ZU|Daily wurde in die Hauptseite in den Newsroom unter https://www.zu.de/newsroom/daily/ integriert. Die neuesten Artikel seit August 2024 werden dort veröffentlicht. Hier finden Sie das vollständige Archiv aller älteren Artikel.
Georg Jochum, geboren 1968 in Köln, studierte als Stipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln und schloss sein Studium 1993 mit der ersten juristischen Staatsprüfung ab. Im Jahr 1996 promovierte er zum Thema „Materielle Anforderungen an das Entscheidungsverfahren in der Demokratie“, ein Jahr später folgte die zweite juristische Staatsprüfung, im Jahr 2003 habilitierte Jochum zum Thema „Die Steuervergünstigung“. Nach Tätigkeiten als Rechtsanwalt, wissenschaftlicher Assistent und Lehrbeauftragter an verschiedenen Hochschulen wurde er im Jahr 2007 zum außerplanmäßigen Professor an der Uni Konstanz ernannt. Im gleichen Jahr wurde Jochum Mitglied in der wissenschaftlichen Kommission der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes.
Im Zusammenhang mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine wird regelmäßig auch über die Vermögenswerte von russischen Staatsbürgern – in der Öffentlichkeit gemeinhin als „Oligarchen“ bezeichnet – gesprochen, die in der Umsetzung von Sanktionen beschlagnahmt werden. Was genau eine solche Beschlagnahme bedeutet und ob dies gar mit einer Enteignung verbunden ist, ist allerdings in der Berichterstattung oftmals ebenso wenig klar wie der Begriff des Oligarchen. Allgemein bezeichnet dieser Begriff Personen, die mit dem autokroatischen System um den russischen Präsidenten Wladimir Putin verbunden sind und über sehr großen Reichtum zweifelhafter Herkunft verfügen. Die von den Sanktionen betroffenen Personen sind aber nicht nur solche „Oligarchen“, sondern eine Vielzahl von Politikern, Unternehmern oder Unternehmen.
Grundlage der Sanktionen ist die EU-VO 269/2014. Diese im Zuge der Annexion der Krim geschaffene Verordnung bestimmt in Art. 2 Abs. 1, dass sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der in einem Anhang näher bestimmten natürlichen oder juristischen Personen (Unternehmen) „eingefroren“ werden. In diesem Anhang werden die Personen namentlich aufgeführt und eine Begründung dafür genannt, warum ihr Vermögen unter das Sanktionsregime fällt. Der Begriff des „Einfrierens“ wird in der Verordnung ebenfalls näher definiert. Er umfasst die Verhinderung jeglicher wirtschaftlicher oder sonstiger Verwendung der „eingefrorenen“ Vermögenswerte einschließlich deren Veräußerung, Verpachtung oder Vermietung. Dies bedeutet aber nicht, dass die betreffenden Vermögenswerte entzogen werden. Die Vermögenszuordnung zu den betroffenen Personen bleibt unberührt.
Dies ist insofern wichtig, als die Vorschrift damit keine Enteignung der entsprechenden Vermögenswerte beinhaltet. Denn eine solche Enteignung würde nach den Verfassungsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und auch nach Art. 17 S. 2 EUGrCh eine Entschädigung für den Verlust des Eigentums nach sich ziehen. Zwar wird das Eigentum der betreffenden Personen durch die Sanktionen nicht mehr nutzbar, die Enteignung setzt aber voraus, dass eine einzelne Vermögensposition der einen Person gezielt entzogen und einer anderen Person (beispielsweise einem Mitgliedstaat oder der Europäischen Union) zugeordnet wird. Nur eine solche gezielte Entziehung ist eine Enteignung, die zu einer Entschädigungspflicht führt. Insofern sind die Sanktionen der Europäischen Union gerade keine Enteignung im Sinne des Rechts.
Das Einfrieren der Vermögenswerte bedeutet auch nicht eine strafrechtliche Sanktionierung der betroffenen Personen. Der Begriff des Einfrierens ist hier als Bild sehr passend. Die Vermögenswerte können erst wieder bewegt werden, wenn sie aufgetaut wurden. Ein „Auftauen“ der Vermögenswerte kann erst dann erfolgen, wenn die betreffende Person von der EU-Sanktionsliste genommen wird.
Davon unabhängig besteht aber auch die Möglichkeit, unter Umständen Vermögenswerte einzuziehen, das heißt entschädigungslos zu enteignen. Dies ist als strafrechtliche Sanktion dann denkbar, wenn gegen das Verfügungsverbot für die eingefrorenen Wirtschaftsgüter verstoßen wird. Ein solcher Verstoß ist gemäß § 18 Abs. 1 AWG strafbar. In diesen Fällen kann nach § 76a StGB das Strafgericht die selbstständige Einziehung des Tatertrages oder des Tatgegenstandes anordnen, auch wenn wegen der Straftat keine bestimmte Person aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen verfolgt werden kann. Dies dürfte regelmäßig bei Personen, die unter die Sanktionsliste fallen, der Fall sein, da diese sich üblicherweise in Russland aufhalten und dort vor einer Strafverfolgung deutscher Gerichte sicher sind. Betroffen von der Einziehung ist nicht nur der Vermögensgegenstand selbst, sondern auch das, was durch eine solche Verfügung erlangt wird – also beispielsweise der Kaufpreis, die Mieteinnahme oder andere Vorteile. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass nicht nur die von der Einführung seiner Vermögenswerte betroffene Person selbst strafbar ist, sondern jeder, der an der Verfügung mitwirkt. Dies kann Rechtsanwälte, Bankangestellte, Vermögensverwalter, Steuerberater oder andere mit der Vermögenssorge betraute Personen betreffen.
Anders allerdings als in Russland, ist das Sanktionsregime der Europäischen Union rechtsstaatlich ausgestaltet. Insofern muss die Behörde bei einem Vermögensgegenstand nachweisen, dass dieser einer Person auf der Sanktionsliste zuzuordnen ist. Da die Vermögenswerte dieser Personen meist in Offshore-Gesellschaften liegen, deren Eigentumsverhältnisse nicht ohne Weiteres ermittelbar sind, ist das im Einzelfall schwierig nachzuweisen. Das betrifft Gesellschaften mit Sitz in Panama, britischen Überseegebieten oder im US-Bundesstaat Delaware. Dies erfordert Ermittlungsarbeit, die nicht alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit gleichem Eifer verfolgen. Werden die Eigentumsverhältnisse aber aufgedeckt und es wurden entgegen den Sanktionen Verfügungen vorgenommen – und sei es nur eine Umschichtung des Vermögens – kann das Vermögen eingezogen werden. Das ist dann keine Enteignung, sondern eine strafrechtliche Sanktion.
Titelbild:
| Felipe Simo / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link
Bild im Text:
| Astemir Almov / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link
Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Georg Jochum
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm