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Liebe lieber unverbindlich?
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Frauen in Beziehungen

Liebe lieber unverbindlich?

Interview: Sebastian Paul | Redaktion
20.05.2016
Wir sind gar nicht so unromantisch und ,beziehungsunfähig‘, wie uns nachgesagt wird, ,Wegwerfbeziehungen‘ sind meiner Untersuchung nach nicht das vorherrschende Modell.

Antonia Marx
ZU-Bachelor-Alumna und Trägerin des Best Thesis Awards
 
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    Zur Person
    Antonia Marx

    Antonia Marx, geboren 1993 in Nürnberg, schloss im Januar 2016 ihr Bachelorstudium im Studiengang Communication and Cultural Management an der Zeppelin Universität ab. Ihre Abschlussarbeit wurde als beste Arbeit im Fachbereich mit dem „Best Bachelor Thesis Award“ der Zeppelin UniversitätsGesellschaft (ZUG) ausgezeichnet. Während ihres Studiums sammelte sie wissenschaftliche Auslandserfahrungen während eines Semesters an der Universitat Abat Oliba CEU in Barcelona. Praktische Einblicke sammelt Marx zur Zeit als Praktikanten bei der BrandTrust GmbH in Nürnberg. Zuvor gewann Marx unter anderem in Berlin, München, Pretoria und Frankfurt praktische Erfahrungen. 

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Womit beschäftigst du dich konkret in deiner Bachelorarbeit?

Antonia Marx: Primär beschäftige ich mich mit dem Beziehungsverhalten und der Partnerwahl von Frauen der Generation Y, also meiner Generation. Vor dem Hintergrund verschiedener familiensoziologischer Theorien habe ich mir angesehen, wie und warum sich Beziehungsverhalten und Partnerwahl eventuell verändert haben und wie die Frauen der Generation Y überhaupt lieben und in Beziehungen leben. Aus dem theoretischen Teil habe ich meine Hypothesen abgeleitet, die ich anschließend im empirischen Teil auf Basis der Daten des deutschen Beziehungs- und Familienpanels (pairfam) im Vergleich zur Generation X getestet habe. Ich beschäftige mich also mit der Frage, ob, und wenn ja, wie Frauen der Generation Y in ihrem Liebes- beziehungsweise Beziehungsleben agieren, wie sie ihren Partner wählen, was Beziehung für sie bedeutet und wie sie sich in dieser verhalten.

Brautstrauß bleibt Brautstrauß – reimt ein alter Zungenbrecher. Aber wer braucht in Zeiten von „Tinder“ und Online-Dating, von Lebensabschnittsgefährten und Karrierechancen schon noch einen Brautstrauß? Folgt auf die Generation der Eheverträge nun die Generation der Liebesverweigerer? Schlechte Erfahrungen und Bindungsangst, den falschen medialen Einfluss und berufliche wie sexuelle Unabhängigkeit nennen Experten als Gründe für die Beziehungsunfähigkeit der Ypsiloner. Immerhin – Statistiken geben den vielen Schlagzeilen noch nicht recht. Die Zahl der Eheschließungen lag mit rund 387.000 auch im vergangenen Jahr wieder auf einem konstanten Zehn-Jahres-Niveau.
Brautstrauß bleibt Brautstrauß – reimt ein alter Zungenbrecher. Aber wer braucht in Zeiten von „Tinder“ und Online-Dating, von Lebensabschnittsgefährten und Karrierechancen schon noch einen Brautstrauß? Folgt auf die Generation der Eheverträge nun die Generation der Liebesverweigerer? Schlechte Erfahrungen und Bindungsangst, den falschen medialen Einfluss und berufliche wie sexuelle Unabhängigkeit nennen Experten als Gründe für die Beziehungsunfähigkeit der Ypsiloner. Immerhin – Statistiken geben den vielen Schlagzeilen noch nicht recht. Die Zahl der Eheschließungen lag mit rund 387.000 auch im vergangenen Jahr wieder auf einem konstanten Zehn-Jahres-Niveau.

Wie bist du auf das Thema gestoßen und was fasziniert dich daran?

Marx: Da muss ich etwas ausholen. Angefangen hat alles damit, dass ich zufällig einen Zeitungsartikel über die Soziologie der Liebe gelesen habe. Irgendwie hat mich das Thema dann nicht mehr losgelassen. Professorin Dr. Karen van den Berg empfahl mir wenig später Alain Badious Werk „Lob der Liebe“. Badiou ist ein französischer Philosoph und behauptet, der Blick der Liebe sei unter anderem durch Partnervermittlungsbörsen verstellt, die die Liebe „ohne Risiko“ versprechen. Angeregt dadurch habe ich mich dann in meiner Hausarbeit im Zeppelin-Projekt damit beschäftigt, ob meine Generation das Lieben verlernt hat – etwas überspitzt formuliert: Meine Generation hängt dauernd auf „Tinder“ rum und später – wenn die Torschusspanik kommt – auf „Elitepartner“, weil die „Liebe ja kein Zufall ist“ und möglichst risikofrei ablaufen soll. Wer wird schon gerne verlassen und hat rückblickend Zeit und Energie für Menschen aufgebracht, die einen möglicherweise enttäuschen?


Im weiteren Verlauf meines Studiums habe ich mich mehr und mehr gefragt: Wie geht meine Generation mit Liebe und Beziehung um? Was erwarten wir? Dauernd wollen wir alles optimieren und im Internet lauert hinter jede Ecke der womöglich noch „bessere“ Partner. Ich wollte wissen, warum das so ist, warum wir so sind. Irgendwann stieß ich dann auf Schriften der Familiensoziologie. Meine Überlegungen zu Liebe, Beziehung und der Generation Y habe ich dann Dr. Alexander Ruser vorgestellt, der als Soziologe der Heidelberger Schule (der Hochburg für Familiensoziologie) sehr viel zu meiner Begeisterung für die Familiensoziologie beigetragen und auch meine Bachelorarbeit betreut hat. Für mich gibt es aktuell keine faszinierendere Forschung und Wissenschaft als die Familiensoziologie.

Was kennzeichnet die Generation Y?

Marx: Zunächst einmal bin ich absolut kein Fan von Generationenzuschreibungen. Eine einheitliche Definition der Generation Y gibt es im Übrigen nicht – nur so viel: Im Personalmanagement hat man sich auf zwischen 1984 und 1994 Geborene festgelegt. Zuschreibungen gibt es dafür umso mehr. Demnach sind wir ehrgeizig, auf der Suche nach Selbstentfaltung, wir hinterfragen ehemals eiserne Grundsätze in Familie, Politik und Freizeit. Die uns ständig umgebende Multioptionalität verwöhnt uns einerseits, andererseits haben wir Angst vor falschen Entscheidungen und wollen uns am liebsten immer alle Optionen offenhalten. Wir sind zwar in Zeiten des Terrorismus, aber auch des wirtschaftlichen Wohlstands aufgewachsen, ein Umstand der uns unseren Ehrgeiz erst möglich werden lässt.


Klar mögen einige dieser kennzeichnenden Eigenschaften irgendwie stimmen, der Hype um die Generation Y ist meiner Meinung nach trotzdem völlig übertrieben. Aber ja, vor allem uns Frauen stehen sehr viel mehr Optionen offen als noch unseren Müttern: Studieren ist für Frauen meiner Generation zumindest in westlichen Ländern eine Selbstverständlichkeit. Ich glaube auch, dass wir einen ehrgeizen Veränderungsdrang in uns haben, allerdings aber auch einen starken Optimierungsdrang. Diese Zuschreibungen an meine Generation sind ein Grund und ein wichtiger Bestandteil meiner Untersuchung des Beziehungsverhaltens und der Partnerwahl von Frauen der Generation Y.

Bevor der Ehering ausgepackt wird, dekorieren Ypsiloner lieber öffentliche Wahrzeichen mit Liebesschlössern. Dass diese Bekundungen nur von kurzer Dauer sind und von betroffenen Wahrzeichen regelmäßig entfernt werden, haben viele Turteltäubchen nicht auf dem Schirm.  Da passt es ins Bild, dass FAZ-Bloggerin Isabell Prophet der Generation vorwirft, sie seien zu blöd für die Liebe: „Meine Generation ist zu blöd, um sich zu verlieben. Nein, vielleicht wird diese Beziehung nicht halten. Nein, die nächste hat bestimmt straffere Oberschenkel oder stärkere Nerven, wenn sie warten gelassen wird. Wir sehen so viele Möglichkeiten, dass unsere Gehirne sich gar nicht mehr trauen, Liebeshormone auszuschütten. Dabei liegt in der Kooperation in der Regel die glücksoptimale Lösung – beide geben, beide vertrauen darauf, etwas zurück zu bekommen. Vertrauen schafft Wachstum, aber Vertrauen haben wir verlernt.“
Bevor der Ehering ausgepackt wird, dekorieren Ypsiloner lieber öffentliche Wahrzeichen mit Liebesschlössern. Dass diese Bekundungen nur von kurzer Dauer sind und von betroffenen Wahrzeichen regelmäßig entfernt werden, haben viele Turteltäubchen nicht auf dem Schirm. Da passt es ins Bild, dass FAZ-Bloggerin Isabell Prophet der Generation vorwirft, sie seien zu blöd für die Liebe: „Meine Generation ist zu blöd, um sich zu verlieben. Nein, vielleicht wird diese Beziehung nicht halten. Nein, die nächste hat bestimmt straffere Oberschenkel oder stärkere Nerven, wenn sie warten gelassen wird. Wir sehen so viele Möglichkeiten, dass unsere Gehirne sich gar nicht mehr trauen, Liebeshormone auszuschütten. Dabei liegt in der Kooperation in der Regel die glücksoptimale Lösung – beide geben, beide vertrauen darauf, etwas zurück zu bekommen. Vertrauen schafft Wachstum, aber Vertrauen haben wir verlernt.“

Wie haben sich die Rolle der Frau, die Partnerwahl und das Beziehungsverhalten in den vergangenen Jahrzehnten verändert?

Marx: Früher hatten Ehe und Beziehung den Sinn der Fortpflanzung und der Sicherung des Lebensunterhalts. Man hat einfach den Sohn vom Bauernhof nebenan geheiratet, weil zwei Bauernhöfe eben einen größeren Hof ergeben. Erst durch die Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte im Zuge der Industrialisierung hat sich die geschlechtsspezifische Rollenverteilung herausgebildet, die wir kennen: Frauen kam die Rolle der Hausfrau und Mutter zu, dem Mann die des Ernährers.


Mit der Enttraditionalisierung der Rolle der Frau haben sich die Bedingungen der Partnerwahl grundlegend verändert. Heute wird unser Partner weder von unserer Familie aus Gründen der Machtreproduktion oder zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgesucht, noch zwingen uns gesellschaftliche Sanktionen zur Wahl eines bestimmten Partners oder einer bestimmten Lebensform. Im Grunde ist es egal, ob eine Akademikerin einen Elektriker heiratet. Wäre die Partnerwahl allerdings so frei, würden heute kaum noch soziale Strukturen existieren: Die moderne Partnerwahl ist daher keineswegs zufällig, es gibt bestimmte Muster wie sozialstrukturelle Rahmenbedingungen oder normative Regeln. Klar beeinflussen auch heute noch bestimmte Faktoren die Wahl unseres Partners, diese haben sich aber von massiv ökonomisch geprägten hin zu individuellen und emotionalen Attributen verändert. Die Familiensoziologie nennt das die „Individualisierung der Partnerwahl“.


Zudem steht uns die Wahl der Lebensform frei: heiraten, scheiden lassen, Single bleiben – unsere Entscheidung. Die Ehe als Institution und vor allem als Legitimationsgrundlage für Sexualität und Kindererziehung ist passé – durch die Pluralisierung der Lebensformen prägen heute auch Fernbeziehungen und Patchworkfamilien das Bild. Durch den Wegfall dieser institutionellen Bindekräfte wird es allerdings auch schwieriger, eine glückliche Beziehung im Spannungsverhältnis von Autonomie und Bindung herzustellen.

Welche Faktoren haben zu dem Wandel beigetragen?

Marx: Maßgeblicher Faktor war die Bildungsexpansion Ende der 1960er-Jahre. Dank der Angleichung der Bildungschancen von Mann und Frau haben Frauen eine Chance auf Erwerbsbeteiligung – die Grundlage für ökonomische Selbstständigkeit, Unabhängigkeit vom Mann und eine Auswahl des Partners auf Augenhöhe. Die größtenteils familienorientierten Lebensentwürfe junger Frauen wandelten sich zum Anspruch auf ein eigenes Leben. Außerdem spielt der Abbau sozialer Kontrollinstanzen wie frühere Heiratsverbote beispielsweise durch die Kirche oder auch die eigene Familie ebenso wie die Verbesserung der Empfängnisverhütung eine wichtige Rolle.


Im Endeffekt können Frauen vor allem durch die Selbstverständlichkeit einer eigenen Karriere und eines eigenen Lebensweges heute ganz anders in Partnerschaften leben als früher. Das heißt aber auch, dass insbesondere Frauen sich ihren Lebensweg, ihre Biographie, selbst „basteln“ müssen. Die Auflösung gegebener Rollenmuster und -zwänge von Frauen ermöglicht ganz neue Optionen der Lebensgestaltung, bezeichnet aber auch den Verlust alter Sicherheiten. Autonomie und Emanzipation sind schön und gut, bedeuten in Bezug auf Lebensentwürfe aber auch Stabilitätsverlust: ein einheitliches Lebensmodell gibt es nicht mehr. So viele Optionen, die junge Frauen haben, und so viele Entscheidungen, die sie treffen müssen, bergen Chancen und Risiken – die immer noch sehr ungleiche Verteilung der Doppelbelastung von Familie und Karriere zwischen den Geschlechtern ist ein greifbares Beispiel. Plötzlich können und vor allem wollen wir Karriere machen, müssen aber auch irgendwie alles unter einen Hut bringen, und es wird ja auch erwartet, dass wir die neuen Chancen nutzen.

Heirat, Hausbau, Heimplatz – noch vor wenigen Jahren hätte so die klassische Karriere eines Mitdreißigers aussehen können. Heute träumen die Jungen und Hippen von einem Loft in Kreuzberg, wollen Urban Gardening betreiben und in generationsübergreifenden Wohngemeinschaften alt werden. Ein Eheversprechen passt da nur schwer ins Konzept: Im Jahr 2014 wurden in Deutschland zwar nur rund 166.200 Ehen geschieden, das waren 2,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Doch nach den derzeitigen Scheidungsverhältnissen werden etwa 35 Prozent aller in einem Jahr geschlossenen Ehen im Laufe der kommenden 25 Jahre geschieden.
Heirat, Hausbau, Heimplatz – noch vor wenigen Jahren hätte so die klassische Karriere eines Mitdreißigers aussehen können. Heute träumen die Jungen und Hippen von einem Loft in Kreuzberg, wollen Urban Gardening betreiben und in generationsübergreifenden Wohngemeinschaften alt werden. Ein Eheversprechen passt da nur schwer ins Konzept: Im Jahr 2014 wurden in Deutschland zwar nur rund 166.200 Ehen geschieden, das waren 2,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Doch nach den derzeitigen Scheidungsverhältnissen werden etwa 35 Prozent aller in einem Jahr geschlossenen Ehen im Laufe der kommenden 25 Jahre geschieden.

Welche Fragestellungen hast du nun in deiner Bachelorarbeit genauer analysiert?

Marx: Heute sind Partner oft sprichwörtlich Lebensabschnittspartner, passend für einen Abschnitt unseres Lebens – bis wir eine der anderen vielen Optionen ergreifen, unsere Karriere verfolgen oder einfach glauben, einen noch besseren Partner gefunden zu haben. Gesunkene Trennungsbarrieren, ein konstantes, internes Aufkündbarkeitsgebot und vielfältige mögliche Lebensformen führen auch dazu, dass Beziehungen heute anders gelebt werden. Vor dem Hintergrund der Zuschreibungen an die Generation Y heißt das eigentlich für meine Generation, dass wir uns am liebsten nie richtig festlegen wollen. Das bedeutet aber auch, dass im Gegensatz zu früheren, institutionell geregelten Beziehungen Verbindlichkeit heute persönlich hergestellt werden muss, was zwei Individuen auch mal ganz schön was abverlangt.


Daher ist eine Partnerschaft immer auch ein Aushandlungsprozess, das kann anstrengend sein. Ich wollte wissen, wie Frauen meiner Generation, die eine so andere Rolle einnehmen als Frauen vor 50 Jahren, ihre Vielfalt an Optionen und ihre Karrierechancen in Beziehungen leben. Die Festlegung auf eine dauerhafte Bindung erfordert ein hohes Maß an Koordination zweier Individuen mit ihren eigenen Wünschen, ihrem Drang nach Autonomie, ihren Bedürfnissen. Ich habe untersucht, mit welchen Erwartungen Frauen heute an Beziehungen herantreten: Sind diese gestiegen, jetzt wo ein Partner ihr von Selbstentfaltung und Individualisierung geprägtes, selbstständiges Leben fast bereichern muss, um eine Berechtigung zu haben? Die Suche nach einem Partner erscheint vielen durch den unbegrenzten Möglichkeitshorizont irgendwie immer unabgeschlossen, das belastet. 


Wird von einer „Single-Gesellschaft“ und von partnerlosen Akademikerinnen gesprochen, weil Frauen Angst vor emotionalen Tiefschlägen haben und sich nicht in verbindliche Beziehungen mit Kompromissen trauen? Ich habe analysiert, wie schnell Frauen Beziehungen eingehen, habe Beziehungsqualität und Partnerschaftszufriedenheit untersucht. Ich wollte wissen, ob Frauen der Generation Y häufiger die Trennung initiieren als Frauen der Generation X und ob sie diese emotional besser verarbeiten, ob die Singles unter den Frauen meiner Generation glücklich sind, frei für Karriere und Selbstoptimierung, erfüllt von allen Optionen um sie herum. Die Work-Family-Balance von Frauen der Generation Y gab außerdem aufschlussreiche Rückschlüsse auf ihre Bindungsbereitschaft und die Frage, ob potentieller Stress in Beziehungen als Karrierehindernis empfunden wird. Weiterhin habe ich den Grad der Bildungshomogamie in Partnerschaften im Generationenvergleich gemessen, also untersucht, ob Frauen der Generation Y aufwärts oder abwärts heiraten oder am liebsten Partner mit gleichem Bildungsniveau wählen.


Letztlich bestand meine große Forschungsfrage darin, was die Veränderungen in der Frauenrolle, Partnerwahl und den Möglichkeiten der Lebensform im Beziehungsverhalten bewirkt haben: Sehen wir Beziehungen anders – als Mittel zum Zweck? Liebe lieber unverbindlich, weil der Typ gerade passt, aber bloß nicht festlegen?

Wo bestehen Unterschiede, wo Gemeinsamkeiten zwischen der Generation Y und der Generation X? Und was war das überraschendste Ergebnis deiner Untersuchungen?

Marx: Eigentlich gibt es kaum Unterschiede zwischen den Generationen. Und genau das war für mich auch so überraschend, von den Hypothesen musste ich fast jede falsifizieren. Wir Frauen der Generation Y genießen zwar viele Selbstverständlichkeiten, die andere Generationen vor uns erst erkämpfen mussten, wir sind aber in Sachen Beziehung nicht viel anders. Klar werden heute mehr Ehen geschieden und Frauen kriegen später Kinder, unsere Einstellung zu Beziehungen, unsere Erwartungen sind aber die gleichen. Wir sind weder signifikant weniger traditionell geprägt noch ist die Anzahl an Beziehungen gestiegen, womit der Trend zu seriellen Beziehungsbiographien in meiner Untersuchung nicht bestätigt werden konnte.


Was aber tatsächlich stimmt ist, dass Frauen meiner Generation einfach alles wollen und alle Optionen wahrnehmen wollen: Karriere, Familie, Eigenständigkeit. Beziehung hat einen fast unverändert hohen Stellenwert in unserem Leben, die Bereitschaft für eine Beziehung hat sich auch kaum verändert. Mich hat wirklich überrascht, dass ich keinen Hang zur Unverbindlichkeit in der Generation Y feststellen konnte. Heute mögen zwar mehr Beziehungen getrennt werden, die früher als stabil und gesund galten, doch wenn wir eine Beziehung eingehen, tun wir das wie die Frauen vor uns mit den gleichen Motiven, Zielen und Träumen. Wir sind gar nicht so unromantisch und „beziehungsunfähig“, wie uns nachgesagt wird, „Wegwerfbeziehungen“ sind meiner Untersuchung nach nicht das vorherrschende Modell. Eine Beziehung in unseren Alltag und Lebensentwurf zu integrieren, stellt uns jedoch vor mehr Herausforderungen als früher.


Aber klar hatte meine Arbeit auch Limitationen, ein Grund, weshalb mich die Familiensoziologie so begeistert und ich an dem Thema dran bleiben möchte. Spannend wäre es als nächstes, diese Forschungsfragen auf Männer zu übertragen, die ja auf die veränderte Rolle der Frau in Beziehungen reagieren.

Titelbild: 

| stevepb / pixabay.com (CC0 Public Domain)


Bilder im Text: 

WenPhotos / pixabay.com (CC0 Public Domain)
| stokpic / pixabay.com (CC0 Public Domain)
| Olessya / pixabay.com (CC0 Public Domain)


Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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