Wenn das Geld die Märkte überschwemmt
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EZB-Geldpolitik

Wenn das Geld die Märkte überschwemmt

von Prof. Dr. Alexander Eisenkopf | Zeppelin Universität
02.05.2016
Alle geldpolitischen Maßnahmen der EZB dienen dem höheren Ziel der Erhaltung des schönen Scheins, dass Euro und Eurozone weiterhin so funktionieren wie politisch geplant und gewollt.

Prof. Dr. Alexander Eisenkopf
ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- & Verkehrspolitik
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Alexander Eisenkopf

    Alexander Eisenkopf studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Nach seiner Promotion über Just-in-Time-orientierte Fertigungs- und Logistikstrategien arbeitete und lehrte Eisenkopf in Gießen und Frankfurt. Seit 2003 ist Eisenkopf Professor an der Zeppelin Universität und Gastdozent an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem auf Mobilität und Transportunternehmen.  

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    Factbox
    Prof. Dr. Marcel Tyrell zur EZB-Geldpolitik: Wenn das Geld vom Himmel prasselt

    Die Wirtschaft der Eurozone ist müde, und die Europäische Zentralbank sucht händeringend nach dem passenden Wecker. Aktuell gilt „Helikoptergeld“ als die ideale Möglichkeit, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Wenn einmal Geld vom Himmel regnet, setzen die Menschen ihren Fund sofort in Konsum um, dachte sich Milton Friedman in den 1960er-Jahren. Warum die EU trotzdem die Finger vom Geldregen lassen sollte, erklärt ZU-Professor Dr. Marcel Tyrell. 

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Offiziell rechtfertigt die Zentralbank diese Geldpolitik mit Deflationsgefahren, mit der Befürchtung einer Negativspirale fallender Preise und anhaltender wirtschaftlicher Stagnation in der Eurozone. Als Zielgröße wird eine Inflationsrate von nahe zwei Prozent ausgerufen, die allerdings nicht durch den Maastricht-Vertrag gedeckt ist. Tatsächlich verfolgt die EZB andere Ziele. Es geht um die Rettung der Krisenländer und ihrer Kreditwirtschaft. Anleihekaufprogramme ermöglichen den maroden Banken risikolose Gewinne und helfen ihnen damit, ihre Verluste aus faulen Krediten zu kompensieren. Außerdem gestatten sie den Staaten der Euro-Peripherie, mit ihrer Wirtschaftspolitik auf Pump fortzufahren.

„Legen Sie bei uns ihr Geld an – und Sie bekommen nichts!“ Während die Einlagenzinsen für Banken ins Minus fallen, reichen sie ihre Probleme gnadenlos an die Sparer weiter. Wer Geld auf dem Sparbuch anlegt oder einen Bundesschatzbrief besitzt, mehrt sein Geld kaum. EZB-Chef Mario Draghi sieht die Schuld dafür ausgerechnet beim Sparer: „Die Sparer haben es mit ihren Anlage-Entscheidungen auch selbst in der Hand, wie hoch ihre Erträge ausfallen, auch in Zeiten niedriger Zinsen“, sagte Draghi im Interview mit der Bild-Zeitung. Wo das Geld allerdings besser untergebracht ist – darüber schweigt auch der Italiener.
„Legen Sie bei uns ihr Geld an – und Sie bekommen nichts!“ Während die Einlagenzinsen für Banken ins Minus fallen, reichen sie ihre Probleme gnadenlos an die Sparer weiter. Wer Geld auf dem Sparbuch anlegt oder einen Bundesschatzbrief besitzt, mehrt sein Geld kaum. EZB-Chef Mario Draghi sieht die Schuld dafür ausgerechnet beim Sparer: „Die Sparer haben es mit ihren Anlage-Entscheidungen auch selbst in der Hand, wie hoch ihre Erträge ausfallen, auch in Zeiten niedriger Zinsen“, sagte Draghi im Interview mit der Bild-Zeitung. Wo das Geld allerdings besser untergebracht ist – darüber schweigt auch der Italiener.

All das dient dem höheren Ziel der Erhaltung des schönen Scheins, dass Euro und Eurozone weiterhin so funktionieren wie politisch geplant und gewollt. Der EZB ist jede Maßnahme recht, diese Illusion aufrechtzuerhalten, und möglicherweise ist auch der Rubikon überschritten, an dem man diese Politik noch hätte umkehren können. Leider sind die Kollateralschäden dieser Politik fast jenseits unserer Vorstellungskraft. Sparer werden frustriert und in riskante Anlagen getrieben, der Aufbau von Vermögen für die Altersvorsorge unterminiert und Häuslebauer zu exzessiver Verschuldung animiert.

Prof. Dr. Marcel Tyrell zur EZB-Geldpolitik: Wenn das Geld vom Himmel prasselt


Jenseits all dieser Probleme einer Nullzinswelt, die wir nach und nach erkennen, steht die grundsätzliche Feststellung, dass die Geldpolitik der EZB die Allokationsfunktion des Zinses vorsätzlich torpediert. Ein zentrales ökonomisches Prinzip lautet, dass die Nutzung von Kapital Opportunitätskosten generiert. Dieses Prinzip wird in der Nullzinswelt der EZB außer Kraft gesetzt. Die Folge ist, dass Investitionen nicht mehr an Effizienzkriterien orientiert sein müssen, und bei kostenlosem Kredit Banken und Firmen überleben, die eigentlich vom Markt verschwinden müssten. Äußeres Zeichen hierfür sind die Spekulationsblasen auf den Immobilien- und Aktienmärkten, von denen wiederum große Vermögen besonders profitieren, während der Normalsparer demnächst vielleicht sogar eine „Verwahrgebühr“ für sein Geld an seine Bank zahlen muss. Dieser Normalsparer wird auch vergeblich auf zukünftige Einkommenssteigerungen warten, da in einer Nullzinsökonomie relevante Produktivitätsgewinne gering bleiben werden. Denn es fehlen die Anreize, das Kapital in die günstigste Verwendung zu locken. Starke Loherhöhungen zu fordern, um das selbstgestellte Inflationsziel zu erreichen, wie es der Ökonom Peter Bofinger jüngst gefordert hat, stellt allerdings das Problem auf den Kopf.

Seit Monaten geht die Angst vor dem „Brexit“ in der Europäischen Union um. Am 23. Juni 2016 stimmen die Briten nun endlich über ihren Verbleib in der EU ab – und auch die Europäische Zentralbank will dabei gerne eine Wörtchen mitreden. Mit erhobenem Zeigefinger mahnt Draghi deshalb: „Gemeinsam sind wir stärker. Aber wenn sie es doch tun, muss ihnen klar sein: Sie verlieren all die Vorteile des Binnenmarktes.“ Laut Umfragen ist der Ausgang offen, Regierung und Parteien sind bei dem Thema zerstritten. Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schätzt die britische Wirtschaftskraft bei einem „Brexit“ im Jahr 2020 um mehr als drei Prozent niedriger als bei einem Verbleib in der EU.
Seit Monaten geht die Angst vor dem „Brexit“ in der Europäischen Union um. Am 23. Juni 2016 stimmen die Briten nun endlich über ihren Verbleib in der EU ab – und auch die Europäische Zentralbank will dabei gerne eine Wörtchen mitreden. Mit erhobenem Zeigefinger mahnt Draghi deshalb: „Gemeinsam sind wir stärker. Aber wenn sie es doch tun, muss ihnen klar sein: Sie verlieren all die Vorteile des Binnenmarktes.“ Laut Umfragen ist der Ausgang offen, Regierung und Parteien sind bei dem Thema zerstritten. Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schätzt die britische Wirtschaftskraft bei einem „Brexit“ im Jahr 2020 um mehr als drei Prozent niedriger als bei einem Verbleib in der EU.

Die wirtschaftlichen Aussichten in Europa bleiben trübe. Neben der Flüchtlingsproblematik und dem drohenden „Brexit“ drückt auch die Geldpolitik der EZB auf die Stimmung der Menschen. Man hält Zombiebanken und Zombiestaaten am Leben und finanziert die Gewinne von Börsen- und Immobilienspekulanten, demoralisiert aber tagtäglich die sparsame „schwäbische Hausfrau“. Vielleicht wird dem Bürger demnächst sogar die letzte Möglichkeit genommen, sich gegen das Abschmelzen seiner Ersparnisse zu wehren, indem man Bargeldnutzung einschränkt – dies wäre nur ein folgerichtiger Schritt der unweigerlich notwendigen Fortsetzung des geldpolitischen Dopings durch die EZB. Dermaßen entmündigt und seiner wirtschaftlichen Selbstbestimmung und Freiheit entledigt, darf er nur noch auf das bereits diskutierte „Helikoptergeld“ hoffen – so hat der Wahnsinn Methode, auch in der Europäischen Währungsunion.

Titelbild: 
| PublicDomainPictures / pixabay.com (CC0 Public Domain)


Bilder im Text: 

| bykst / pixabay.com (CC0 Public Domain

| Jeff Djevdet / flickr.com (CC BY 2.0)


Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Alexander Eisenkopf

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm


Der Gastbeitrag ist am 21.04.2016 in der Schwäbischen Zeitung unter dem Titel „Kollateralschäden der EZB-Geldpolitik“ erschienen.

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