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Ramona Maria Kordesch wurde 1986 in Klagenfurt am Wörthersee geboren. Nach dem Studium der katholischen Theologie und der angewandten Relgionswissenschaften in Graz und Tübingen, fokussierte sie sich im Rahmen ihrer Promotion auf den interdisziplinären Dialog zwischen Theologie und Wirtschaft. Zusätzlich analysierte Kordesch im Rahmen ihrer Arbeit aktuelle wirtschafts-ethische Fragen der Kirche.
Seit Mai 2013 arbeitet Kordesch an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen und forscht dort als Mitglied des CISoC's über innovatiove Systeme für Wohlfahrtsorganisationen im Rahmen einer Projekt-Kooperation mit dem Diözesancaritasverband Rottenburg-Stuttgart.
„Wenden Sie sich nicht an mich, ich bin nicht Papst!“, soll – glaubt man dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel – der Papst emeritus Benedikt XVI. und frühere Präfekt der Glaubenskongregation Joseph Kardinal Ratzinger zu konservativen Kardinälen gesagt haben, die sich angeblich ratsuchend an ihn gewandt haben sollen, um die ehrwürdige Mutter Kirche vor einer allzu großzügigen Öffnung zu bewahren.
Tatsächlich jedoch schien die „Bedrohung“ von Anfang an weniger groß als befürchtet: Papst Franziskus hatte zur Vorbereitung der dritten außerordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode, die im Jahr 2015 eine Fortführung und ihren Abschluss findet, zum Thema „Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Rahmen der Evangelisierung“, gerufen. Vierzehn Tage lang tagten, sprachen und diskutierten 191 stimmberechtigte Mitglieder (Bischöfe), 16 Fachleute, 38 Auditoren und acht Repräsentanten anderer christlicher Kirchen im Beisein von Papst Franziskus in Rom zu Themen wie Ehe und Familie, den kirchlichen Umgang mit wieder verheirateten Geschiedenen und Homosexualität.
Für manchen vorschnellen Beobachter war die Hoffnung im Vorfeld so groß wie die Ernüchterung danach; kurz: Die katholische Kirche nimmt keine grundlegend neue Haltung gegenüber geschiedenen Eheleuten und Homosexuellen ein. Für einen Erfahrenen keine große Überraschung, denkt man an die Vorgaben der Beschlussfähigkeit mit einfachen und Zwei-Drittel-Mehrheiten und den nicht konstitutiven, außerordentlichen Charakter der Bischofssynode im Allgemeinen; von der Mehrzahl der konservativen Teilnehmer ganz abgesehen.
Nun mag man sich trotz der hohen Medienaufmerksamkeit sicherlich zu Recht nach Sinn und Nutzen dieser bischöflichen Zusammenkunft unter päpstlichem Vorsitz fragen. Zumal ja zumindest seitens der wissenschaftlichen Theologie schon einige prekäre Fragestellungen im Blick auf die „Zeichen der Zeit“ analysiert und im Lichte des Evangeliums gedeutet werden dürfen.
Besonders die paulinische Theologie verdeutlicht den Zusammenhang von der Sündigkeit des Menschen und dem bedingungsloses Gnadenhandeln Gottes durch das Christusgeschehen, das die Christenmenschen untereinander, vor allem aber die Kirche als Gemeinschaft derselben in die Verantwortung nimmt. So interpretiert der Tübinger Katholische Pastoraltheologe Ottmar Fuchs diesen Auftrag des Evangeliums Jesu Christi an die Kirche im Rahmen einer gerecht machenden Liebe, die gewissermaßen als Vorleistung Gottes, menschliche Versöhnung überhaupt ermöglicht und Heil für die Menschen schenkt.
In diesem Sinne sind die Sakramente der Kirche der Ort der zuverlässigen Gnadenerfahrung Gottes, insofern in ihnen innere Gnade und äußere Zeichen wirkungsmächtig zusammenkommen. Begreift sich die Kirche nach Maßgabe und Kategorie der Sakramentalität, so ergeht aus dieser theologischen Grundkonstitution vor allem eine Ermahnung an die Kirche, nicht durch prinzipielle Verweigerung der Teilnahme an den Sakramenten „sündige“ Menschen diese Zusage der unbegrenzten Liebe Gottes und damit auch die volle Erfahrung der Gemeinschaft des Glaubens einzuschränken. Würde die Kirche diese Ermahnung, die wesentlich in der Sendung der Kirche von Jesus Christus her begründet ist, nicht immer wieder neu ernst nehmen und sich in ihrem Sprechen und Handeln danach richten und richten lassen, dann würde die Kirche gewissermaßen Gottes Handeln in der und zum Heil der Welt selbst destruieren und sich dem „semper major“ der Gnade Gottes verweigern.
Das, was sich aus diesen theologischen Gedanken für das Ringen der Kirche um eine zeitgemäße Gestalt als unablässiger Auftrag zur Erneuerung (vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche LUMEN GENTIUM, Rom, 21.11.1964, Nr. 8: „Ecclesia in proprio sinu peccatores complectens, sancta simul et semper purificanda, poenitentiam et renovationem continuo prosequitur“) laut Ottmar Fuchs stellt, ist so schwierig wie deutlich: „Die Universalität der Liebe muss sich in der Gesetzlichkeit und Strukturalität der Kirche zeigen und darf nicht nur aus deren Kompensation aufgerufen werden, weil sonst die strukturelle Blockade immer wieder neu installiert wird.“
Was in Anschluss an Ottmar Fuchs‘ dargelegten Gedanken wieder in den Mittelpunkt gestellt wird, ist zum einen die nicht an Bedingungen geknüpfte Gewährung zur Teilhabe am kirchlichen Sakrament, zum anderen die Vergebung der menschlichen Sünde, dank des zuvorkommenden Gnadenhandelns Gottes. Aktuell ist die Arbeit der Bischofsynode noch nicht auf diese zentralen Fragestellung angelegt – ohnehin wäre hier ein Konzil gefragt - , jedoch verhandelt sie bereits Kategorien nicht nur der bloßen Akzeptanz sondern der respektvollen Anerkennung, was zumindest theologisch als Mindestmaß der Liebe gewertet werden kann. Insofern ist „der Plan von Franziskus“ – wie die Online-Ausgabe der Zeitschrift Die Zeit vom 19. Oktober vermeldet – „nicht ganz aufgegangen“, sondern darf im Rahmen der Pastoraltheologie seines Pontifikats als mutige, ermutigende und bewusste Auseinandersetzung mit brennenden Fragen der Zeit gewertet werden. Deshalb wären auch Prognosen bezüglich des tatsächlichen Ausgangs und manifester Ergebnisse der Synode im Jahr 2015 vorlaut, voreilig und unangebracht.
Was diese Synode jedoch deutlich hat erkennen lassen, ist, dass innerhalb der Bischofsversammlung wieder eine Streitkultur auf hohem, geistlichem Niveau aufgekommen ist, wie sie in entscheidenden Sitzungen des Zweiten Vatikanischen Konzils praktiziert wurde. Das zeigt sich auch in einer neuen Beziehungsfähigkeit und in der engagierten Suche nach einer grundlegenden „Responsivität“ zwischen Kirche und Welt. Es liegt in der Natur der Sache, dass sowohl in der Kirche als auch in der Welt zumindest gerungen, wenn nicht sogar gestritten werden muss. Der Papst versteht sich dabei als primus inter pares, was zum einen das überzeugende und motivierende Verhalten von Papst Franziskus während der jüngsten römischen Bischofsversammlung, zum anderen der Respekt des großen katholischen Theologen und Papst emeritus Benedikt XVI. für die Zuständigkeit seines Nachfolgers in vornehm wohlwollender Zurückhaltung bezeugt.
Titelbild: Catholic Church England and Wales / flickr.com
Bilder im Text: Catholic Church England and Wales / flickr.com
Beitrag (redaktionell unverändert): Dr. Ramona M. Kordesch
Redaktionelle Bearbeitung: Alina Zimmermann