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Die Ökokalypse und das Klima der Endzeit
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Endzeitvorstellungen

Die Ökokalypse und das Klima der Endzeit

von Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht | Zeppelin Universität
18.05.2018
Auch auf einem Planeten mit erhöhten Temperaturen und geringerer Landmasse werden Menschen leben können, wenn sie mit präzisen Zielvorstellungen neue ökologische Einsichten und technologische Möglichkeit einsetzen, statt sich in pauschalen Selbstanklagen – und das heißt letztlich: im Selbstmitleid des neuen apokalyptischen Klimas – moralisch wohlzufühlen.

Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht
Gastprofessur für Literaturwissenschaften
 
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    Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht

    Der gebürtige Würzburger Professor Dr. Hans Ulrich Gumbrecht ist ständiger Gastprofessor für Literaturwissenschaften an die Zeppelin Universität. Er studierte Romanistik, Germanistik, Philosophie und Soziologie in München, Regensburg, Salamanca, Pavia und Konstanz. Seit 1989 bekleidete er verschiedene Professuren für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften der Stanford University. Einem breiteren Publikum ist er bereits seit Ende der 1980er-Jahre durch zahlreiche Beiträge im Feuilleton vor allem der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Neuen Zürcher Zeitung sowie durch seine Essays bekannt. Darin befasst er sich immer wieder auch mit der Rolle des Sports. Gumbrecht ist bekennender Fußballfan und Anhänger von Borussia Dortmund.  

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Aus einer Verachtung, Ironie oder freundlichstenfalls herablassendes Mitleid erweckenden Praxis von religiösen Sekten und ihren dramatischen Propheten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten Diskurse über das drohende Ende der uns vertrauten Welt schnell zu einem globalen Horizont des menschlichen Lebens entwickelt. Dabei ist an die Stelle eines Registers aus apokalyptischen Bildern und schrillen Tonlagen ein wissenschaftlich nüchterner Duktus in der Beschreibung vielfacher Gefahren getreten, die sich aus der Zukunft wie ein unaufhaltsames Schicksal auf die Menschheit zubewegen sollen und längst schon den früher als ebenso offen wie gestaltbar vorgestellten Horizont der Zukunft besetzt, abgelöst und gleichsam blockiert haben: Erderwärmung, Erschöpfung der Energie- und Rohstoffquellen, demografische Entwicklung – wir mögen noch eine Chance haben, mit äußerster kollektiver Anstrengung den Rhythmus in der Entfaltung ihrer Auswirkungen zu verlangsamen, aufhalten werden wir diese neuen Reiter der Apokalypse nicht.

Natürlich beschreibe ich eine Stimmung, ein existentielles Klima – und nicht physikalische oder ökologische Wirklichkeiten, so ernst ich auch viele jener Befunde nehme (und keinesfalls durch „alternative Tatsachen“ problematisieren möchte). Das apokalyptische Klima hat nicht nur unsere Zukunft, sondern auch die Struktur unserer Gegenwart umgestaltet. Wenn an die offene Zukunft als Bedingung des Fortschrittsglaubens eine von dem Dichter Charles Baudelaire schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts als „unwahrnehmbar kurzer Moment des Übergangs“ beschriebene Gegenwart gebunden war, so hat sich mittlerweile ein anderer, „Anthropozän“ genannter Gegenwartsbegriff zu einem zeitlichen Maximum ausgedehnt, welches die gesamte vorstellbare Geschichte der Menschheit umfasst. Das Wort soll zugleich den Beginn der schädlichen Auswirkungen menschlicher Präsenz auf die Ökosphäre unseres Planeten und das bevorstehende Ende der Menschheit markieren, doch während seine ersten Verwendungen um 2000 den Beginn des Anthropozäns mit den industriellen Revolutionen des vergangenen Jahrhunderts assoziierten, zeichnet sich jetzt eine radikalisierende Tendenz ab, welche diesen Beginn auf das erste Erscheinen des Homo sapiens zurückverlegt – und oft auch eine Verantwortung der Menschen als Gattung für ihren bevorstehenden eigenen Untergang suggeriert.

„Muss nur noch kurz die Welt retten“, sang Pop-Barde Tim Bendzko in seinem ersten großen Hit im Jahr 2011. Laut dem dritten Teil des Weltklimaberichtes, der vier Jahre zuvor erschien, hat die Menschheit nur bis zum Jahr 2020 Zeit, um durch die Einführung effizienter Technologien eine Klimakatastrophe zu verhindern. Doch dürfen Wissenschaftler die Apokalypse ausmalen, um vor der Erderwärmung zu warnen? Kritiker warnen vor solchen „Klima-Pornos“ – das führe erst recht zu Resignation und Verzweifelung. „Das Ökosystem der Erde wird brodeln“, heißt es in einem Artikel, der im Herbst vergangenen Jahres im US-Magazin „New York“ erschien. Der Autor David Wallace-Wells beschreibt darin, welche extremen Folgen des Klimawandels Forscher für möglich - wenn auch für ziemlich unwahrscheinlich - halten. Dafür fütterte er den Drachen auch noch mit Aufputschmitteln. Er setzte nicht nur voraus, dass die Freisetzung von Treibhausgasen ungebremst weitergeht, sondern der Klimawandel verstärke sich sogar noch, weil die Permafrostregionen der Erde auftauen und große Mengen Methan freisetzen. Einen „Klima-Porno“ nannte ein Forscher den Artikel, andere kritisierten inhaltliche Fehler, auf den Punkt bringt es wohl ein anderer Wissenschaftler: „Die Beweise, dass der Klimawandel eine ernsthafte Herausforderung ist, sind sehr klar“, schrieb etwa der prominente Klimaforscher Michael Mann von der Pennsylvania State University in der „Washington Post“. „Es ist nicht nötig zu übertreiben, besonders wenn das eine lähmende Geschichte von Verderben und Hoffnungslosigkeit nährt.“
„Muss nur noch kurz die Welt retten“, sang Pop-Barde Tim Bendzko in seinem ersten großen Hit im Jahr 2011. Laut dem dritten Teil des Weltklimaberichtes, der vier Jahre zuvor erschien, hat die Menschheit nur bis zum Jahr 2020 Zeit, um durch die Einführung effizienter Technologien eine Klimakatastrophe zu verhindern. Doch dürfen Wissenschaftler die Apokalypse ausmalen, um vor der Erderwärmung zu warnen? Kritiker warnen vor solchen „Klima-Pornos“ – das führe erst recht zu Resignation und Verzweifelung. „Das Ökosystem der Erde wird brodeln“, heißt es in einem Artikel, der im Herbst vergangenen Jahres im US-Magazin „New York“ erschien. Der Autor David Wallace-Wells beschreibt darin, welche extremen Folgen des Klimawandels Forscher für möglich - wenn auch für ziemlich unwahrscheinlich - halten. Dafür fütterte er den Drachen auch noch mit Aufputschmitteln. Er setzte nicht nur voraus, dass die Freisetzung von Treibhausgasen ungebremst weitergeht, sondern der Klimawandel verstärke sich sogar noch, weil die Permafrostregionen der Erde auftauen und große Mengen Methan freisetzen. Einen „Klima-Porno“ nannte ein Forscher den Artikel, andere kritisierten inhaltliche Fehler, auf den Punkt bringt es wohl ein anderer Wissenschaftler: „Die Beweise, dass der Klimawandel eine ernsthafte Herausforderung ist, sind sehr klar“, schrieb etwa der prominente Klimaforscher Michael Mann von der Pennsylvania State University in der „Washington Post“. „Es ist nicht nötig zu übertreiben, besonders wenn das eine lähmende Geschichte von Verderben und Hoffnungslosigkeit nährt.“

Zugleich macht sich – immer im distanzierten Gestus der Naturwissenschaften – ein neuer „Millenarismus“ breit, der – ganz ähnlich wie die obsessiven Prognosen des Weltendes vor der ersten Jahrtausendwende – jegliche ökologischen und meteorologischen Veränderungen auf kollektive Überlebensrisiken und Überlebensunwahrscheinlichkeiten hochrechnet. Natürlich haben auch diese Prognosen und Projektionen heute ihre warnende Berechtigung – trotz einer schwer erträglichen Haltung des Moralismus, die sie nicht selten durchdringt. Dort erscheinen möglicherweise bevorstehende Umweltkatastrophen als Bestrafungen der Menschheit seitens einer Natur, welche sich für eine unverantwortlich aggressive Behandlung durch menschliche Kultur und menschliche Technologien rächt. In einer etwas anspruchsvollen, gleichsam „tragisch“ gefassten Version desselben Diskurses sollen die Menschen für ihre vermeintliche Anmaßung leiden, die Rolle des allmächtigen Gottes in ihrer Verfügung über die Erde übernommen zu haben. Als hätten die Kapitalisten des 19. oder die Ingenieure des frühen 20. Jahrhunderts die ökologischen Folgen ihrer Produktionsraten oder ihrer Erfindungen auch nur ahnen können!

Noch einmal: Nichts könnte heute unverantwortlicher sein als jenes Einklammern der tatsächlich alarmierenden Befunde über den Zustand der Umwelt menschlichen Lebens – wie es zum Beispiel Donald Trump weltöffentlich vorlebt. Geradezu peinlich wirkt ein anderer, gelegentlich auftauchender Gestus der Gegenmoralisierung, der ökologisch-politische Forderungen als Symptome eines politisch-sozialen Undanks von allzu gut versorgten und sicher behüteten Bevölkerungsschichten zu denunzieren sucht. Aber müssen wir uns andererseits wirklich jenen apokalyptischen Ton, jene fast selbst-schadenfrohe Moralisierung und alle anderen Anklänge an wenig ruhmreiche, „millenaristische“ Zeiten in der Geschichte religiöser Praxis zumuten? Gibt es dazu keine Alternative, wenn wir ökologisch engagiert sein wollen?


Wahrscheinlich ist eine Distanznahme vom apokalyptischen Ton allerdings mehr als nur eine Frage des konsequent guten Willens zur Säkularisierung. Eine theologiegeschichtliche Überlegung kann uns helfen, grundlegende Affinitäten zwischen den religiösen und den ökologisch-säkularen Diskursen zu entdecken und zu verstehen. Sie geht von der Beobachtung aus, dass Bilder von einer endzeitlichen Krise, die in eine Transformation der bestehenden Welt mündet, zu allen monotheistischen Religionen gehören. Den meisten von uns sind sie in der christlichen Gestalt des „Jüngsten Tages“ vertraut, wo die Erlösung der Menschheit von der Erbsünde ihrer Ur-Eltern durch den Kreuzestod Christi erst ihren eigentlichen Endpunkt und ihre wahre Einlösung erreichen soll. Aber auch der Islam kennt die Vorstellung von einer apokalyptischen Krise und einer anschließenden Heiligung der Welt – und hat besonders ausführliche Listen jener „Zeichen“ entwickelt, in denen sich die Nähe der Endereignisse angeblich ankündigen wird. Diesen islamischen und christlichen Versionen der Apokalypse geht historisch die jüdische Hoffnung auf das Kommen des Messias und die Erhebung der bestehenden zu einer besseren Welt voraus.

Nun gibt es eine für jeden Monotheismus unvermeidliche Logik, welche diese Konvergenz der Endzeitvorstellungen erklärt. Wenn der eine Gott als „vollkommen“ gedacht wird, dann muss sich solche Vollkommenheit auch auf die Welt als seine Schöpfung ausdehnen. Auf der anderen Seite gelangen Menschen in ihrer Selbstbeobachtung wohl immer zu dem Eindruck, dass sie hinter jener Vollkommenheit der Schöpfung, welche sie bewohnen, zurückbleiben müssen, dass sie ihr nicht genügen, ihr äußerlich werden – und deshalb die ihnen von Gott anvertraute Welt veruntreuen. Hier genau liegt der Ursprung des christlichen Theologems – oder der mythischen Erzählung – von der Erbsünde, die ihre Entsprechungen in den prophetischen Texten des Judentums und des Islam hat. Angesichts solcher Veruntreuung seiner Schöpfung durch die Menschen aber wird – als letzte theologische Konsequenz – die Projektion einer Wiederkehr Gottes notwendig, die Vorstellung einer Rückkehr, durch die nach einer je verschieden beschriebenen Bestrafung der Menschen ihre und Gottes Welt der letzten Bestimmung als konkrete Vollkommenheit zugeführt wird.

In unserer seit der Frühen Neuzeit fortschreitend säkularisierten Wirklichkeit – dies ist wohl kaum eine riskante These – hat das naturwissenschaftliche Weltbild (vor allem auf der Grundlage von Isaac Newtons Physik) den Ort der Welt als göttliche Schöpfung – und tendenziell wohl auch die Rolle des monotheistischen Gottes selbst – neu besetzt. Je mehr sich dieses neue Bild von der „Welt “zu einem Bild des „Universums“ ausgeweitet und damit an Komplexität gewonnen hat, desto marginaler, unwahrscheinlicher und einfach auch enttäuschender (wie der Ideengeschichtler Hans Blumenberg immer wieder unterstrichen hat) wurde die Sicht der Menschen von ihrem eigenen Status im Universum. Der Begriff des „Anthropozäns“ ist ein (zumindest vorläufiger) Endpunkt – und eine vorerst letzte Konsequenz – in der Geschichte des naturwissenschaftlichen Weltbildes.

Einer der bekanntesten Verfechter einer „Ökokalypse“: Der Astrophysiker Stephen Hawking. Der kongeniale Wissenschaftler starb am 14. März 2018 – wenige Tage nach seinem Tod sorgte aber ein Aufsatz für großes Aufsehen. Die 16-seitige Abhandlung trägt den Titel „A Smooth Exit of Eternal Inflation?“ (zu deutsch: Ein sanfter Ausstieg aus dem weigen Aufblähen?) und wird derzeit von einer Fachzeitschrift begutachtet. Hawking bezieht sich in der Arbeit auf Überlegungen aus den 1980er-Jahren. Damals beschrieb er, wie das Universium durch einen Urknall entstanden sein könnte. Dieser sei aber nicht alleine passiert, sondern von vielen weiteren begleitet worden, schreibt die Tageszeitung „WELT“. „Auf Basis dieser Berechnungen vermuten wir, dass das Ende der unendlichen Ausweitung des Universums nicht ein unendliches, fragmentiertes Multiversum ist, sondern ein endliches“, schreiben Hakwing und sein Kollege Thomas Hertog laut der „Huffington Post“. Schon im Winter vergangenen Jahres warnte Hawking vor dem Ende der Welt: Im Jahr 2600 werde die Erde sich in einen riesigen Feuerball verwandeln. Grund für diese Entwicklung seien die fatalen Folgen der Erderwärmung, steigende Temperaturen, Ressourcenknappheit, Entwaldung und das Aussterben zahlreicher Tierarten.
Einer der bekanntesten Verfechter einer „Ökokalypse“: Der Astrophysiker Stephen Hawking. Der kongeniale Wissenschaftler starb am 14. März 2018 – wenige Tage nach seinem Tod sorgte aber ein Aufsatz für großes Aufsehen. Die 16-seitige Abhandlung trägt den Titel „A Smooth Exit of Eternal Inflation?“ (zu deutsch: Ein sanfter Ausstieg aus dem weigen Aufblähen?) und wird derzeit von einer Fachzeitschrift begutachtet. Hawking bezieht sich in der Arbeit auf Überlegungen aus den 1980er-Jahren. Damals beschrieb er, wie das Universium durch einen Urknall entstanden sein könnte. Dieser sei aber nicht alleine passiert, sondern von vielen weiteren begleitet worden, schreibt die Tageszeitung „WELT“. „Auf Basis dieser Berechnungen vermuten wir, dass das Ende der unendlichen Ausweitung des Universums nicht ein unendliches, fragmentiertes Multiversum ist, sondern ein endliches“, schreiben Hakwing und sein Kollege Thomas Hertog laut der „Huffington Post“. Schon im Winter vergangenen Jahres warnte Hawking vor dem Ende der Welt: Im Jahr 2600 werde die Erde sich in einen riesigen Feuerball verwandeln. Grund für diese Entwicklung seien die fatalen Folgen der Erderwärmung, steigende Temperaturen, Ressourcenknappheit, Entwaldung und das Aussterben zahlreicher Tierarten.

Er bildet mit dem ökologisch zu erklärenden Ende der Menschheit eine säkulare Version des „Jüngsten Tages“ aus – und es fehlt ja beileibe nicht an Stimmen, die eine von den Menschen befreite Erde und ein von den Menschen befreites Universum für eine bessere Erde und ein besseres Universum halten. Dagegen gehörte während des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts – angesichts eines im Vergleich zu unserer Gegenwart rudimentären Stadiums der modernen Naturwissenschaften – eine Umgestaltung des eigenen Planeten und auch eine Besiedlung benachbarter Planeten noch zu den optimistischen Lieblingsbildern von einer durch Menschen zu gestaltenden Zukunft. Solche Utopien sind in dem Maß verblasst, wie unsere Vorstellung des Universums an überwältigender Komplexität gewann – und wir selbst in diesem Universum immer marginaler wurden.

Ein weiterer Aspekt in der Gegenüberstellung von religiösen und naturwissenschaftlich säkularen Endzeitvorstellungen betrifft die Verbindung der Bilder von der Apokalypse mit je spezifischen Räumen und Orten. So eindeutig gehörte zum Gedanken an den Jüngsten Tag der Glaube, dass der Messias in Jerusalem erscheinen und dort zuerst die Toten in ihren Gräbern auferwecken werde, dass etwa die Templer – eine Sekte aus Württemberg – vor 1900 dorthin übersiedelten und Häuser bauten, die heute noch als Kern einer „Deutschen Kolonie“ bekannt sind. Andere apokalyptische Raumbilder gehören zu Orten der Bestrafung – wobei im einen wie im anderen Fall als Voraussetzung gilt, dass die ganze von Gott geschaffene Welt in ihrer materiellen Form über die Endzeit hinaus existieren und eben ihrer ursprünglichen Bestimmung zugeführt werden soll. Der Moment des Endes der alten Welt hingegen ist dann meist auf einen spezifischen Punkt innerhalb der gesamten Welt begrenzt. Dementsprechend bleibt auch in der säkularen Version unserer naturwissenschaftlichen Gegenwart das mögliche Ende der Menschheit ein auf den Planeten „Erde“ begrenztes, sozusagen lokales Ereignis ohne denkbare Konsequenzen für den Rest des Universums (und selbst diese Bedingung gehört zur Geschichte der neuzeitlichen Enttäuschung der Menschen über ihren eigenen kosmischen Status).

Aber kann der Versuch einer Aufklärung über die theologischen Hintergründe unserer Vorstellungen von der Menschheitszukunft dabei helfen, eine weniger dramatische und vor allem weniger moralistische Version dieser Gedanken zu formulieren? Die so eigenartig wie nachhaltig beliebte (und bis in die Verästelungen des Alltags hinein als zutreffend unterstellte) Geschichte über die Bestrafung der sich vermeintlich Allmacht anmaßenden Menschen durch die misshandelte Natur ist ja – wie bereits angedeutet – schon allein deshalb unannehmbar, weil sie einen Stand des naturwissenschaftlichen Wissens und mithin der möglichen Verantwortlichkeit zum Zeitpunkt der gravierendsten Umweltschädigungen voraussetzt, wie er damals keinesfalls gegeben war.

Ein anderer Diskurs mit ähnlich starken Tendenzen zur Moralisierung stellt seine Hoffnungen zusammen mit allen Normen ökologischen Wohlverhaltens trotzig auf das Ziel ein, mit dem Überleben der Menschheit auf Ewigkeit zu setzen. Ein solches Ziel erinnert dann wirklich an jene Zeiten, wo Menschen sich noch fast selbstverständlich für die Herren der Erde und sogar des Universums hielten – und zu ihnen gehörte auch eine späte Stufe der anthropozentrischen Science Fiction-Fantasie von der herausgehobenen Stellung im galaktischen Kontext und in der Unendlichkeit des Universums.

Als weder apokalyptisch noch anthropozentrisch kann eigentlich allein die Bemühung gelten, sich individuell und kollektiv auf die jeweils nächsten Herausforderungen der Umwelt bestmöglich einzustellen, „bestmöglich“ einfach mit jenen Maßnahmen, die das Überlebensrisiko minimal halten. Denn auch auf einem Planeten mit erhöhten Temperaturen und geringerer Landmasse werden Menschen leben können, wenn sie mit präzisen Zielvorstellungen neue ökologische Einsichten und technologische Möglichkeit einsetzen, statt sich in pauschalen Selbstanklagen – und das heißt letztlich: im Selbstmitleid des neuen apokalyptischen Klimas – moralisch wohlzufühlen. Nicht nur in Chile werden heute zum Beispiel über das 19. Jahrhundert entstandene Monokulturen der Bewaldung systematisch durch eine Rückkehr zu gemischten Ökosystemen ersetzt, die den Rhythmus bei der Veränderung lokaler Temperaturen bereits herabgesetzt haben soll.

Für solche Maßnahmen zu einer realistischen Umstellung der Lebensbedingungen brauchen die beiden Fragen eigentlich keine Rolle zu spielen, ob die ökologisch prekäre Situation der Menschheit selbstverschuldet und ob die Verewigung der Menschen denkbar ist. Auch mit Erfolgsgarantien sollte man nicht rechnen – denn die könnten ja nur von einem Gott kommen, den zu ersetzen wir tatsächlich nicht versuchen wollen.

Der Artikel ist am 09.05.2018 unter dem Titel „Das quasi-religiöse Gerede vom Weltuntergang“ auf WELT ONLINE und am 06.05.2018 in der WELT am SONNTAG erschienen. 


Titelbild: 

| Myriams-Fotos / Pixabay.com (CC0 Public Domain) | Link


Bilder im Text: 

| Ben Cliff / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link

| Shane Rounce / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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