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1968 in Mainz geboren, studierte Muno Politik, Ethnologie und öffentliches Recht in Mainz und Venezuela. Danach hat die Region ihn nicht mehr los gelassen – es folgten Forschungsaufenthalte in Venezuela, Argentinien, Uruguay und auch Thailand.
Er forscht vor allem zu Entwicklung und Unterentwicklung, warum einige Länder dieser Welt reich sind, andere arm, einige Länder gut funktionierende Demokratien haben, andere große politische Probleme, was Entwicklung fördert oder behindert.
Nach seiner Promotion 2003 lehrte er in Koblenz, Würzburg und Erfurt.
Seit Herbst 2014 ist er Vertretungsprofessor für Internationale Beziehungen an der Zeppelin Universität.
Für die Erreichung der Entwicklungsziele wurde 2015 als Zieljahr gesetzt. Was folgt für die Zukunft?
Dr. Wolfgang Muno: In den kommenden Monaten wird vor allem die Post-2015-Agenda diskutiert. Dies findet unter anderem bei einer großen UN-Konferenz im Herbst statt. Dabei wird es allerdings weniger um Armutsbekämpfung gehen, was ja der Kern der Millenniumsentwicklungsziele war, sondern eher um globale Probleme wie Klima, Nachhaltigkeit oder Ressourcenknappheit.
Die UN-Millenniumsziele umfassen acht Punkte.18 Unterpunkte und 48 Indikatoren sollen die Fortschritte messbar machen. Kann man die gesetzten Ziele wirklich einfordern und wenn ja, von wem?
Muno: Ja, sicher kann man die einfordern, sie wurden schließlich von so ziemlich allen Akteuren im Rahmen der UN beschlossen. Wo man sie einfordern kann? Bei den nationalen Regierungen, die dafür verantwortlich sind. Wer kann sie einfordern? Wir als Geber könnten von Empfängerländern Prioritäten fordern, aber auch die jeweiligen Bürger könnten von ihren Regierungen entsprechende Anstrengungen fordern.
Ziele wie die Senkung der Kindersterblichkeit oder die Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter erfordern aktive Bemühungen der Entwicklungsländer. Wie realistisch sind solche Ziele?
Muno: Die Ziele waren sehr realistisch, was man daran sieht, dass viele Länder sie auch erreicht haben. Dabei muss man regionale und zum Teil auch nationale Unterschiede sehen. Erfolgreich waren Ostasien und Lateinamerika, die viele der MDGs erreicht haben, weniger erfolgreich Südasien und Afrika, die teilweise noch sehr weit entfernt sind. Was sagt das aus? Ostasien und Lateinamerika waren erfolgreich, weil die nationalen Regierungen tatsächlich die Prioritäten entsprechend gesetzt haben. ZB die linken Regierungen, die seit der Jahrtausendwende in Lateinamerika an die Macht gekommen sind und eine ernsthafte Sozialpolitik betrieben haben - mit entsprechenden Ergebnissen, was die MDGs betrifft. Gleiches gilt für Ostasien, insbesondere China, wo die KP das sein Land entwickeln will. In vielen afrikanischen Ländern bleibt einmal vieles in Korruption hängen, zum anderen haben die Länder auch wenig Spielraum. Sie haben kaum etwas zu bieten oder sind nicht in der Lage, ihre Ressourcen gewinnbringend auszubeuten, d.h. so, dass auch genug im Land bleibt, wie es Botswana etwa geschafft hat, der Kongo und viele andere Länder aber ganz und gar nicht.
Warum tun sich die Industrienationen auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe so schwer - gemessen an einer gerechteren Handelspolitik oder einen erleichterten Zugang zu den Märkten. Weshalb zögern viele vor der Erhöhung der Ausgaben, die in den meisten Staaten unter 0,5% des Bruttonationaleinkommens liegen?
Warum tun wir uns so schwer? Einmal hat Entwicklungshilfe nur eine untergeordnete Priorität, insbesondere in Zeiten von Wirtschaftskrisen. Die Länder sind weit weg. Deutschland ist noch weit weg vom selbst gesteckten Ziel der 0.7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe auszugeben und wird es auch lange nicht erreichen. Die USA sind noch weiter weg. Lediglich kleine Länder wie Norwegen oder die Niederland haben das Ziel erreicht. Wenn man einen ausgeglichenen Haushalt will, wird man an solchen Punkten Einsparungen machen.
Was aber könnte man besser machen, ohne noch mehr Gelder fließen zu lassen? Für Schwellenländer wäre sicherlich eine Marktöffnung und somit ein leichterer Zugang zu neuen Märkten hilfreich, aber das kostet, auch Arbeitsplätze bei uns. Für afrikanische Länder gibt es beispielsweise die "Everything-but-arms-Initiative", diese öffnet europäische Märkte für afrikanische Produkte, aber auch afrikanische für europäische. Nun haben afrikanische Länder aber kaum konkurrenzfähige Produkte, außer ein paar Rohstoffen. Bei einem ungleichen Entwicklungsstand profitieren nur die entwickelten Länder von einer Marktöffnung, die anderen haben kaum Chancen, sich zu entwickeln. Deshalb haben die Nachzügler im 19. Jahrhundert - wie Deutschland oder die USA - auch keine Liberalisierung gefordert, sondern eine staatliche Entwicklungspolitik betrieben. So wie Japan, Taiwan, Südkorea oder China. Entwicklung durch Freihandel, das gab es für Großbritannien im 19. und im 20. Jahrhundert mit den USA und Europa, nachdem sie entwickelt waren. Und Bereiche wie die Landwirtschaft bleiben sowieso außen vor. Obwohl man sich da nichts vormachen sollte: Bei einer kompletten Marktöffnung, könnte da ein afrikanischer oder indischer Kleinbauer gegen die großen Agrarkonzerne in Europa, den USA oder Brasilien konkurrieren? Die hätten keine Chance.
Ganz im Gegenteil: Länder und Regierungen müssen eine gezielte Entwicklungspolitik im eigenen Land betreiben, Armut bekämpfen und eine eigene, diversifizierte Produktpalette aufbauen, nicht nur Rohstoffe exportieren und nach Möglichkeit industrialisieren. Aber dann gibt es wiederum Probleme mit Nachhaltigkeit, Umwelt und Klima. Sie sehen: Ein kompliziertes Feld. Die Post-2015-Debatte muss zeigen, welche Möglichkeiten und Chancen entstehen können.
Titelbild: Dietmar Temps / flickr.com (CC BY-NC-SA 2.0)
Bilder im Text: „United Nations Headquarters in
New York City, view from Roosevelt Island“
von Neptuul - Eigenes Werk. Lizenziert unter
CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons
African Renewal / flickr.com (CC BY-NC-SA 2.0)
Redaktionelle Umsetzung: Alina Zimmermann