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Theo Waigel wurde 1939 im bayerischen Ursberg geboren. Er studierte Jura und promovierte 1967 mit einer Arbeit über „die verfassungsmäßige Ordnung der deutschen insbesondere der bayerischen Landwirtschaft“. Bereits 1960 trat er der CSU bei und war vier Jahre lang – von 1971 bis 1975 – Vorsitzender der Jungen Union in Bayern. 1970 wurde er Mitglied im CSU-Landesvorstand, zog 1972 erstmals in den Deutschen Bundestag ein, kam 1983 in das Präsidium und war von 1988 bis 1999 schließlich CSU-Vorsitzender. Nachdem die CSU bei der Bundestagswahl 1998 unter dem 50-Prozent-Ziel geblieben war, trat er als Vorsitzender zurück und trat bei den darauffolgenden Bundestagswahlen nicht mehr an. Ungebrochen bleibt wohl seine Rekordzeit als Finanzminister – über neun Jahre verbrachte er in diesem Amt. Für immer unvergessen bleibt sein Namensvorschlag für unsere heutige europäische Gemeinschaftswährung: „Euro“.
Internationale Politik greifbar machen – mit dieser Vision gründete sich der Club of International Politics e.V. am 8. September 2010 auf Initiative von Studierenden der Zeppelin Universität in Friedrichshafen.
Die Ursprünge des Vereins liegen in einer gemeinsamen Leidenschaft für Model United Nations-Konferenzen (MUN) und dem Wunsch, dieses Interesse an der Universität zu bündeln und zu fördern. Nach der Entsendung einer ersten Delegation zur New York MUN 2010 entstand die Idee, die Begeisterung für internationale Politik durch die Gründung eines Vereins stärker an der Universität zu verankern.
Als gemeinnütziger, eingetragener Verein zählt der CIP inzwischen mehr als 200 Mitglieder und konnte sich mit zahlreichen Veranstaltungsformaten als Plattform im Diskurs über internationale Politik etablieren. Ziel ist es, interessierten Studierenden, Schülern und Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich über internationale Fragestellungen zu informieren und ihr Wissen über politische wirtschaftliche und kulturelle Institutionen und deren Zusammenhänge zu vertiefen – Themen, die in Zeiten einer fortschreitenden globalen Vernetzung zunehmend an Bedeutung gewinnen. Dabei hat der Verein sich den Grundsätzen der Überparteilichkeit und Unabhängigkeit verschrieben. Mit Hilfe eines breiten Veranstaltungsportfolios möchte er einen Beitrag zur politischen Bildung in der Bodenseeregion leisten.
„Es ist besser in der Zuversicht als in der Furcht zu leben. Ich möchte
in keiner anderen Zeit leben als in der heutigen. Komme mir niemand mit
der ,guten alten Zeit'.“ Das ist ein Zitat, das mit Schwung einschlägt und sich im Kopf festkrallt in Tagen, an denen in Bautzen ein Flüchtlingsheim brennt und Parteien ihr Wählerpotenzial mit national-konservativen Forderungen um sich scharren. Die bunt gemischte Zuhörerschaft, die der Club of International Politics e.V. zu seiner Veranstaltung an der Zeppelin Universität versammelt hat, nickt andächtig. Wenn einer der „Väter des Euro“ spricht, dann wünscht sich fast niemand in die Vergangenheit zurück. Denn als „Mister Euro“ ist Theo Waigel in die Geschichte eingegangen. Fast 3.500 Tage war er Bundesfinanzminister – das könnte ein ewiger Rekord werden.
„Wir bringen die D-Mark nach Europa“, verkündete Waigel nach Abschluss der Wirtschafts- und Währungsunion 1991. Dieses Kunststück ist ihm nicht gelungen. Vier Jahre später schlägt er aber selbst den Namen „Euro“ für die neue gemeinsame Währung vor – und bringt damit ein großes Stück Europa nach Deutschland, auf jedes Konto, in jedes Portemonnaie. Zu gerne würden Europa-Skeptiker heute hören, dass Waigel der Mark nachtrauert. Doch den Gefallen tut er ihnen nicht. Stattdessen feiert er die Erfolge in der Europäischen Integration und sieht noch lange kein Ende für das Zusammenwachsen Europas – verrät er im Interview mit Florian Gehm.
Ein Blick auf die aktuelle Nachrichtenlage zeigt: Flucht und Migration dominieren Zeitung, Fernsehen und Radio. Wann kommt denn eigentlich die Euro-Krise mal wieder aufs Tableau?
Dr. Theo Waigel: Die Antwort scheint zunächst ganz einfach. Immer dann, wenn neue Probleme entstehen, werden alte Probleme kleiner. Aber das ist eben nicht nur ein Zeitphänomen, sondern es ist in der Tat gelungen, die Krise im Euroraum zu reduzieren. Die Hilfen für Irland und Portugal, für Spanien und Zypern haben gewirkt. Alle vier Länder haben sich erholt und sind heute wieder in der Lage, sich auf den Finanzmärkten zu bewegen. Doch ein Problem ist geblieben – und das ist Griechenland. Und trotzdem war es schon aus geo-politischen Gründen richtig, Griechenland zu helfen. Nur ein Gedankenspiel: Wie würde es wohl heute in Griechenland angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation aussehen, wenn wir die Griechen aus der Flüchtlingszone heraus expediert hätten?
Trotzdem war die Rettung dieser Staaten mit extremen Kosten und Mühen verbunden. Sehnt sich da nicht auch einer der „Väter des Euro“ manchmal nach der D-Mark zurück?
Waigel: Definitiv nicht! Es ist uns mit dem Euro eine Währung gelungen, die so stabil ist wie die D-Mark. Die Inflation der letzten 15 Jahre war niedriger als die Inflation zuvor. Mit dem Euro ist eine Währung kreiert worden, die im internationalen Finanzfeld mitmischen kann, was einzelne nationale Währungen heute nicht mehr gekonnt hätten!
Diesen Erfolg sollten wir dann doch dringend weiteren Ländern ermöglichen, oder nicht?
Waigel: Wenn Länder die Kriterien erfüllen und die Anforderungen auch zwei Jahre konsequent unter Beweis stellen, dann haben sie das Recht, den Euro zu beantragen. Aber man muss stärker überprüfen und stärker kontrollieren, als das noch vor ein paar Monaten passiert ist. Denn Griechenland hätte natürlich nicht in die Währungsunion aufgenommen gehört. Doch das ist nicht nur die Schuld der Griechen und der griechischen Regierungen, welche die Zahlen manipuliert haben, sondern auch das Ergebnis mangelnder Kontrolle, die in Europa und von der Europäischen Zentralbank erfolgt ist. Das Motto für eine potenzielle Erweiterung der Währungsunion muss also lauten: Genau hinschauen und nicht nur aus Voluntarismus heraus weitere Aufnahmen befürworten.
Weitere Mitglieder in der Währungsunion wären zwar neue Integrationsschritte, doch einen so großen Erfolg wie die Gründung der Euro-Zone konnte die EU lange nicht verbuchen. Welchen neuen Erfolg bräuchte die Union heute, um Zweifler und Kritiker wieder zu besänftigen?
Waigel: Man müsste in der Union endlich zu einer stärkeren gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik kommen. Eigentlich müssten wir auch unsere militärischen Anstrengungen viel mehr koordinieren. Ich glaube, das wäre auch ein großes Einsparpotenzial, denn schließlich kann heute kein Land für sich allein seine äußere Sicherheit gewährleisten. Damit wäre eine europäische Armee eine ideale Ergänzung innerhalb der NATO und zur NATO selbst.
Davon wäre Ihre Partei wohl aber momentan wenig begeistert. Denn auch die CSU schlägt aktuell eher wenig integrative Töne an. Welchen europapolitischen Kurs würden Sie Ihrer Partei raten?
Waigel: Die aktuelle politische Agenda ist so vielfältig, dass man darauf kaum in einem Wort antworten kann. Ganz wichtig ist, dass sich die CSU ihrer ursprünglichen Aufgabe bewusst ist – nämlich eine in Bayern existierende Partei mit nationaler und europäischer Verantwortung zu sein. Das war das große Werk des Gründungsvaters Dr. Josef Müller, der im katholischen Widerstand war, von Franz Josef Strauß und dem, was auch ich versucht habe. Wir müssen uns daran erinnern, dass die CSU auch in schwierigsten regionalen Auseinandersetzungen mit der Bayernpartei ihre europäische Komponente nie aufs Spiel gesetzt hat. Und das darf sie auch jetzt nicht!
Titelbild & Bilder im Text:
| Florian Gehm / zu-daily.de
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm