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Interview: mit Clemens Krüger | Zeppelin Universität
16.09.2020
Grundsätzlich ist es ein positiver Trend, wenn Anleger zum einen beginnen, das Geld unter ihrem Kopfkissen zu investieren und zum anderen dieses stärker diversifizieren. Unabhängige Robo Advisor haben das Potenzial, unterschiedlichsten Anlegergruppen einen Zugang zum Kapitalmarkt zu ermöglichen.

Clemens Krüger
Student des Masterstudiengangs „Corporate Management and Economics | CME“
 
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    Zur Person
    Clemens Krüger

    Clemens Krüger studierte Corporate Management and Economics im Masterstudiengang an der Zeppelin Universität. Während seiner Teilnahme am Kurs „Digitale Welt und Finanzen“ bei Dr. Tim Alexander Herberger bekam er die Möglichkeit, sich intensiv mit der Digitalisierung und digitalen Transformation der Finanzbranche auseinanderzusetzen. Im Anschluss an diesen Kurs verfasste er den Forschungsbeitrag „Portfoliomanagement durch Robo Advisory? Eine ökonomische Analyse aus Sicht unterschiedlicher Anlegertypen“, die in dem von Herberger herausgegebenen Sammelband „Die Digitalisierung und die Digitale Transformation der Finanzwirtschaft“ erschien. Gemeinsam mit Bernward Scholtyseck ist er Geschäftsführer des interdisziplinären Beratungsunternehmens Impulsmanufaktur. 

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Noch immer legen viele Deutsche ihr Geld am liebsten unters Kopfkissen, aufs Sparbuch oder investieren höchstens in Aktien. Wie erklärt man diesen Menschen, was Robo Advisor überhaupt sind?

Clemens Krüger: Robo Advisor sind digitale Vermögensverwalter. Anstatt eines menschlichen Entscheiders werden durch ein Algorithmen-basiertes System automatische Empfehlungen zur Vermögensanlage gegeben und umgesetzt. Es gibt jedoch nicht den einen Robo Advisor. Hinter diesem Kofferwort verbergen sich heterogene Geschäftsmodelle, die unterschiedliche Kundengruppen ansprechen. Die Anbieter variieren hinsichtlich des Mindestanlagewertes, der durchschnittlichen jährlichen Kosten, die sich aus Order- und Depotführungsgebühren zusammensetzen, sowie der gehandelten Produkte.

Wie treffen diese ihre Entscheidungen?

Krüger: Der Prozess der Robo Advisory kann in vier Schritte eingeteilt werden.
Im ersten Schritt werden die Anlegereigenschaften ermittelt. Diese umfassen die Verlusttragfähigkeit (Wie hoch dürfen die Verluste sein, die ich tragen kann, ohne meinen Lebensstil einzuschränken?), die Risikotoleranz (Welches Rendite-Risiko-Verhältnis erwarte ich?) sowie die Investitionspräferenzen (Möchte ich gezielt in Aktien von bestimmten Unternehmensgruppen, wie beispielsweise in umweltfreundliche Unternehmen, investieren?). 

 
Im zweiten Schritt erfolgt eine Nutzerklassifizierung zu Musterportfolios auf Basis der im ersten Schritt getroffenen Entscheidungen. Dementsprechend ist Robo Advisory nur teil-individualisiert. Es gibt eine durch den Anbieter festgelegte und verwaltete Anzahl an möglichen Portfolios. Die Anleger werden dabei dem am besten passenden zugeordnet. 


Im dritten Schritt erfolgt die konkrete Handelsausführung direkt durch einen Robo Advisor oder über eine kooperierende Bank. Insbesondere die Robo Advisor, die unabhängig der gängigen Banken agieren, stehen vor der Herausforderung, dass für das Geschäft eine Banklizenz notwendig wird, was mit hohen Hürden verbunden ist. Im vierten Schritt erfolgt das Rebalancing des Portfolios.

Geld per Smartphone oder sogar von einem Roboter anlegen zu lassen, ist in Deutschland eine noch vergleichsweise junge Sparmöglichkeit. Sogenannte Robo Advisor übernehmen die langfristige Geldanlage für ihre Nutzer; häufig investieren sie dabei in Indexfonds. Das soll für die Kunden einen entscheidenden Vorteil bieten: Die digitalen Helfer richten nach den Vorgaben ihrer Nutzer ein passendes Wertpapier-Portfoilio ein und verwalten es auch. Ein guter Advisor kostet dabei nur weniger als einen Prozent der Anlagesumme pro Jahr.
Geld per Smartphone oder sogar von einem Roboter anlegen zu lassen, ist in Deutschland eine noch vergleichsweise junge Sparmöglichkeit. Sogenannte Robo Advisor übernehmen die langfristige Geldanlage für ihre Nutzer; häufig investieren sie dabei in Indexfonds. Das soll für die Kunden einen entscheidenden Vorteil bieten: Die digitalen Helfer richten nach den Vorgaben ihrer Nutzer ein passendes Wertpapier-Portfoilio ein und verwalten es auch. Ein guter Advisor kostet dabei nur weniger als einen Prozent der Anlagesumme pro Jahr.

Was unterscheidet sie also vom klassischen Vermögensverwalter?

Krüger: Die klassischen Vermögensverwalter stehen einer neuen Generation von Kunden gegenüber. Diese haben vollkommen veränderte Erwartungen und Ansprüche an die Vermögensverwaltung. Erstens ist diese Generation an digitale Geschäftsmodelle gewohnt. Dies geht mit hohen Erwartungen an die Vergleichbarkeit der Services, einer ständigen Verfügbarkeit sowie Transparenz der Investitionsentscheidungen einher. Zweitens ist eine unabhängige Beratung erst ab sechsstelligen Summen bei der klassischen Vermögensverwaltung möglich. Mindestanlagesummen in dieser Größenordnung gibt es bei den meisten digitalen Verwaltern nicht. Drittens sind die durchschnittlichen jährlichen Kosten von 0,60 bis 1,80 Prozent von digitalen Vermögensverwaltern deutlich geringer als die der klassischen, die in den meisten Fällen mindestens 3,00 Prozent des Depotwertes betragen.


Wie jedoch bereits angedeutet, gibt es nicht den einen Robo Advisor. Vielmehr lassen sich die Geschäftsmodelle in: 


  • Anlageberater – dem Kunden werden nach einem bestimmten Risikoprofil Finanzprodukte vorgeschlagen
  • Anlagevermittler – Vorschlagen von bestimmten Finanzprodukten sowie einem Finanzdienstleister, bei dem der Kauf des Produktes möglich ist
  • Vermögensverwalter – nach der Ermittlung des Risikoprofils werden Investitionsentscheidungen automatisch getroffen


Für welche Anlegertypen sind Robo Advisor geeignet?

Krüger: Die Anlagestrategien der Robo Advisor können von konservativ bis dynamisch reichen. Dies sollte den Anlegern bei dem Risikoprofiling bewusst sein. Außerdem sollten die Anleger einen langfristigen Anlagehorizont mitbringen.

Wie hoch sind die Risiken, wo wird mein Geld in der Regel investiert und wie schnell ist es wieder verfügbar?

Krüger: Das Portfoliorisiko entspricht in der Regel dem individuellen Risikoprofil, das bei der Einrichtung des Depots erhoben wird. Die Portfolios umfassen dabei ETFs, ETCs und Anleihen sowie vereinzelt auch Private Equity Investitionen. Zum heutigen Stand bietet keiner der Robo Advisory eine Investition in Devisen sowie nur vereinzelt in Immobilien. Somit kann bei keinem der Anbieter eine optimale Diversifikation der Anlage erzielt werden. Dabei hatte das individuelle Risikoprofiling nicht immer eine signifikante Auswirkung auf die Zusammensetzung des Portfolios. Insbesondere bei den Anbietern, bei denen eine stärkere Diversifikation möglich ist, steigen die Durchschnittskosten sowie die Mindestanlagesumme stark an.

Was bedeutet es für die Finanzmärkte, wenn auch unerfahrene Anleger mit Aktien, Rohstoffen oder Währungen spekulieren können, weil ein Roboter die Arbeit übernimmt?

Krüger: Grundsätzlich ist es ein positiver Trend, wenn Anleger zum einen beginnen, das Geld unter ihrem Kopfkissen zu investieren und zum anderen dieses stärker diversifizieren. Unabhängige Robo Advisor haben das Potenzial, unterschiedlichsten Anlegergruppen einen Zugang zum Kapitalmarkt zu ermöglichen. Mit dem Leitbild des mündigen Verbrauchers im Hinterkopf ist es entscheidend, dass Anbieter transparent über die Services aufklären, mögliche Interessenkonflikte gegenüber ihren Kunden kommunizieren und Geschäftspraktiken nicht in kompliziert formulierten AGB verschleiern.

Und was bedeutet das für den Gesetzgeber? Ein Algorithmus ist schließlich recht schwer haftbar zu machen.

Krüger: Die Regulierung der Robo Advisor erfolgt durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Zum heutigen Stand gibt es keine eigenständige Regulierung für Robo Advisory. Der rechtliche Rahmen der Anbieter werden durch das Verbraucherrecht, das Wertpapierhandelsgesetz und das Kreditwesengesetz bestimmt. Welche Rechtsgrundlage zum Tragen kommt, ergibt sich aus dem Detailgrad der Empfehlungen. Es ist entscheidend, ob eine Anlageberatung, eine Anlagevermittlung oder eine Vermögensverwaltung vorliegt.


Zum heutigen Stand werden keine selbstlernenden Algorithmen eingesetzt, weshalb die Entscheidung des Robo Advisors auf Basis unterschiedlicher quantitativer Methoden basiert. Dementsprechend wird die Entscheidung dadurch greifbar, verständlich und regulierbar gemacht.

Die Frankfurt School of Finance and Management hat im vergangenen Jahr untersucht, was die Deutschen vom Aktienkauf abhält – und sich die Bundesbürger lieber Geld unters Kopfkissen legen. Die Wissenschaftler kommen in ihrer Studie, die von der Deutschen Börse beauftragt wurde, zu dem Schluss, dass die Kombination von Risikoaversion und überschätztem Risiko, das vor allem durch ein Informationsdefizit entsteht, die Deutschen von einer vermehrten Aktienanlage abhält. Die Aktienmarktteilnahmequote in Deutschland lag im Jahr 2018 bei nur 16 Prozent – im Vergleich zu den USA mit bis zu 54 Prozent ein geringer Anteil. Laut der Studie liegt das vor allem daran, dass die Deutschen ihr Finanzwissen als zu gering einschätzen und äußerst risikoscheu sind. Über 50 Prozent der Nicht-Aktienbesitzer bewerten die Aussage „Mir fehlt das Wissen, wie man am Aktienmarkt investiert“ als „eher zutreffend“ oder „voll zutreffend“. Allerdings sind für eine Anlage in börsengehandelten Indexfonds, wie sie von zahlreichen Wissenschaftlern empfohlen wird, solche Kenntnisse nur in geringem Umfang notwendig. Persönliche Erfahrungen und Emotionen spielen bei der Wertpapieranlage ebenfalls eine große Rolle. Lediglich 23 Prozent der Personen, die keine Aktien besitzen, verbinden ein gutes Gefühl mit der Vorstellung, selbst Aktionär zu sein. Bei den Aktienbesitzern sind dies dagegen 61 Prozent.
Die Frankfurt School of Finance and Management hat im vergangenen Jahr untersucht, was die Deutschen vom Aktienkauf abhält – und sich die Bundesbürger lieber Geld unters Kopfkissen legen. Die Wissenschaftler kommen in ihrer Studie, die von der Deutschen Börse beauftragt wurde, zu dem Schluss, dass die Kombination von Risikoaversion und überschätztem Risiko, das vor allem durch ein Informationsdefizit entsteht, die Deutschen von einer vermehrten Aktienanlage abhält. Die Aktienmarktteilnahmequote in Deutschland lag im Jahr 2018 bei nur 16 Prozent – im Vergleich zu den USA mit bis zu 54 Prozent ein geringer Anteil. Laut der Studie liegt das vor allem daran, dass die Deutschen ihr Finanzwissen als zu gering einschätzen und äußerst risikoscheu sind. Über 50 Prozent der Nicht-Aktienbesitzer bewerten die Aussage „Mir fehlt das Wissen, wie man am Aktienmarkt investiert“ als „eher zutreffend“ oder „voll zutreffend“. Allerdings sind für eine Anlage in börsengehandelten Indexfonds, wie sie von zahlreichen Wissenschaftlern empfohlen wird, solche Kenntnisse nur in geringem Umfang notwendig. Persönliche Erfahrungen und Emotionen spielen bei der Wertpapieranlage ebenfalls eine große Rolle. Lediglich 23 Prozent der Personen, die keine Aktien besitzen, verbinden ein gutes Gefühl mit der Vorstellung, selbst Aktionär zu sein. Bei den Aktienbesitzern sind dies dagegen 61 Prozent.

Es gibt unzählige halbseidene Finanzblogs im Internet. Wo kann ich mich als unerfahrener Anleger seriös über das Thema informieren?

Krüger: In regelmäßigen Abständen werden die Anbieter von Robo Advisory durch unabhängige Verbrauchermagazine wie die Finanztest getestet. Diese richten sich meistens an Verbraucher, die sich in die Materie einarbeiten wollen und keinen professionellen Hintergrund haben.

Glaubst Du, dass Algorithmen sich als Vermögensverwalter und Bankersatz langfristig durchsetzen werden?

Krüger: Es ist ein hohes Marktwachstum bei gleichzeitiger Konsolidierung der digitalen Vermögensverwalter zu erwarten. Von den 30 in Deutschland operierenden Anbietern werden höchstwahrscheinlich eine Handvoll überleben, welche das zur Profitabilität notwendige Volumen erreichen. 


Anhand der Akquisitionen sowie des Aufbaus von Robo Advisorn durch etablierte Anbieter zeigt sich, dass die Finanzdienstleistungsbranche die Marktchancen als hoch einschätzt und die digitale Vermögensverwaltung eine strategische Ergänzung zum bestehenden Dienstleistungsportfolio darstellt.
Die Corona-Krise hat erhebliche Qualitätsunterschiede zwischen den Anbietern offenbart, die je nach Aktienquote mehr oder weniger stark durch die Kursrutsche getroffen wurden. Statt sich komplett aus den Märkten zurückzuziehen, haben die digitalen Vermögensverwalter die verfügbaren Mittel in Technologieunternehmen investiert, die als große Gewinner der Krise zählen. Außerdem konnten Kunden von dem Cost-Average-Effekt profitieren, der die Fondsperformance in diesem Fall erhöht hat. Auf der anderen Seite weisen Robo Advisor zum Teil Informationsdefizite und Fehlallokationen durch ungenügende Ermittlung des Risikoprofils auf. Außerdem gibt es einen erheblichen regulatorischen Nachholbedarf. 


Ein Blick auf aktuelle Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz, insbesondere im Deep Learning, wirft die spannende Frage auf, ob Algorithmen durch einen Informationsvorsprung eine signifikant bessere Performance erzielen können als menschliche Vermögensverwalter. Diese langfristigen Entwicklungen führen zu ganz neuen Fragen hinsichtlich von Governance und Regulierung. Als persönliche Leseempfehlung kann ich an dieser Stelle den Roman „Angst“ von Robert Harris geben.

Titelbild: 

Micheile Henderson / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Bilder im Text:
| Austin Distel / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link

Markus Spiske / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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