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Künstliche Intelligenz

Selbst entscheiden

von Jan Etscheid | Zeppelin Universität
18.03.2020
Dem ganzen Bündel an Fragestellungen rund um künstliche Intelligenz sollten sich Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Bürgerschaft und Wirtschaft zeitnah nähern, insbesondere ehe andere Akteure im Rahmen ihres KI-Digitalimperialismus passende Antworten finden und so die künftige Entwicklung der Digitalen Transformation dominieren, ohne dass auf deren Gestaltung noch Einfluss genommen werden kann.

Jan Etscheid
Akademischer Mitarbeiter am The Open Government Institute | TOGI und am Lehrstuhl für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformatik
 
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    Zur Person
    Jan Etscheid

    Jan Etscheid ist seit August 2017 akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformatik am The Open Government Institute | TOGI an der Zeppelin Universität. 2017 schloss er dort sein Masterstudium in Politics, Administration and International Relations nach Studienaufenthalten in Bukarest, Zürich und London mit einer Abschlussarbeit zur elektronischen Aktenführung ab. Er forscht zu künstlicher Intelligenz und deren Anwendung im öffentlichen Sektor. Daneben gibt er Bachelor-Lehrveranstaltungen im Fachgebiet der Verwaltungswissenschaften. 

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    Factbox
    Zum Weiterlesen: Künstliche Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung

    Was ist Künstliche Intelligenz und wie wird sie in den kommenden Jahren die Organisation und Arbeitsweisen der öffentlichen Verwaltung verändern? Mit dieser Fragestellung hat sich The Open Government Institute | TOGI der Zeppelin Universität im Auftrag der Digitalakademie@bw Baden-Württemberg in den vergangenen Monaten intensiv auseinandergesetzt. Das vorliegende Papier ist das Ergebnis dieser wissenschaftlichen Annäherung. Es soll einen Überblick der Fähigkeiten und Einsatzmöglichkeiten Künstlicher Intelligenz im öffentlichen Sektor liefern und gleichzeitig den Entscheidungsträgern aus Politik und Verwaltung die Abwägung der damit verbundenen Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken erleichtern. 

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Nicht nur im Kontext der Verwaltungsdigitalisierung ist künstliche Intelligenz zu einem der prägenden Begriffe geworden. Die damit verbundenen technischen Ansätze werden von vielen Akteuren zu einer modernen, zukunftsfähigen Technologie hochstilisiert: Viele Unternehmen und Organisationen beschäftigen sich derzeit mit den sich daraus ergebenden Möglichkeiten; Regierungen und Interessensverbände weltweit entwickeln und verabschieden Strategien zur Förderung und Anwendung von künstlicher Intelligenz in unterschiedlichen Sektoren und Regionen. Gleichzeitig gewinnt die Thematik in Presseartikeln, Vorträgen und Strategiepapieren an Bedeutung.


Zum heutigen Zeitpunkt existiert keine allgemein anerkannte Definition künstlicher Intelligenz, vielmehr handelt es sich um einen Sammelbegriff unterschiedlicher Technologien und Ansätze in verschiedenen Reifegraden. Der Begriff der künstlichen Intelligenz legt nahe, dass es sich dabei um Systeme handelt, welche menschliche Intelligenz nachbilden sollen. Dementsprechend erscheint die Verwendung eher breit angelegter Definitionen zielführender zu sein, welche stärker auf den Output als auf die Systeme selbst ausgerichtet sind. Künstliche Intelligenz ausschließlich von der technologischen Seite her zu definieren erscheint über den bisherigen zeitlichen Verlauf hinweg nur schwer möglich zu sein; denn vor 50 Jahren standen gänzlich andere technische Möglichkeiten im Mittelpunkt als heute.


Derzeit basieren Ansätze künstlicher Intelligenz zu großen Teilen auf der Verarbeitung sehr großer Datenmengen, künstlicher neuronaler Netzwerke oder selbstlernender Algorithmen. Eine derartige Arbeitsdefinition des deutschen KI-Forschers Klaus Mainzer beschreibt künstliche Intelligenz als Systeme, die „selbstständig effizient Probleme lösen können“. Marvin Minsky definierte bereits 1966 künstliche Intelligenz etwa als „die Wissenschaft, Maschinen Dinge machen zu lassen, die Intelligenz erfordern würde, wenn dies Menschen tun würden.“

Der Einsatz künstlicher Intelligenz zielt darauf ab, menschliche Fähigkeiten durch technische Systeme abbilden zu können, die konventionelle Systeme nicht ausführen konnten. Dahinter stehen Basistechnologien, auf denen KI-Anwendungen basieren. Es handelt sich dabei um KI-basierte Mustererkennung, Texterkennung, Erkennung von akustischen Signalen, Spracherkennung, Übersetzungsdienste, Bilderkennung, Gesichtserkennung, 3D-Raumerkennung sowie Gesten- und Bewegungsmustererkennung. Besonderheit der KI-basierten Anwendungen ist, dass sie nicht nur zuvor einprogrammierte Muster und Zusammenhänge sehen, sondern auch selbstständig neuartige Muster erkennen und daran lernen können.


Besonders relevant sind die sogenannten KI-Basisanwendungen: Diese beschreiben die menschlichen Fähigkeiten, die durch künstliche Intelligenz simuliert werden können. Kategorisieren lassen sie sich in KI-basierte Wahrnehmung, Benachrichtigung, Empfehlungen, Vorhersagen und Prognosen, das Treffen selbstständiger Entscheidungen sowie die Situationswahrnehmung in Echtzeit.


Künstliche Intelligenz kann für unterschiedliche Aufgabentypen in den verschiedensten Kontexten eingesetzt werden – so auch in der öffentlichen Verwaltung, wo sich anhand verschiedener Anwendungsfelder aufzeigen lässt, wie künstliche Intelligenz als weiterer Modernisierungstreiber genutzt werden kann.

Auch wenn dieser Roboter aus dem Science-Fiction-Film Star Wars stammt und auf das Kürzel BB-8 hört, offenbart er eine mögliche Stoßrichtung, wie Künstliche Intelligenz im Alltag zum Einsatz kommen könnte – oder bereits im Alltag angekommen ist. Denn das Thema KI ist in den Verwaltungen Baden-Württembergs bereits angekommen. Erste Kommunen setzen Chatbots als automatisierte Serviceberater in den Bürgerbüros ein – 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche. Innovative Start-ups entwickeln automatisierte Bilderkennungsverfahren zur Detektion von Straßenschäden, die zu signifikanten Kosteneinsparungen für die öffentliche Hand beitragen. Die Idee: Langweilige und fehlerträchtige Routineaufgaben können an Maschinen delegiert werden, sodass für die Menschen mehr Zeit für kreative und sinnstiftende Aufgaben bleibt. „Die Automatisierung von einfachen Routinetätigkeiten, die bisher manuell erledigt werden mussten, gilt neben vielen weiteren Potenzialen als Grundprinzip der Digitalisierung“, meint deshalb auch Prof. Dr. Wilhelm Bauer, Institutsleiter Fraunhofer IAO und Technologiebeauftragter des Landes Baden-Württemberg, in einem Vorwort zum Gutachten von Jan Etscheid und Prof. Dr. Jörn von Lucke.
Auch wenn dieser Roboter aus dem Science-Fiction-Film Star Wars stammt und auf das Kürzel BB-8 hört, offenbart er eine mögliche Stoßrichtung, wie Künstliche Intelligenz im Alltag zum Einsatz kommen könnte – oder bereits im Alltag angekommen ist. Denn das Thema KI ist in den Verwaltungen Baden-Württembergs bereits angekommen. Erste Kommunen setzen Chatbots als automatisierte Serviceberater in den Bürgerbüros ein – 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche. Innovative Start-ups entwickeln automatisierte Bilderkennungsverfahren zur Detektion von Straßenschäden, die zu signifikanten Kosteneinsparungen für die öffentliche Hand beitragen. Die Idee: Langweilige und fehlerträchtige Routineaufgaben können an Maschinen delegiert werden, sodass für die Menschen mehr Zeit für kreative und sinnstiftende Aufgaben bleibt. „Die Automatisierung von einfachen Routinetätigkeiten, die bisher manuell erledigt werden mussten, gilt neben vielen weiteren Potenzialen als Grundprinzip der Digitalisierung“, meint deshalb auch Prof. Dr. Wilhelm Bauer, Institutsleiter Fraunhofer IAO und Technologiebeauftragter des Landes Baden-Württemberg, in einem Vorwort zum Gutachten von Jan Etscheid und Prof. Dr. Jörn von Lucke.

| Im Kontakt mit den Bürgern kann künstliche Intelligenz dazu genutzt werden, den Vorgang sowohl für Verwaltungsmitarbeiter als auch für Bürger so einfach und unkompliziert wie möglich zu gestalten. Dabei kann es sich um Chatbots handeln, die Fragen beantworten – sie helfen, die benötigten Verfahren zu identifizieren und das „Behördendeutsch“ in verständliche Sprache zu übersetzen. Auch in den Behörden und Bürgerämtern vor Ort können digitale Assistenten den Bürgern eine Orientierung bieten, Zuständigkeiten und Wartezeiten nennen oder die Vollständigkeit von benötigten Dokumenten prüfen. Im Antragsverfahren selbst kann künstliche Intelligenz den Bürger unterstützen, indem Informationen bürgerfreundlich abgefragt und automatisiert in ein Formular übertragen, gemachte Angaben auf Plausibilität geprüft oder zurückerhaltene Bescheide verständlich auf den Einzelfall bezogen erklärt werden.


| Für die öffentliche Verwaltung bietet künstliche Intelligenz eine Reihe an Potenzialen zur Vereinfachung interner Abläufe im Back Office: Damit gemeint sind zahlreiche Prozesse, die neben der eigentlichen Leistungserstellung im Hintergrund ablaufen müssen, um die Erfüllung der grundlegenden Aufgaben zu ermöglichen. Künstliche Intelligenz kann dazu beitragen, das Workflow-Management intelligent zu steuern, sodass die Prozesse anhand der Auslastung sowie der Fähigkeiten optimal verteilt werden können. Auch weitere Unterstützungsprozesse wie die Poststelle, die Transkription und Übersetzung von Dokumenten oder das Personalmanagement können durch künstliche Intelligenz unterstützt oder automatisiert werden.


| Verwaltungsverfahren und Verwaltungsentscheidungen können durch künstliche Intelligenz unterstützt werden, um Qualität oder Geschwindigkeit zu erhöhen. Vorhandene Daten können nahezu in Echtzeit ausgewertet und anhand von verständlichen Kennzahlen und Visualisierungen dem Bearbeiter zur Verfügung gestellt werden. Durch Vorhersagen und Prognosen lassen sich Entscheider in der Einsatzplanung unterstützen, an welcher Stelle welche Ressourcen eingesetzt werden sollen. Gleichzeitig können auch die mit der Entscheidung einhergehenden Folgen und die langfristige Nachhaltigkeit dem Entscheider verdeutlicht werden: So bietet ein Entscheidungskontrollradar die Möglichkeit, eine zweite Einschätzung zu erhalten, sodass der Entscheider gegebenenfalls noch selbst darauf reagieren kann.


| Neben der Unterstützung des Entscheidungsträgers kann künstliche Intelligenz auch zur Automatisierung von Entscheidungen eingesetzt werden. Dies bedeutet, dass der Mensch aus dem Entscheidungsprozess herausgenommen wird und die verbindlichen Entscheidungen autonom und damit ausschließlich durch ein technisches System getroffen werden. Die Ergebnisse zahlreicher Verwaltungsentscheidungen lassen sich etwa direkt aus den einschlägigen Gesetzestexten ableiten: Hierfür ist weder eine Interpretation des Sachverhalts noch der daraus resultierenden Folgen notwendig; es muss lediglich geprüft werden, inwiefern die kraft Gesetzes definierten Voraussetzungen gegeben sind, sodass die direkte Folge abgeleitet werden kann. Daneben existieren in der Verwaltung auch Entscheidungen, deren Ergebnisse sich nicht direkt aus den gesetzlichen Vorgaben ableiten lassen, sondern die im Einzelfall abgewogen werden müssen. Die künftigen Herausforderungen für lernende Entscheidungssysteme bestehen dabei vor allem in der Erkennung von vorhandenen Spielräumen und ihrer ordnungsgemäßen Nutzung: Während die erste Herausforderung darin besteht, vorhandenes Ermessen zu erkennen, liegt die zweite Herausforderung darin, den im jeweiligen Fall vorliegenden Ermessensspielraum zu erfassen und innerhalb dieses Raumes eine angemessene Entscheidung zu treffen.

Ein gravierender Vorteil autonom entscheidender Systeme ist, dass diese Entscheidungen beinahe in Echtzeit getroffen werden können. Nicht nur im Kontext der Verkehrssteuerung können so wirkungsvollere Entscheidungen herbeigeführt werden – auch für ein Katastrophenmanagement oder die Gefahrenabwehr gibt es zahlreiche Anwendungsfälle.


Künstliche Intelligenz verfügt in der Tat über das Potenzial, die öffentliche Verwaltung nachhaltig zu verändern. Es können nicht nur Verwaltungsprozesse unterstützt, sondern teilweise diese auch automatisiert werden. Dem gegenüber stehen jedoch zweifellos auch Risiken und offene Fragen. Bereits heute setzen privatwirtschaftliche Unternehmen KI-Lösungen ein, womit wichtige ethische Debatten angestoßen worden sind. Viele Fragestellungen, wie mit über den Menschen entscheidenden Systemen im öffentlichen Raum umgegangen werden sollte, sind bis heute nicht abschließend geklärt, insbesondere weil die Technik derzeit erhebliche Fortschritte macht. Diesem ganzen Bündel an Fragestellungen rund um künstliche Intelligenz sollten sich Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Bürgerschaft und Wirtschaft zeitnah nähern, insbesondere ehe andere Akteure im Rahmen ihres KI-Digitalimperialismus passende Antworten finden und so die künftige Entwicklung der Digitalen Transformation dominieren, ohne dass auf deren Gestaltung noch Einfluss genommen werden kann.

Zum Weiterlesen: Künstliche Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung


Titelbild: 

| Brian Kostiuk / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Bild im Text: 

| NeONBRAND / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Beitrag (redaktionell unverändert): Jan Etscheid

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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