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Professor Dr. Karen van den Berg ist Professorin für Kulturtheorie und inszenatorische Praxis an der Zeppelin Universität. Sie studierte Kunstwissenschaft, Klassische Archäologie und Nordische Philologie in Saarbrücken und Basel, wo sie auch promovierte. Von 1993-2003 war sie Dozentin für Kunstwissenschaft am Studium fundamentale der Privaten Universität Witten/Herdecke. Seit 1988 realisiert sie als freie Ausstellungskuratorin zahlreiche Ausstellungsprojekte in öffentlichen Räumen und in Kunstinstitutionen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind u.a. Kunst und Öffentlichkeit, Kunstvermittlung und Politik des Zeigens, Kunst und Emotionen, Rollenmodelle künstlerischen Handelns sowie die sozialen Effekte von Bildungsarchitekturen.
PlanBude schlägt einen innovativen, von Grund auf anderen Planungsprozess für die ESSO-Häuser vor: zugänglich, modellhaft, demokratisch, ergebnisoffen, breitgefächert, vor Ort organisiert. PlanBude verknüpft die Felder Stadtplanung, Architektur, Bildende Kunst, Urbanismus, Stadtteilkulturarbeit, Soziale Arbeit und Soziologie mit der Straße, mit der bewohnten Stadt, mit dem lokalen Wissen. PlanBude setzt auf eine aus dem Alltag entwickelte Imaginationskraft. PlanBude sorgt dafür, dass das lokale Wissen in die Planung einfließt, da komplexe Aufgaben eine komplexe Planungsbeteiligung erfordern.
The Heidelberg Project (“HP”) is a Detroit-based community organization designed to improve the lives of people and neighborhoods through art. Our mission is to inspire people to appreciate and use artistic expression to enrich their lives and to improve the social and economic health of their greater community.
Eine Veranstaltung des artsprogram der Zeppelin Universität und der Architektenkammer Baden-Württemberg. Kuratiert von Margit Czenki und Christoph Schäfer (Hamburg).
"Wer baut die Stadt? In vielen Metropolen sind es vor allem die großen Investoren. Doch jetzt erobert die digitale Schwarmintelligenz den öffentlichen Raum – mit wunderbaren Idee wie einem Schwimmbad im Fluss. Eine Ortsbesichtigung in New York." VON HANNO RAUTERBERG
„Nur dadurch sind wir Künstler, dass wir keine Künstler mehr sind.“ – Dieses Zitat aus dem Jahr 1964 von Guy Debord, Gründungsmitglied der Situationistischen Internationale, bringt die neuesten Entwicklungen von Kunst im öffentlichen Raum prägnant auf den Punkt. Das alte Expertensystem, in dem Stadtplaner und städtische Kunstkommissionen entscheiden, welche Skulptur auf welchen Sockel gestellt wird und welche Bedeutungen im öffentlichen Raum durch Monumente sichtbar gemacht werden sollen, rückt offensichtlich immer häufiger in den Hintergrund. Stattdessen wird die aktuelle Diskussion um Kunst im öffentlichen Raum von zwei neueren Tendenzen geprägt, erklärt Prof. van den Berg: „Auf der einen Seite ist Partizipation zu einem Megatrend geworden und Begriffe wie „Recht-auf-Stadt“ und „Local Knowledge“ prägen die aktuelle Debatte. Auf der anderen Seite aber beobachten wir, dass sich Kunst im öffentlichen Raum und sogar soziale Projekte von Kommunen wie Marketing-Instrumente benutzt werden.“ Durch diese Entwicklung wird der öffentliche Raum mehr denn je ein umkämpftes Gut. „Das Bewusstsein, dass die Stadt weder Verwaltung noch den Investoren allein gehört, ist keine Ansicht einer kleinen Minderheit mehr. Partizipatorische Projekte, Crowdfunding und gemeinsame Aktionen wie Urban Gardening gewinnen zunehmend an Bedeutung. Diese neuen Entwicklungen, lassen sich unter dem Begriff ‚The New Creative Commons’ zusammenfassen. Und sie zeugen von einer neuen kollektiven Macht der Körper, die sich in Bilder verwandeln und mit Bildern operieren. Die jüngsten Protestbewegungen wie Occupy Wallstreet oder Stuttgart 21 haben eine neue Ästhetik hervorgebracht, neue Bilder des Öffentlichen“, so die Analyse von Prof. van den Berg. Die weißrussische Gruppe Femen ist hierfür ein gutes Beispiel.
In ihrem Vortrag „Art in the city – Protest, Picnic, Poiesis“, den sie im September am Parsons the New School of Design in New York City hielt, stellte Prof. van den Berg u.a. Beispiele aus Italien und Deutschland vor, darunter ‚ParkFiction’ und das Projekt ‚Planbude’ von u.a. Margit Czenki und Christoph Schäfer aus Hamburg.
‚Park Fiction“ wurde 1994 als kreativer und kollektiver Planungsprozess für die Gestaltung eines Anwohnerparks am Hamburger Hafen ins Leben gerufen. Unter dem Motto „Die Wünsche werden die Wohnung verlassen und auf die Straße gehen“ initiierten die Künstler eine ‘kollektive Wunschproduktion“ gemeinsam mit den Anwohnern des Viertels. Sie griffen auf verschiedene ‘Tools‘ des „Archivs der Wünsche“ (Gilles Deleuze) zurück und konnten ihre Ideen in die Tat umsetzen. „Imagination, Emotionen und Leidenschaften sind dabei Triebfedern um kollektive Räume zu schaffen. Leidenschaften werden nicht der privaten oder persönlichen Sphäre zugerechnet, sondern organisieren unser Bild der res publica. Das ist das radikal Neue von Park Fiction.
Auch heute, zwanzig Jahre später, ist das Projekt noch aktiv und gilt als strategisches Zentrum der „Recht-auf-Stadt“-Bewegung, die sich gegenwärtig u.a. für die Rechte der Flüchtlinge aus Lampedusa einsetzt. Mittlerweile haben die Macher einen weiteren Planungsprozess angekurbelt – die ‘Planbude‘ auf dem Spielbudenplatz nahe der Reeperbahn. Rund um einen Container – der Planbude – feilen Künstler, Stadtplaner, Architekten und Menschen aus der Nachbarschaft an einem Konzept für die Neugestaltung des Areals der ehemaligen Esso-Häuser, die im Frühjahr 2014 trotz großer Proteste abgerissen wurden. Mit den Esso-Häusern wurde das ‘soziale Netz‘ des Viertels, bestehend aus kulturell sehr diversen Anwohnern, verschiedenen Nachtclubs und Kneipen sowie der legendären Esso-Tanke, zerstört – dieses soll nun gemeinsam mit den Bewohnern neu verknüpft und gestaltet werden. So fließt lokales Wissen in die Pläne mit ein. Bei der ‘Planbude‘ wird Bottom-up-Stadtplanung „funky“. „Die Menschen werden hier gemeinsam tätig. Sie entwickeln Bilder und Aktionen, die einen öffentlichen Raum im emphatischen Sinne herstellen. Ziel ist es dabei eine Stadtplanung zu forcieren, die sich nicht allein einem haushalterischen Kalkül unterstellt, sondern auch ein spezifisches, lebenswertes bestehendes soziales Gewebe berücksichtigt und weiter entwickelt,“ erklärt Prof. Dr. van den Berg.
Nicht nur in Deutschland, auch während ihrer Forschungsreise, die sie vor allem in die Städte New York, Detroit und Chicago führte, stieß Prof. van den Berg auf eine Reihe ähnlicher neuer künstlerischer Ansätze, die in den Stadtraum eingreifen und diesen zu transformieren suchen.
Projekte wie die High Line, ein wild bepflanzter Dachpark in zehn Metern Höhe auf den Gleisen einer alten Güterbahnlinie, oder die Idee eines Flussschwimmbads im East River, das durch Crowdfunding finanziert wird, sind in New York überaus erfolgreich. Auch Street Art und Graffiti treten nicht mehr als öffentliches Ärgernis auf, sondern entstehen vermehrt im öffentlichen Auftrag. Gerade in Detroit ist Street Art eine weit verbreitete Praxis. Die Sprayer arbeiten für alle sichtbar während des Tages und verwandeln triste Viertel in monumentale Bilder und Installationen. Prof. van den Berg traf hier auf eine Stadt, die wie „eine große Ruine“ erscheint– die Abwanderung der Autoindustrie aus der ‘Motown‘ führte zum Verfall. Die Stadtverwaltung riss viele leerstehende Häuser ab und so ist das Stadtbild von Leerständen unglaublichen Ausmaßes geprägt, berichtet die Professorin für Kunsttheorie. Doch diese Leerstellen im Stadtbild bieten eben auch ungeahnten Gestaltungsraum.
Fährt man mit dem Auto in die zwei Blocks rund um die Heidelberg Street in Detroits berüchtigter East Side, erscheint es, als sei man an einem gleichermaßen bunten, verspielten wie kaputt-verträumten Ort. „Dieser Ort hat die imaginative Kraft einer trashigen Puppenstube“ findet van den Berg. Man stößt dort auf an Fassaden genagelte Puppen, alte Sofas oder Teddybären, die sich zu einer über mehrere Häuserblocks reichenden gigantischen Installation fügen. Tyree Guyton bemalte 1988 einst das Haus seiner Mutter mit bunten Punkten. Dies war der Startpunkt für das ‘Heidelberg Project‘, – mittlerweile eines der bekanntesten selbstbeauftragten Kunstprojekte in Detroit. Prof. van den Berg zeigt sich beeindruckt: „ Hier trifft man auf Projekte, die kaum etwas mit den hegemonialen akademischen Kunstdiskursen zu tun haben. Hier geht es nicht um Distinktionsgewinne, sondern darum, eine imaginative, poetische Situation zu schaffen und so Widerstand zu leisten gegen die normative Kraft des Faktischen.“
Titelbild: diamond geezer / flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0)
Bilder im Text: Goeff Livingston / flickr.com (CC BY-SA 2.0), Rasande Tyskar / flickr.com (CC BY-NC 2.0), "File:High Line, New York City (2014) - 13.JPG" By Another Believer (Own work) [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons
memories_by_mike / flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0)