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Das designte Paradies
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Sir Bani Yas

Das designte Paradies

von Dr. Angelica V. Marte | Zeppelin Universität und Werner Zips | Universität Wien
19.10.2020
Im 21. Jahrhundert wird die Welt der wilden Tiere auf vielfältige Weise bedroht. Es wird mehr brauchen als bloße ,Inseln für Wildnis‘. Aber die ,Insel der weißen Antilope‘ ist dafür zumindest im Arabischen Golf ein Erfolg versprechender Anfang.

Dr. Angelica V. Marte
Gastwissenschaftlerin und Senior Lecturer am Leadership Excellence Institute Zeppelin | LEIZ
 
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    Zur Person
    Dr. Angelica V. Marte

    Dr. Angelica V. Marte ist ausgebildete systemische Beraterin, Wissenschaftlerin und Führungskräfteentwicklerin. Sie arbeitet seit 1996 mit internationalen Unternehmen und Universitäten als Expertin für die Themen „Global Leadership“, „Networks“ und „Diversity“ und als Executive Coach. Sie publizierte und forschte dazu unter anderem an der Universität Witten/Herdecke, der MIT Sloan School of Management und der Universität Zürich. Aktuell ist sie Unternehmerin sowie Gastwissenschaftlerin und Senior Lecturer am Leadership Excellence Institute Zeppelin | LEIZ an der Zeppelin Universität und an der Steinbeis-Hochschule Berlin. Sie engagiert sich als Beirätin an der Donau-Universität Krems (Department für Interaktive Medien), im Supervisory Board des Schweizer Beratungsunternehmens DOIT- Smart und seit 2013 als zertifzierte Lehrtrainerin für systemisches Coaching am Zentrum für systemische Forschung und Beratung (zfsb) in Heidelberg. 

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Gibbs ist der Chef im Ring. Wenn er zur Jagd auf Hirschziegenantilopen, Sandgazellen oder Axishirsche ansetzt, folgt ihm sein Bruder Gabriel sofort. Die beiden freilebenden Geparde auf Sir Bani Yas sind nicht nur Touristenattraktion. Sie kontrollieren auch die Population einiger tausend Sandgazellen. Auf dem Festland der Arabischen Halbinsel sind sie in ihrem Bestand gefährdet. Auf Sir Bani Yas trainieren die beiden Gepardenbrüder zumindest jeden dritten Tag die natürlichen Fluchtreflexe der Tiere. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die spätere Auswilderung in Wüstenregionen.


Wenn das zusätzliche Futter für die Huftiere per Lastwagen geliefert wird, sind Gibbs und Gabriel sofort zur Stelle. In einem Hochstand haben Touristen die Chance, bei einer echten Gepardenjagd dabei zu sein. Seit Stunden liegen die beiden Geparde auf der Lauer. Sie sind die Stars auf Sir Bani Yas: der „Insel der weißen Antilope“.


Aber heute scheint es den beiden alternden Geparden viel zu heiß. Seit einer missglückten Jagd hinkt Gabriel. Zudem bekommt er es langsam mit Arthritis zu tun. Was in der Kalahari des Südlichen Afrika einem Todesurteil gleich käme, ist auf Sir Bani Yas nur eine kleine Behinderung. Falls es mit dem Jagen gar nicht klappen sollte, hilft die Parkverwaltung ein wenig nach und serviert eine Gazelle zum Nachtmahl. Aber erst im allerletzten Moment, sonst würden die Tiere ihren Jagdinstinkt verlieren.


Ob Gibbs seinen Namen tatsächlich Fredia „The Cheetah“ Gibbs verdankt, wie unser Guide behauptet, lässt sich nicht zweifelsfrei klären. „Cheetah“ (der englische Begriff für Gepard) Gibbs war die erste afrikanisch-amerikanische Kickbox-Weltmeisterin, Rapperin und heutige Aktivistin für Menschenrechte.


Die Angriffstechnik von Gibbs, dem echten Gepard, ist jedenfalls immer noch – im relativ hohen Alter von 16 Jahren – so tödlich wie die Kicks der einst sogenannten „gefährlichsten Frau der Welt“. An diesem Morgen scheinen die Gazellen einen guten Tag zu haben. Gibbs und Gabriel verlieren die Konzentration ... und schlafen ein.

Abu Dhabi will zum Vorreiter der Vereinigten Arabischen Emirate für einen neuen Weg in eine nachhaltigere Zukunft werden. Abu Dhabi ist mit einer Fläche von über 67.000 Quadratkilometern und etwa 860.000 Einwohnern das flächenmäßig größte und reichste der sieben Arabischen Emirate. Abu Dhabi City ist gleichzeitig die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate und des gleichnamigen Emirats. Die Stadt liegt auf einer Insel im Persischen Golf vor der Westküste des Landes und ist durch die Mussafah- und die Al-Maqtaa-Brücke mit dem Festland verbunden. Das ehemalige Fischerdorf gilt als reichste und schönste Stadt der gesamten Golfregion.
Abu Dhabi will zum Vorreiter der Vereinigten Arabischen Emirate für einen neuen Weg in eine nachhaltigere Zukunft werden. Abu Dhabi ist mit einer Fläche von über 67.000 Quadratkilometern und etwa 860.000 Einwohnern das flächenmäßig größte und reichste der sieben Arabischen Emirate. Abu Dhabi City ist gleichzeitig die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate und des gleichnamigen Emirats. Die Stadt liegt auf einer Insel im Persischen Golf vor der Westküste des Landes und ist durch die Mussafah- und die Al-Maqtaa-Brücke mit dem Festland verbunden. Das ehemalige Fischerdorf gilt als reichste und schönste Stadt der gesamten Golfregion.

Die 87 Quadratkilometer große Naturinsel gehört zu einem Archipel vor der Küste des Emirates Abu Dhabi. Als unbesiedelte Wüsteninsel eignete sie sich gut als Vorzeigeprojekt für angewandten Natur- und Artenschutz. Im Jahr der Staatsgründung der Vereinigten Arabischen Emirate 1971 wurde sie durch umfangreiche ökologische Maßnahmen zu einem vom Menschen designten „Paradies der wilden Tiere“.


Das eigentliche Motiv: Die Rettung der „weißen Antilope“ – genannt Arabische Oryx. Ausgehend von einer kleinen Herde von 20 Tieren lebt heute die weltweit größte Population auf Sir Bani Yas. Rund 500 Tiere, die in anderen Gebieten ausgewildert werden, stellen einen seltenen Erfolg bei der Erhaltung einer stark bedrohten Tierart dar. Das zeigt sich darin, dass die Arabischen Oryx von „in freier Wildbahn ausgerottet“ auf „gefährdet“ zurückgestuft wurden.


Diese besonders anmutige Antilopenart, in der Poesie zu „Schönheiten der Wüste“ verklärt, inspirierte vermutlich die Legende vom Einhorn. Das wird uns erst so richtig klar, als wir einen Bock mit nur einem Horn entdecken. Kann man Tiere als Models trainieren?


Auch hier gilt, dass Bilder bisweilen mehr als tausend Worte sagen: Wenn im fahlen Wüstenlicht des Sonnenuntergangs eine Arabische Oryx den Kamm einer Sanddüne erklimmt, wird sie zum Botschafter einer weltweiten Bewegung im Kampf gegen das Artensterben durch menschliche Einwirkungen wie Bejagung und Klimawandel. Der majestätische Anblick erlaubt nicht bloß Touristen Tagträume einer längst vergessenen Zeit. Die weiße Antilope fungiert vielmehr als Mahnmal wie rasch selbst Tiere, die sich auf Geldscheinen und in Wappen wiederfinden, von der Erde verschwinden können.


Angesichts des jüngst publizierten Global Assessment Report von IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) – einer Dachorganisation zahlreicher anerkannter Forschungsinstitutionen – stehen beinahe eine Million Arten vor dem Aussterben. Darunter zahlreiche Ikonen des Tierreiches. Dass zukünftige Generationen noch (frei-)lebende Geparden sehen können, ist derzeit mehr als unwahrscheinlich. Insofern sind Artenschutzmaßnahmen dieser Dimension in ihrer Breiten- und Tiefenwirkung nicht zu unterschätzen. Sie können wie Sir Bani Yas entscheidend dazu beitragen, dass seltene oder bereits in freier Wildbahn ausgestorbene Tierarten wieder auf den Status „gefährdet“ zurückgestuft werden können. Ein großer Erfolg, wenn sie davor als „in freier Natur ausgestorben“ galten.

Abu Dhabi will zum Vorreiter der Vereinigten Arabischen Emirate für einen neuen Weg in eine nachhaltigere Zukunft werden. Sir Bani Yas hat dafür Symbolcharakter. Bei der Nachhaltigkeit von Ressourcennutzung geht es in den Emiraten um eine Art Rückbesinnung auf die nomadischen Wurzeln eines naturnahen Lebens, wie es die Golfregion noch vor einem halben Jahrhundert prägte. Und um internationale Anerkennung, die sich zunehmend in der Währung von Umweltverträglichkeit ausdrückt.


Dass hier wieder Geparde jagen, die in Asien vor langer Zeit in freier Wildbahn ausgestorben sind, hat symbolische Bedeutung – auch wenn die geplante Nachzucht an der mangelnden Verfügbarkeit von geeigneten weiblichen Tieren (bisher) scheiterte. Doch wer die staatlich verordnete Denkweise der Vereinigten Arabischen Emirate mitbedenkt – dass etwas nur so lange unmöglich scheint, bis es vollbracht ist –, kann die Erfolgschancen auch dieses Projektes besser einschätzen.


Sir Bani Yas ist kein Kleinprojekt, bei dem es um die Wiederansiedlung einiger weniger Exemplare seltener Arten geht. „Die Trauminsel der wilden Tiere“ ist viel mehr als ein bloßer Safaripark einer – mit Öl reich gewordenen – arabischen Herrscherfamilie.


Sir Bani Yas ist im Bereich von Natur- und Umweltschutz ein ebenso ehrgeiziges Bauprojekt wie die auf Wüstensand errichteten straßenbaulichen Zukunftswelten. Staatsgründer Sheikh Zayed Bin Sultan Al Nahyan baute hier ein Wildreservat auf, das mittlerweile eine Vielzahl von arabischen, asiatischen und afrikanischen Arten umfasst: eine Herde von 50 Giraffen, Elanantilopen, große Herden fast aller Unterarten der Gattung Oryx und viele mehr.


Ein spektakulärer Erfolg der Wiederansiedlung einer ausgerotteten Tierart gelang vor vier Jahren mit der Auswilderung von 20 Säbelantilopen im Tschad. Falls es die politische Lage im Tschad zulässt, sollen einige hundert Tiere wieder in ihrem ursprünglichen Habitat angesiedelt werden. Laut dem Wildbiologen Abid Mehmood auf Sir Bani Yas leben mittlerweile über tausend Säbelantilopen, die auch Sahara Oryx genannt werden, auf der Insel. Jetzt bietet Sir Bani Yas die weltweit einzige Möglichkeit, Herden von Hunderten Tieren gemeinsam – einer Fata Morgana gleich – beim Aufwirbeln von Wüstenstaub zuzusehen. Die Rettung der Säbelantilope, einer früher beinahe in der gesamten Sahara verbreiteten Tierart, ruht derzeit fast ausschließlich in den Händen der Zoologen von Sir Bani Yas.

Diese Tiere sind echte Überlebenskünstler: Als kleinste aller Oryx-Arten haben Arabische Oryx eine Schulterhöhe von etwa 80 Zentimetern bis zu einem Meter und wiegen bis zu 70 Kilogramm. Das Fell ist größtenteils sehr hell, beinahe weiß. Die Beine und die Unterseite sind gelb bis braun. Die Antilopen haben eine dunkelbraun-weiße Gesichtsmaske. Beide Geschlechter haben sehr lange, nicht oder nur leicht gekrümmte Hörner – mit bis zu 70 Zentimetern Länge. Ganz besonders ist allerdings die Lebensweise: Denn die Arabische Oryx ist perfekt an das Leben in der Wüste angepasst. Die reflektierende Farbe des Fells schützt sie vor der Hitze. Bei Wassermangel und hohen Temperaturen können die Arabischen Oryx ihre Körpertemperatur bis zu 46,5 Grad erhöhen, in der Nacht sinkt sie unter 36 Grad. Dadurch wird der Wasserbedarf klein gehalten.
Diese Tiere sind echte Überlebenskünstler: Als kleinste aller Oryx-Arten haben Arabische Oryx eine Schulterhöhe von etwa 80 Zentimetern bis zu einem Meter und wiegen bis zu 70 Kilogramm. Das Fell ist größtenteils sehr hell, beinahe weiß. Die Beine und die Unterseite sind gelb bis braun. Die Antilopen haben eine dunkelbraun-weiße Gesichtsmaske. Beide Geschlechter haben sehr lange, nicht oder nur leicht gekrümmte Hörner – mit bis zu 70 Zentimetern Länge. Ganz besonders ist allerdings die Lebensweise: Denn die Arabische Oryx ist perfekt an das Leben in der Wüste angepasst. Die reflektierende Farbe des Fells schützt sie vor der Hitze. Bei Wassermangel und hohen Temperaturen können die Arabischen Oryx ihre Körpertemperatur bis zu 46,5 Grad erhöhen, in der Nacht sinkt sie unter 36 Grad. Dadurch wird der Wasserbedarf klein gehalten.

Nachdem zu Beginn des Jahrtausends drei Jahre lang keine freilebenden Tiere in Afrika gesichtet wurden, wurde ihr Status von der IUCN (International Union for Conservation of Nature) als in der Wildnis ausgestorben festgestellt. Das mit nur einer Zuchtherde im Tschad gestartete Wiederansiedlungsprojekt brachte noch im Jahr 2016 die erste wieder in Wildnis geborene Säbelantilope hervor.


Geparde, Arabische Oryx, Säbelantilopen und Jagdfalken sind ebenso Prestigeangelegenheiten wie die glitzernden Glasfassaden von Wolkenkratzern. Wie bei den atemberaubenden Architekturprojekten und dem Aufstieg zur Kunstmetropole wird hier in Superlativen gedacht. Mit höchster Effizienz erfolgt in den Emiraten die Realisierung zunächst bloßer Ideen. Louvre, Guggenheim und der „Palast der Bewegung“ – der Qasr Al Watan – werden beinahe über Nacht realisiert.


In den Emiraten geht es immer um Rekorde: beispielsweise das Capital Gate, dessen Neigungsgrad jenen des schiefen Turms von Pisa deutlich übertrifft. Zeugnisse der Baukunst werden im internationalen Prestigewettbewerb zu Vermächtnissen der arabischen Gestaltungskraft – das Guinness Buch der Rekorde als ultimative Referenz.

Da konkurrieren Megaprojekte wie die massive Begrünung der Wüste durch das Pflanzen und Bewässern von Abermillionen Bäumen mit der geplanten Umstellung auf Atomkraft und erneuerbare Energien. Allein auf Sir Bani Yas ließ der Übervater Cheikh Zayed drei Millionen Bäume pflanzen und siedelte 15.000 Wildtiere an. Damit rief er das vielleicht größte Naturexperiment der Gegenwart ins Leben.


Dieses Jahr eröffnet das erste AKW in den arabischen Staaten. Vor kurzem ging das beinahe in Sichtweite von Sir Bani Yas auf dem Festland gelegene AKW Barakah in den Probelauf. Die weltgrößte Photovoltaikanlage mit einer Kapazität von zwei Gigawatt wurde zeitgleich mit dem Probelauf des AKW in Auftrag gegeben. Der Kampf gegen den Klimawandel und für den Arten- und Naturschutz steht im Spannungsverhältnis zum „Kult der Machbarkeit“, den die Emirate und ihre Herrscherfamilien der staunenden restlichen Welt vorexerzieren.

Die Vereinigten Arabischen Emirate gelten heute als acht wichtigster Wirtschaftsstandort weltweit. Bei einer Gesamtbevölkerung von zehn Millionen Einwohnern – von denen weniger als zwei Millionen Emirati sind – eine beachtliche Leistung, die längst nicht mehr nur mit dem Ölgeschäft zu erklären ist. Die Emirate sehen sich als „Welthandelszentrum“ der neuen Art. Die kürzlich gestartete Marsexpedition ist da nur ein kleiner Baustein im Narrativ arabischer Größe.


Im Jahr des Goldenen Staatsjubiläums 2021 soll die Vision einer perfekten Balance zwischen Umweltschutz, ökonomischer und sozialer Entwicklung überzeugende Resultate hervorbringen. Klimaschutz ist in den Vereinigten Arabischen Emiraten von eminenter Bedeutung. Abu Dhabi und Dubai gelten als paradigmatische Beispiele für die „Städte der Zukunft“. Wären da nicht eine Pandemie und die fortschreitende Rasanz des Klimawandels, die dem Masterplan einen Strich durch die Rechnung machen könnten. Die für diesen Herbst geplante Expo Dubai wurde um ein Jahr verschoben und soll nunmehr vom 1. Oktober 2021 bis 22. März 2022 stattfinden.

Was der Ausfall des Tourismus von geplanten 25 Millionen Besucherinnen und Besuchern in diesem Jahr für die immensen Infrastrukturinvestitionen bedeutet, steht zwar in den Sternen – die Marsmission mit dem vielsagenden Namen „Al-Amal“ (Hoffnung) lässt sich aber als klare Antwort auf diesen Umstand lesen.


Wo andernorts wieder Handelsschranken errichtet werden, setzen die Emirate auf weitere Globalisierung und die alternative Idee einer grünen Wüstenregion. Angesichts der allgegenwärtigen Megalomanie in Form von Palästen aus Marmor, Glas und Beton mutet der zentrale Gedanke der nachhaltigen Entwicklung wie reinstes „Window Dressing“ an. Aber wie in allen anderen Bereichen scheint es die Politik mit ihrer Idee des „grünen Wachstums“ durchaus ernst zu meinen. Vor allem aber mit einer Politik, die auf Dynamik und einen Wettbewerb der Ideen setzt. Das Motto der Expo Dubai bringt es auf den Punkt: „Geister verbinden, Zukunft schaffen“. Dass ihre Schlüsselbegriffe dabei Toleranz und Nachhaltigkeit sind, zeigt die symbolische Dimension des Überholmanövers – vor allem, aber nicht nur gegenüber dem strategischen Partner USA.


Auf der materiellen Ebene zeigen sich die globalen Führungsansprüche in der Raum- und Stadtplanung. Es sind vor allem Emirati, die sich allabendlich kurz nach Sonnenuntergang zur romantischen Selbstinszenierung an den Uferpromenaden Abu Dhabis einfinden. Der Tagesausklang vis-a-vis der neuen Prestigebauten verschafft ein spürbares Gefühl des nationalen Erfolgs. Die Frauen ganz in Schwarz in ihre Abaya gehüllt, die Männer ganz in Weiß in ihrem Dishdasha. Am gegenüberliegenden Ufer zur Corniche demonstriert die fast außerirdisch anmutende Ton- und Lichtshow des Qasr Al Watan vor allem eines: visionäre Gestaltungskraft, in all ihren Erscheinungsformen: politisch, ökonomisch und kulturell. Abu Dhabis Herrscherfamilie feiert sich damit gewissermaßen selbst. Und lässt die Bevölkerung des größten Emirates daran teilhaben.

Der im März 2019 eröffnete Palast soll an die Größe der islamischen Baukunst in der Tradition des Taj Mahal und anderer historischer Bauwerke anknüpfen. Auf der offiziellen Website wird er als lebendes Vermächtnis für den Geist der Emirate, seiner Menschen und politischen Führung gepriesen. Im Zeichen der Toleranz sollen die zahlreichen neuen Prachtbauten Weltoffenheit demonstrieren und im informellen Wettstreit mit dem viel kleineren, aber wesentlich bekannteren Nachbaremirat Dubai Flagge zeigen.


Abu Dhabi – die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate – möchte nicht länger im Schatten der futuristischen Metropole Dubai stehen. Schließlich ist dieses Emirat der Sitz der Herrscherfamilie des Staatsgründers und früheren Präsidenten Sheikh Zayed. Architektur in ihren kühnsten Formen ist ein probates Mittel, die wirtschaftliche Potenz und die Kunst des Regierens unter Beweis zu stellen. Es scheint, als würde der Wettstreit zwischen Abu Dhabi und Dubai zu Höchstleistungen in der Baukunst und Stadtplanung anregen.


Ein Anstieg des Meeresspiegels – wie prognostiziert – würde sie in wenigen Jahrzehnten jedoch zu Städten der Vergangenheit machen. Die durch menschliche Aktivitäten verursachte Umweltzerstörung globalen Maßstabes könnte sich im Wüstenstaat weitaus früher als andernorts rächen. Der Klimawandel bedroht die Glitzerwelt der architektonischen Himmelsstürmer massiv. Die Staatsvision 2021 strebt daher die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie an.

Sir Bani Yas hat in diesem Zusammenhang ebenfalls Symbolcharakter. Als Gegenstück zu den milliardenschweren Prestigebauten im Bereich der Ökologie. Die „Insel der wilden Tiere“ sichert der Arabischen Oryx, aber auch anderen in freier Wildbahn ausgestorbenen Tierarten einen Lebensraum, in dem sie vor Wilderei geschützt sind. Ein aufwendiges Wildlife-Management-Konzept sorgt dafür, dass Sir Bani Yas in Kooperation mit anerkannten biologischen Forschungsinstitutionen, wie der Smithsonian Institution und IUCN, zur Arterhaltung beiträgt. Im Vordergrund stehen dabei arabische Arten, die stark bedroht oder ausgestorben sind. Aber auch andere Wildtierarten aus Afrika und Asien wurden bisher erfolgreich auf der Wüsteninsel angesiedelt. Geparde, Giraffen und seltene Oryx-Antilopenarten, die in ihren afrikanischen Heimatländern stark gefährdet sind, leben auf Sir Bani Yas gut geschützt und könnten in Zukunft wieder in Afrika angesiedelt werden.

Die Auswilderungsprojekte haben auch eine hohe symbolische und edukative Bedeutung. Sie vermitteln der einheimischen Bevölkerung ebenso wie Entscheidungsträgern aus aller Welt die Bedeutung von Natur- und Artenschutz. Sir Bani Yas erfüllt zumindest regional eine Vorzeigefunktion in Bezug auf (Re-)Naturalisierung und fakten-basiertem Wildlife-Management. Klimawandel und Artensterben werden solchen Projekten in Zukunft noch mehr Aufmerksamkeit bescheren.


Die rund 180 Kilometer von Abu Dhabi entfernte Insel zeigt, dass der Artenschutz, das Auswildern bedrohter Tierarten und der Erhalt der Biodiversität immer mehr zur internationalen Zusammenarbeit zwingen. Und damit eine Perspektive für den notwendigen globalen Kampf gegen Klimawandel und Artensterben eröffnen.


Vor wenigen Jahrzehnten war die Population der Arabischen Oryx auf vier Individuen gesunken, die nur mit internationaler Kooperation gerettet werden konnten. In der immer stärker wahrgenommenen Realität der rapide abnehmenden Naturräume geben solche Anstrengungen eine wichtige Inspiration für globalen Umwelt- und Artenschutz. Im 21. Jahrhundert wird die Welt der wilden Tiere auf vielfältige Weise bedroht. Es wird mehr brauchen als bloße „Inseln für Wildnis“. Aber die „Insel der weißen Antilope“ ist dafür zumindest im Arabischen Golf ein Erfolg versprechender Anfang.


Die beiden schläfrigen Geparde sind dafür ein Zeichen. Ihre Art war bis vor rund einem halben Jahrhundert auf der Arabischen Halbinsel heimisch. Dass zumindest einige von ihnen wieder hier jagen können, zeigt, dass Artenschutz ebenso eine Frage des Willens ist wie – sagen wir – Marsmissionen.


Plötzlich öffnet Gibbs ein Auge. In dem Moment, als wir die Jagdbemühungen endgültig für gescheitert hielten, erhebt er sich aus scheinbarem Tiefschlaf und setzt unvermittelt zum Sprint an. Sein Jagdgefährte hinterher. Das Schicksal der Sandgazelle ähnelt rasch jenem der bedauernswerten früheren Gegnerinnen der Namensgefährtin Fredia „The Cheetah“ Gibbs.


Die Dokumentation „Insel der weißen Antilope – Abu Dhabis Naturoase“ zum Nachschauen in der 3sat-Mediathek.

Titelbild: 

| Ismail.alghussein / Eigenes Werk (CC BY-SA 3.0) | Link


Bilder im Text: 

| Dr. Angelica V. Marte und Werner Zips (Alle Rechte vorbehalten)

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