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Ulrich „Uli“ Hoeneß, geboren am 5. Januar 1952 in Ulm, ist ein deutscher Unternehmer, ehemaliger Fußballfunktionär und -spieler. Als aktiver Fußballspieler gewann Hoeneß in den 1970er Jahren mit dem FC Bayern München nahezu alle wichtigen Titel im Vereinsfußball. Mit der deutschen Nationalmannschaft wurde er 1972 Europameister und 1974 Weltmeister.
Nach seiner aktiven Karriere übernahm Hoeneß das Management beim FC Bayern und trug dazu bei, den Verein finanziell und sportlich zu einem der weltweit erfolgreichsten Fußballvereine zu machen. Ab November 2009 war er Präsident des FC Bayern München e. V., seit März 2010 Vorsitzender des Aufsichtsrats der FC Bayern München AG.
Hoeneß wurde am 13. März 2014 von der 5. Strafkammer des Landgerichts München II wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Er trat daraufhin von seinen Funktionen als Präsident des FC Bayern München e. V. und als Vorsitzender des Aufsichtsrats der FC Bayern München AG zurück.
(Kurzzusammenfassung: wikipedia.org)
Vergangene Woche endete das ohnehin schon an Überraschungen reiche Steuerstrafverfahren gegen den ehemaligen Präsidenten des FC Bayern München mit einer weiteren Überraschung. Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft verzichteten auf die Revision. Dabei wäre diese Revision zulässig gewesen, denn ganz unabhängig von möglichen Verfahrensfehlern standen einige grundsätzliche Rechtsfragen zur Klärung an. Nämlich wie genau eine Selbstanzeige sein muss, um strafbefreiend zu sein, ob Medienberichte über einen Bundesligamanager ausreichen, um die Freiwilligkeit der Selbstanzeige auszuschließen und wie sich eigentlich eine misslungene Selbstanzeige auf das Strafmaß auswirken kann. Alles Fragen, die nicht nur aus juristischer Sicht der Klärung bedürfen.
Während bei Ulrich H. der Verzicht auf die Revision angesichts des relativ milden Urteils und des Rufs des zuständigen ersten Senats des BGH als „Angeklagten-feindlich“ und der Möglichkeit, sich durch die Annahme des Urteils „Respekt“ zu erwerben, noch verständlich erscheint, ist es schon erstaunlich, dass auch die Staatsanwaltschaft nicht in Revision ging. Schließlich hatte sie eine deutlich höhere Strafe gefordert. Außerdem bestand die Möglichkeit, durch eine Entscheidung des BGH eine größere Rechtssicherheit im Umgang mit Selbstanzeigen zu erreichen.
Die Staatsanwaltschaft sollte eigentlich als rechtsstaatliche Institution ein Interesse an der Klärung dieser Fragen haben. Die Staatsanwaltschaft hielt aber das Strafmaß im Urteil am Ende für vertretbar, und die Klärung der Rechtsfragen stand nicht im Vordergrund.
Das hat nun für die vielen Steuerpflichtigen, die mit einer Selbstanzeige straffrei wieder ehrlich werden wollen, unangenehme Konsequenzen. Sie müssen mit der Rechtsunsicherheit weiter leben. Wie genau muss ich die Anzeige aufbereiten, darf ich einen Fehler machen, zum Beispiel bei der Einordnung eines Kapitalmarktproduktes, muss ich den hinterzogenen Steuerbetrag genau ausrechnen? Und wenn ich solche Fehler mache, führt die misslungene Selbstanzeige wenigstens zur Strafmilderung?
Diese Unsicherheit bleibt, und es ist durchaus im Interesse des Fiskus, dass es so bleibt. Da unser Steuerrecht eine Komplexität erreicht hat, die auch die Steuerverwaltung an die Grenze der Leistungsfähigkeit bringt, ist es ein angenehmer Effekt dieser Unsicherheit, dass die Finanzverwaltung alles mundgerecht serviert bekommt. Würden niedrigere Anforderungen gestellt, dann müsste man mehr arbeiten. Würde höhere Anforderungen gestellt, würden wahrscheinlich viele Selbstanzeigen unterbleiben, weil sich kaum Steuerberater finden würden, die solche Risiken eingingen. Beides ist nicht im Interesse des Fiskus. Denn es geht um üppige Ablasszahlungen. Und die Pläne der Länderfinanzminister gehen dahin, die Bedingungen noch zu verschärfen, was in der Sache auf höhere Strafzinsen hinausläuft und damit noch mehr Ablassgeld für den Fiskus.
Man muss damit leider mal wieder feststellen, dass der Rechtstaat im Steuerrecht zunehmend an seine Grenzen stößt. Das hat vielfältige Gründe. Einer davon ist die wachsende Komplexität des Systems und die offensichtlich ungebremste Gier des Staates nach mehr Einnahmen, weil man dann noch mehr ausgeben kann. In Zeiten der Hochkonjunktur und sinkender Arbeitslosigkeit reicht nicht mal ein Rekord an Steuereinnahmen aus, Überschüsse zu erwirtschaften, um die Schuldenlast zu senken. Da kommen dann die Einnahmen aus den Selbstanzeigen gerade recht. Aber auch diese sind nicht unendlich, da irgendwann alle Hinterzieher sich selbst angezeigt haben.
Aber dann kann man ja den Hinterziehungstatbestand ausweiten. Das geschieht gerade, indem man jetzt eine Reihe von Banken, Steuerberatern und Investoren strafrechtlich verfolgt, weil sie von einer durch den Gesetzgeber bewusst gelassenen Besteuerungslücke Gebrauch gemacht hätten. Der Gesetzgeber hatte nämlich im Jahr 2006 und 2002 im vollen Bewusstsein die Möglichkeit geschaffen, dass Kapitalertragsteuer bei sogenannten Cum-Ex-Geschäften mehrfach angerechnet werden kann. Dies ist ein weiteres Beispiel, wie die Komplexität der Materie - hier der Kapitalmarkt gepaart mit der Gier, möglichst viel Steuern abzugreifen - am Ende zu einem möglichen Milliardenschaden für den Fiskus führt, den dieser jetzt durch strafrechtliche Verfolgung der vermeintlichen Nutzer auszugleichen sucht.
Der Fehler bestand einfach darin, dass auf Grund der Anonymität der Aktiengeschäfte und der Möglichkeit der Aktienleihe die Kapitalertragsteuer für Dividenden börsennotierter Unternehmen erstattet werden konnte, ohne das sichergestellt war, dass nicht bereits zuvor eine Dividendenanrechnung stattgefunden hatte. Diese Möglichkeit war dem Gesetzgeber bekannt, sie stand sogar in der Gesetzesbegründung. Nun werden diejenigen verfolgt, die solche Geschäfte gemacht haben. Die systematische Ausnutzung einer von Gesetzgeber gelassenen Lücke lautet der Vorwurf.
Denkt man das weiter, kann man polemisch formuliert sagen, dass das Steuerecht jetzt so komplex geworden ist, dass der Steuerpflichtige die Fehler des Gesetzgebers erkennen muss und verständnisvoll darauf verzichten soll, sie zu nutzen. Er muss gewissermaßen klüger sein als der Gesetzgeber. Dass man als Grundrechtsträger eigentlich nur verpflichtet ist, Steuern zu zahlen, wenn das Gesetz dies eindeutig bestimmt und ansonsten frei ist, gilt hier nicht mehr. Unmoralischer Freiheitgebrauch wird bestraft.
Der Fall Ulrich H. hat eine hohe Aufmerksamkeit erzielt. Er hätte die Chance geboten, grundsätzlich über die Pflichten des Bürgers in einem immer komplexeren Steuerrecht nachzudenken und diese gegebenenfalls neu zu bestimmen. Die Chance wurde vertan und der Rechtsstaat hat den Schaden.
Titelbild: Hubert Burda Media / flickr.com
Bilder im Text: m.p.3., BAMBI 2010, jhalstein / flickr.com