stehen“, folgert Koners.
Die Feierabendstimmung in der Rügenwalder Mühle, die glückliche Familie in der Haribo-Werbung oder das freundliche, vertrauensvolle Lächeln von Claus Hipp – Werte wie Ehrlichkeit, Tradition oder Verantwortung scheinen Familienunternehmen besonders gut vermitteln zu können. Genau damit bieten sie – gerade in der Lebensmittelindustrie – auch eine beliebte Plattform für Trittbrettfahrer. „Wir haben während unserer Untersuchung durchaus festgestellt, dass Konsumenten nicht wirklich bewusst reflektieren oder sich schlichtweg nicht sicher sind, welches Produkt von einem Familienunternehmen hergestellt wird“, beschreibt Koners die Probleme, die sich beim Einkauf im Supermarkt ergeben könne. Doch selbst ohne genaues Wissen über die Herkunft der Produkte schreiben Verbraucher Familienunternehmen mehr Ehrlichkeit und Verantwortung beim Umgang mit Lebensmitteln zu. Genau diese Annahme können sich Wettbewerber daher zu Nutzen machen, wie Koners beispielsweise beim Verpackungsdesign beobachtet: „Viele Produkte sind inzwischen visuell so gestaltet, dass typische Familien-Faktoren betont werden. Denken Sie nur an die Kartoffel-Chips mit dem Bild des Bauern, der sie eigenhändig erntet oder die Pudding-rührende Großmutter.“ Doch trotz Nachahmern haben Familienunternehmen den entscheidenden Vorteil, ehrlich kommunizieren zu können. „Das soll aber auf keinen Fall heißen, dass jedes Familienunternehmen zum eigenen Markenbotschafter werden sollte. Eine solche Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen sowohl für die Marke als auch die Familie, die wohl überlegt sein sollte“, mahnt Koners am Ende gleichermaßen für Unternehmer und Verbraucher. Trotz vertrauensvollen Baby-Gläschen und Pudding-rührenden Großmüttern gilt also für unentschlossene Verbraucher weiterhin: Augen auf beim Lebensmittel-Kauf.
Titelbild: pixelrodeo / flickr.com (CC BY-NC 2.0)
Bild im Text: HiPP GmbH & Co. Vertrieb KG (Pressematerial, nicht zur Weiterverwendung bestimmt), „Johanna Koenig by Stuart Mentiply“ von Stuart Mentiply - Eigenes Werk (GNU Free Documentation License 1.2) via Wikimedia Commons, Rügenwalder Mühle (Pressematerial)
Artikel: Florian Gehm
Umsetzung: Florian Gehm und Alina Zimmermann