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Professor Dr. Udo Göttlich ist seit Oktober 2011 nach verschiedenen Gastprofessuren in Klagenfurt, Hildesheim oder München Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Medien- & Kommunikationswissenschaft der Zeppelin Universität. Seine Schwerpunkte liegen im Verhältnis und Zusammenhang von Medien- und Gesellschaftswandel.
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Das Projekt „Mediatisierte Medienrezeption“ der beiden ZU-Wissenschaftler Professor Dr. Udo Göttlich und Dr. Martin R. Herbers ist Teil des im Oktober 2010 gestarteten Schwerpunktprogramms „Mediatisierte Welten“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Dabei bezeichnet „Mediatisierung“ die Durchdringung aller Lebensbereiche der Menschen mit Medien. Daraus wiederum ergibt sich der Ausgangspunkt des Forschungsclusters, dass unsere Lebenswelt zunehmend in und in Bezug zu „Mediatisierten Welten“ stattfindet: So sind digitale Medien wie Soziale Netzwerke, Foren, Tablet-Computer und Smartphones aus dem Alltag vieler nicht mehr wegzudenken – die neuen Medien prägen mehr denn je Kommunikation, zwischenmenschliche Beziehungen und Freizeitgestaltung. Ziel des interdisziplinären DFG-Schwerpunktprogramms ist es daher, die aktuellen „Mediatisierten Welten“ sowie ihre Bedingungen, Ausdrucksformen und Konsequenzen für das Zusammenleben der Menschen theoretisch und empirisch zu untersuchen. Damit füllt das Programm eine wissenschaftliche Lücke: Denn bislang sind nur wenige Studien und Forschungsansätze bekannt, die sich mit „Mediatisierten Welten“ auseinandersetzen.
Was bedeutet „Mediatisierte Medienrezeption“ konkret?
Prof. Dr. Udo Göttlich: Medienrezeption, vor allem Fernsehrezeption, findet gegenwärtig unter neuen Bedingungen statt. Mit dem Aufkommen von digitalen Film- und Fernsehanbietern im Internet verliert insbesondere das öffentlich-rechtliche Fernsehen seine Rolle als Leitmedium für die Verbreitung von Inhalten jeder Art. Zwangsläufig führt das auch dazu, dass die Ablösung des klassischen Fernsehapparates als primäre Distributionsplattform immer weiter voranschreitet. Durch digitale Angebote wie Soziale Netzwerke oder Foren im Internet wird es nicht nur möglich, sich bereits vor der Medienrezeption über die Inhalte zu informieren, sondern auch währenddessen und danach über das Gesehene auszutauschen. Vor allem die Nutzung der sogenannten „Second Screens“ wie Tablet-Computer oder Smartphones führt zu neuen Formen der Auswahl und Bewertung von sowie Hinwendung zu Fernsehinhalten. Auf die Frage, ob diese Entwicklung ein Ausdruck des als „Mediatisierung“ bezeichneten Wandels des kommunikativen Handelns ist, möchte das Forschungsprojekt „Mediatisierte Medienrezeption“ Antworten liefern.
Welche digitalen Verbreitungsformen des Fernsehprogramms gibt es sonst noch?
Göttlich: Grob gesprochen kann man hier eine Aufteilung in legale und illegale Verbreitungsformen vornehmen. Der Fokus des Forschungsprojektes liegt auf den legalen Varianten, die wiederum in Downloads und Streams unterschieden werden. Beim Download ist es möglich, Filme oder Episoden von Serien digital zu erwerben und auf dem eigenen Computer abzuspeichern: Der iTunes-Store bietet dafür ein gutes Beispiel. Streaming-Dienste wie Amazon und Watchever, aber auch die Mediatheken der Fernsehanbieter hingegen stellen das Programm den Nutzern zum Abruf zur Verfügung, lassen ihn aber das Gesehene nicht speichern, sondern nur auf einer Online-Plattform ansehen. Darüber hinaus bieten auch die Hersteller von Fernsehgeräten oder Spielekonsolen eigene Streaming-Dienste an und erweitern dadurch die Distributionswege von Serien und Filmen.
Welche Rolle spielen Soziale Netzwerke bei der gegenwärtigen Medienrezeption?
Göttlich: Gegenwärtig nehmen Soziale Netzwerke bei der Medienrezeption eine immer wichtigere Rolle ein. Dabei gewinnen die bereits erwähnten „Second Screens“, die parallel zum klassischen Fernsehapparat genutzt werden, zunehmend an Bedeutung. Denn darüber werden Seiten der Sozialen Netzwerke angesteuert, auf denen das Gesehene kommentiert wird. Oft wird dies auch durch die Sender initiiert: Unter dem Hashtag #tatort fordert etwa die ARD ihre Zuschauer dazu auf, die aktuell laufende Tatort-Folge zu kommentieren. Darüber hinaus kann selbst die zunehmende Beliebtheit und Verbreitung von US-amerikanischen Serien in Deutschland auch auf die Sozialen Netzwerke zurückgeführt werden, mit deren Hilfe sich Serienfans nicht nur über das Programm auf dem Laufenden halten, sondern sich – lange bevor diese Programme einem breiteren Publikum überhaupt bekannt sind – an den Empfehlungen ihrer Peers orientieren.
Was steht im Zentrum des Forschungsprojektes „Mediatisierte Medienrezeption“ und welche Methoden finden dabei Anwendung?
Göttlich: Der Gegenstand der Untersuchung sind die verschiedenen neuen Formen und Arten der „Medienrezeption“ im Generationenvergleich. Das Forschungsprojekt analysiert, wie sich Mediennutzung am Beispiel der Rezeption von fiktionalen Programmen wie Serien oder Spielfilmen wandelt und welche neuen Formen der Auswahl und Rezeption sich abzeichnen. Über Befragungen und Beobachtungen wird untersucht, ob und unter welchen Umständen und vor allem von wem digitale Medien wie Twitter oder Facebook genutzt werden, um Sendungen auszuwühlen und das Gesehene zu kommentieren. Die Ergebnisse der unterschiedlichen Teiluntersuchungen werden miteinander verknüpft, um grundlegende Muster und neue Formen der „Mediatisierten Medienrezeption“ zu typisieren und zu bewerten. Dabei leistet das Projekt Grundlagenforschung. Denn bislang sind die medialen Nutzungsarten und Rezeptionsweisen von unterschiedlichen Mediengenerationen nicht näher erforscht.
Wie unterscheiden sich die Mediengenerationen in Auswahl und Rezeption von fiktionalen Unterhaltungsangeboten?
Göttlich: Dies gilt es erst genauer zu untersuchen. Grundlegend lassen sich aus der bisherigen Forschung erste Annahmen ableiten: Etwa, dass ältere Mediennutzer sich weiterhin vorab „gezielt“ über das Fernsehprogramm in Zeitschriften informieren und dann nur wenige Sendungen auswählen und ihre Aufmerksamkeit ganz auf das festgelegte Programm fixieren. Jüngere Mediennutzer hingegen verlassen sich im Gegensatz zu älteren Nutzern stärker auf Empfehlungen ihrer Peers, wobei sie nun auch über Online-Angebote wie Foren oder Soziale Netzwerke Sendungen zeit- und ortsunabhängig rezipieren und kommentieren. Dabei sprechen wir von der sogenannten „Ko-Orientierung“: Diese beschreibt ein bestimmtes Verhalten von Mediennutzern, die sich bei ihrer eigene Medienauswahl an den Kritiken und Empfehlungen anderer Nutzer orientieren. Dies können Freunde und Verwandte sein, aber auch Rezensionen in Medien-Foren oder gar automatisch generierte Vorschlagslisten auf Videoplattformen im Internet. Die auftretenden Formen der „Ko-Orientierung“ während der Medienrezeption bilden den wesentlichen Untersuchungskern unseres Forschungsprojektes.
Für wen könnten die Ergebnisse von Interesse sein?
Göttlich: Das Ziel des Projektes ist es, die verschiedenen Muster und Ausprägungen „Mediatisierter Medienrezeption“ zu analysieren und die Folgen zu beschreiben. Damit füllt unsere Themenstellung in der Publikums- und Rezeptionsforschung eine Lücke. Interessant sind die Ergebnisse somit vorwiegend für die Wissenschaft selbst. Aber auch Medienpädagogen können von den Erkenntnissen profitieren und so etwa Schüler dazu anregen, ihr eigenes Medienrezeptionsverhalten kritisch zu hinterfragen.
In welcher Form werden die Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht?
Göttlich: Die Ergebnisse des Forschungsprojektes werden auf wissenschaftlichem Wege veröffentlicht. Erste Ergebnisse werden auf nationalen wie internationalen Konferenzen präsentiert und in Buch- und Zeitschriftenpublikationen erscheinen. Nach dem Abschluss des Projektes ist eine Monographie geplant, welche die theoretischen und methodologischen Ergebnisse umfassend darstellt. Dabei steht die Diskussion und Einbindung im Rahmen des DFG-Schwerpunktforschungsprogramms „Mediatisierte Welten“ im Vordergrund.
Titelbild: Esther Vargas / flickr.com (CC BY-SA 2.0)
Bilder im Text: Eva Freude / flickr.com (CC BY-NC-SA 2.0)
„Family watching television 1958“ von Evert F. Baumgardner - National Archives and Records Administration. Via Wikimedia Commons
„Bundesarchiv B 145 Bild-F009687-0002, Wuppertal, Straßenansicht am Abend, Kiosk“ von Unterberg, Rolf. Via Wikimedia Commons
Artikel: Sebastian Paul
Umsetzung: Alina Zimmermann und Florian Gehm