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Ramona Maria Kordesch wurde 1986 in Klagenfurt am Wörthersee geboren. Nach dem Studium der katholischen Theologie und der angewandten Relgionswissenschaften in Graz und Tübingen, fokussierte sie sich im Rahmen ihrer Promotion auf den interdisziplinären Dialog zwischen Theologie und Wirtschaft. Zusätzlich analysierte Kordesch im Rahmen ihrer Arbeit aktuelle wirtschafts-ethische Fragen der Kirche.
Seit Mai 2013 arbeitet Kordesch an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen und forscht dort als Mitglied des CISoC's zusammen mit Prof. Dr. Stephan A. Jansen über innovatiove Systeme für Wohlfahrtsorganisationen im Rahmen einer Projekt-Kooperation mit dem Diözesancaritasverband Rottenburg-Stuttgart.
20.000€ und kein peinlicher Prozess – mit diesen Worten lässt sich die aktuelle Situation im Fall Tebartz-van Elst zusammenfassen. Vor wenigen Tagen stimmte der Limburger Bischof einer Zahlung in die Staatskasse zu, um ein Gerichtsverfahren zu umgehen. Damit ist ein weiteres Kapitel rund um den kirchlichen Würdenträger geschlossen. Bis die Geschichte endgültig erzählt ist und der Papst eine finale Entscheidung gefällt hat, werden noch einige Monate vergehen. Der Druck auf die katholische Kirche und ihr Image-Schaden werden vorerst bleiben.
Am Ende sei doch vor allem die Rolle der Medien interessant, sagt ZU-Theologin Dr. Ramona M. Kordesch: „Diese haben das vatikanische Urteil massiv beeinflusst und die Entscheidungsfindung beschleunigt.“ Das vorläufige Urteil – eine sogenannte Präventions-Suspension durch Papst Franziskus – hält Kordesch am Ende für „wohl überlegt“. Schließlich gelte es zu beachten, wie sehr die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gelenkt wurde. Da ging es um eine goldene Badewanne, einen Adventskranz oder einen erhöhten Toiletten-Sitz: „Bei Papst Franziskus ist es ähnlich: Seine bescheidenen Gesten, seine Schuhe, sein Wohnsitz, seine Mahlzeiten stehen im Mittelpunkt einer ‚Option für die Armen’-Politik – entsprechendes Marketing inklusive! Die damit verbundene kirchenpolitische Realität und die derzeitige Situation der Weltkirche, die eine äußerst brisante ist, stehen viel zu selten im Mittelpunkt der medialen Berichterstattung.“ Ganz davon abgesehen, habe sich van Elst auch einfach unüberlegt verhalten, urteilt Kordesch.
Nun ist van Elst ins Kloster „abgeschoben“ und die katholische Kirche hat Zeit, die Scherben zusammenzukehren, die der Limburger Bischof hinterlassen hat. Dass sich ein solcher Fall in Deutschland überhaupt ereignet, ist für Kordesch keine Überraschung. Denn das Scheitern sämtlicher Kontrollorgane ist für sie vor allem „beispielhaft für die fehlende Wirtschafts- und Managementkompetenz der Kirche.“
Gerade die Kirchensteuer und unzählige Abgaben, die der Staat jedes Jahr an die Kirche leistet, sind in der Debatte rund um den Limburger Bischof wieder in den Vordergrund getreten. Die sofortige Abschaffung solcher Maßnahmen fordern die schärfsten Kritiker. Doch Kordesch warnt vor übereilter Meinungsmache: „Die Kirche leistet im Sinne ihrer Weltzuwendung sozial und politisch bedeutsame Arbeit!“ Gerade die Institutionen des kirchlichen Grundauftrags der Diakonie – konkret die Caritas auf katholischer und das Diakonische Werk auf evangelischer Seite – seien auf regelmäßige Zahlungen angewiesen. „Wenn die Kirchensteuer gestrichen wird, dann hat der soziale Dienst der Kirche keine Überlebenschancen mehr. Der kirchlich-diakonische Dienst – institutionalisiert über die Wohlfahrtsverbände – könnte dem Marktdruck der Sozialwirtschaftsbranche nicht mehr standhalten und mit ihm würde wichtiges Element gesellschaftlicher Kohäsion wegfallen“, warnt Kordesch.
„Wie konnte das passieren?“, das ist auch für Kordesch die Frage, die offen bleibt. 30 Millionen seien durch so viele Instanzen geflossen, dass die Ausgaben nie genau hinterfragt wurden – „Man hat Tebartz-van Elst einfach gewähren lassen – Punkt“, schlussfolgert Kordesch.
Wer die kirchliche Wirtschaft allerdings an einem wirklich wunden Punkt treffen will, der dürfe nicht beim Haushalt ansetzen. Dieser müsse schließlich klar offengelegt werden. „Wesentlich dringender muss ein Blick auf kirchliche Investments geworfen werden“, sagt Kordesch. Hier entstünde ein Freiraum für die Kirche, schließlich gäbe es momentan noch keine allgemeingültigen Compliance-Regeln und ethischen Standards für kirchliches Investment: „Rüstung, Abtreibung, Todesstrafe oder Pornographie sind grundsätzliche Ausschlusskriterien, zudem könnte der Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden, der unternehmerisches Handeln auf seine Kultur- und Sozialverträglichkeit prüft, schon eine Richtschnur sein. Grundsätzlich jedoch ist jedes Anlageuniversum der Kirche zu überprüfen, da die Kirche es sich nicht leisten kann und darf, die Ethik-Verantwortung auf Banken abzuschieben.“
„Grundsätzlich sind solche Standards aber noch nicht flächendeckend durchgesetzt.“ Aber warum muss die Kirche in Finanzmärkten mitmischen? „Der Grund ist die Verpflichtung der Diözesen, die Pensionsansprüche ihrer Priester zu sichern und das nötige Geld sinnvoll anzulegen. Die Rendite aus dem angelegten Geld aber muss im diözesanen Haushalt nicht offengelegt werden und dann kann es natürlich passieren, dass ein Bischof sich für über 30 Millionen eine neue Residenz baut“, erklärt Kordesch.
Vielleicht dauerte es also gerade deshalb so lange, bis jemand auf die Bauvorhaben des in Verruf geratenen van Elst aufmerksam wurde. Denn auch der Vatikan hat nicht interveniert. Für Kordesch ist die römische Passivität wenig verwunderlich, kommt es aber zum medialen Eklat, dann gilt das alte Sprichwort: „Roma locuta, causa finita.“ – „Rom hat gesprochen, der Fall ist beendet.“
Um in kirchenpolitischen Belangen künftig vor Ort schneller reagieren zu können, müsse man einen kirchenpolitischen Paradigmenwechsel einschlagen: „Aufwertung der Ortskirche in ihrer Selbstverwaltung auf Basis des Subsidiaritätsprinzips lautet das Gebot der Stunde! Gerade im Fall Tebartz-van Elst, wenn der Bischof bei den eigenen Priestern seinen Rückhalt verliert, wird die Notwendigkeit einer solchen Reform deutlich“, so Kordesch.
Was lehrt uns der Skandal um die Limburger Bischofs-Residenz am Ende aber? Möglicherweise handele es sich bei dem momentanen Zorn der Bürger doch weniger um ein kritisches Nachbohren als um eine Projektionsfläche für eine generelle Unzufriedenheit mit der Kirche, vermutet Kordesch. Ob Papst Franziskus – für manchen Geschmack etwas zu hoffnungsvoll – der Reformer genannt, es schaffen wird eine „Kirche der Armen“ auch institutionell zu verankern, wird empfindlich offen bleiben. Dass die „Zeichen der Zeit“ für einen Aufbruch – wie jener am Vorabend des Vatikanischen Konzils verkündete – günstig sind, ist nicht zu übersehen. „Quo vadis, ecclesia?“, fragt Kordesch und gibt sich sogleich die Antwort: „Es bleibt spannend!“
Titelbild: Lawrence OP (CC BY-NC-ND 2.0)
Bilder im Text: Medienmagazin pro (CC BY 2.0) | Deutscher Caritasverband (Pressebilder) | Bistum Limburg (Pressebilder)