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Seit 2009 leitet Tyrell das Buchanan Institut für Unternehmer- und Finanzwissenschaften der Zeppelin Universität. Vorher lehrte er unter anderem an der Universität Frankfurt, der University of Pennsylvania und der European Business School. Schwerpunktmäßig forscht er an Veränderungen von Finanzsystemstrukturen, mikro – und makroökonomischen Auswirkungen von Finanzkrisen und der Verschuldungsdynamik von Volkswirtschaften.
Zypern soll ein Zehn-Milliarden-Euro-Hilfspaket von der Troika (EU, EZB, IWF) erhalten, damit eine Staatspleite verhindert werden kann. Dafür muss Zypern bis Montag einen Eigenanteil von 5,8 Milliarden Euro aufbringen. Geplant war, diese Summe aus einer Zwangsabgabe auf Sparguthaben zu generieren. Doch nach starken Protesten der Öffentlichkeit hatte das zyprische Parlament den Plan am vergangenen Dienstag abgelehnt. Um die Summe doch vorweisen zu können, hat sich Zypern dazu entschieden ihre zweitgrößte Bank "Laiki Bank" abzuwickeln. Ebenso soll es einen neuen Vorschlag für Abgaben auf Sparguthaben ab 100.000 Euro geben. Ab Dienstag, wenn die Banken wieder öffnen, soll der Kapitalverkehr eingeschränkt werden, um einen zu starken Kapitalabfluss zu verhindern. Ebenso soll ein Solidaritätsfond aus staatlichen Vermögenswerten wie Mittel aus der Rentenkasse gebildet werden. Noch aber ist der Erfolg dieser Maßnahmen unklar.
Hat die Eurogruppe die potentiellen Auswirkungen ihres Rettungsplans einfach falsch eingeschätzt, oder ist bewusst ein Versuchsballon gestartet worden, um die Reaktionen der Anleger und Märkte zu testen? Man gewinnt den Eindruck, dass ähnlich wie 2008 im Fall von Lehman Brothers eine eindeutige Fehleinschätzung hinsichtlich der möglichen Reaktionen vorlag. Zumindest lässt sich anders das chaotische Verhalten aller Entscheidungsträger nach Bekanntgabe des Rettungsplans kaum erklären.
Die Eurogruppe hat durch ihre Handhabung der Zypern-Krise in fataler Weise gezeigt, dass sie in der Euro-Krise immer noch nicht die notwendige Handlungsfähigkeit besitzt. Sie hat sich mit den zypriotischen Verhandlungsteilnehmern unter Einschluss von EZB, IWF und EU-Kommission auf ein Rettungspaket geeinigt, von dem eigentlich klar war, dass es keinen Bestand haben würde.
Der Grund dafür ist einfach: Die Funktionsfähigkeit des Geldwesens basiert auf Vertrauen, und dieses Vertrauen ist zutiefst erschüttert, wenn man Geld von den Konten von Kleinsparern mittels eines Verwaltungsaktes zur Rettung des Staates vor der Insolvenz heranzieht. Die Folge daraus sind panische Reaktionen der Anleger, die dann das gesamte Finanzsystem zum Erliegen bringen können, mit Auswirkungen in die Realwirtschaft hinein, die die Krise nochmals verstärken.
Genau das kann man momentan in Zypern beobachten, und deshalb bleiben die zypriotischen Banken auch weiterhin geschlossen. Trotzdem hätte man dies alles zunächst als ein zypriotisches Problem mit begrenzter Außenwirkung auf den gesamten Euro-Raum abtun können, wenn es nicht negative Rückkopplungseffekte in weitere Euro-Krisenländer geben würde. Diese manifestieren sich jedoch gerade und können auch in diesen Ländern zu Reaktionen führen, die im Endeffekt krisenverschärfend sind. Der versuchte direkte Zugriff auf Spareinlagen von Kleinanlegern ist somit der Tabubruch, der kaum verziehen wird.
Was wird also geschehen? In Bezug auf Zypern wird man zurückrudern, das Rettungspaket der Troika erhöhen und ansonsten versuchen, die Belastungen für Zypern zeitlich zu strecken und möglichst zu verbergen. Ausländische Anleger werden bei nächster Gelegenheit bestrebt sein, massiv ihre Finanz- und Sachanlagen abzuziehen beziehungsweise zurückzufahren. Dies wird in naher Zukunft dazu führen, dass nochmals ein Rettungspaket für Zypern geschnürt werden muss.
In anderen Krisenländern ist das Vertrauen in die Währung ebenfalls massiv erschüttert worden. Die Euro-Gruppe wird zukünftig noch vorsichtiger als in der Vergangenheit auf Krisenanzeichen reagieren und die jeweiligen Banken auch unter Mithilfe der EZB stützen. Finanzielle Risiken werden hierzu auf die Steuerzahler und Gesamtheit der Anleger in einer Art verlagert, die ganz bewusst das Risikopotential durch entsprechende fiskalische und inflationsstärkende Maßnahmen verschleiern soll. Banken durch striktere Eigenkapitalregeln und Geschäftsbereichsregulierungen (zum Beispiel entsprechend der Vorschläge der Liikanen-Kommission) auch kurzfristig stärker an die Kandare zu nehmen, wird damit in Zukunft noch schwieriger durchzusetzen sein.
Was bleibt zu tun? Sowohl in Zypern als auch in vielen anderen Krisenländern ist die Hauptursache der Probleme eine unglückselige Verschränkung von Bankenkrise und Staatsschuldenkrise, die in einen Teufelskreislauf mündet. Das kann nur durch eine europäische Bankenunion aufgelöst werden. Staatsfinanzen und Kreditversorgung der Wirtschaft müssen stärker entkoppelt werden.
In Verbindung mit einer stärkeren Integration des europäischen Finanzsystems brauchen wir deshalb eine europäische Bankenaufsicht mit weitreichenden Durchgriffsrechten auf insolvente Banken, die im Bedarfsfall auf einen gemeinsamen Restrukturierungsfonds der Nationalstaaten zugreifen kann. Dies muss flankiert werden durch die Einführung eines einheitlichen europäischen Insolvenzverfahrens, um betreffende Finanzinstitute restrukturieren oder abwickeln zu können.
Eine derartige Finanzarchitektur würde dann auch die Politik weniger erpressbar machen und könnte den Zusammenhalt der Währungsunion gewährleisten, der momentan eher gefährdet ist. Gerade weil das Gefährdungspotential durch die gegenwärtige Finanzarchitektur in vielen Euro-Ländern als derzeit hoch eingeschätzt wird, könnte ein solches gemeinsames Projekt erfolgreich sein. Dann hätte der Tabubruch doch noch seine guten Seiten gehabt.
Foto: Satellitenaufnahme/NASA