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Droht schon bald ein Kollaps?
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Verkehrsaufkommen

Droht schon bald ein Kollaps?

Interview: Sebastian Paul | Redaktion
07.10.2016
Die Verkehrspolitik verfolgt seit Langem das Mantra der Verlagerung von der Straße auf die Schiene. Leider hat das bisher nie funktioniert, der Marktanteil der Schiene stagniert bestenfalls.

Professor Dr. Alexander Eisenkopf
ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- & Verkehrspolitik
 
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    Zur Person
    Professor Dr. Alexander Eisenkopf

    Alexander Eisenkopf studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Nach seiner Promotion über Just-in-Time-orientierte Fertigungs- und Logistikstrategien arbeitete und lehrte Eisenkopf in Gießen und Frankfurt.
    Seit 2003 ist Eisenkopf Professor an der Zeppelin Universität und Gastdozent an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem auf Mobilität und Transportunternehmen.  

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Müssen wir uns künftig daran gewöhnen, dass der Lkw-Verkehr auf den deutschen Straßen zunehmen wird?


Prof. Dr. Alexander Eisenkopf: Die Verkehrsleistung des Straßengüterverkehrs hat seit dem Jahr 2000 – trotz des Einbruchs im Krisenjahr 2009 – um gut ein Drittel zugenommen. Bis zum Jahr 2030 erwartet die offizielle Verkehrsprognose des Bundesverkehrsministeriums einen Anstieg von fast 40 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2010. Unter Status-quo-Bedingungen wird der Lkw-Verkehr also weiter wachsen.


Was sind die Gründe dafür?


Eisenkopf: Wie bereits in der Vergangenheit, so sind die fortschreitende Globalisierung und die Vertiefung der wirtschaftlichen Arbeitsteilung in der EU die Haupttreiber des Verkehrswachstums. Exporte und Importe sowie der Transitverkehr wachsen nach wie vor schneller als der Binnenverkehr. Allerdings gibt es auch Beobachter, die in Zukunft mit einer schwächeren Dynamik der Globalisierung rechnen. Dies würde dann das Verkehrswachstum verlangsamen.

Fahrten auf deutschen Autobahnen sind monoton geworden: Lastkraftwagen so weit das Auge reicht. Immer wieder reihen sich auf den Straßen Lkw dicht aneinander, besonders in Baustellen machen sie schnelle Überholvorgänge unmöglich – und mit ihren sogenannten Elefantenrennen, eigenen Überholmanövern, legen sie regelmäßig den Verkehr lahm. Vor allem übermüdete Fernfahrer werden immer öfter sogar zur Gefahr für andere Verkehrsteilnehmende – denn die Statistik zeigt, dass die Zahl der Lkw-Unfälle zumindest in Bayern zugenommen hat. Laut Innenministerium stieg sie im vergangenen Jahr um 3,6 Prozent auf insgesamt 17.524. Dabei kamen 146 Menschen ums Leben, 5.859 trugen Verletzungen davon. In den überwiegenden Fällen hatten die Lkw-Fahrer die folgenschweren Karambolagen verursacht. Technische Entwicklungen werden das Verkehrsaufkommen vorerst wohl nicht senken – doch technische Lösungen wie Notbrems- und Spurhalteassistenten können die Straßen zumindest sicherer machen.
Fahrten auf deutschen Autobahnen sind monoton geworden: Lastkraftwagen so weit das Auge reicht. Immer wieder reihen sich auf den Straßen Lkw dicht aneinander, besonders in Baustellen machen sie schnelle Überholvorgänge unmöglich – und mit ihren sogenannten Elefantenrennen, eigenen Überholmanövern, legen sie regelmäßig den Verkehr lahm. Vor allem übermüdete Fernfahrer werden immer öfter sogar zur Gefahr für andere Verkehrsteilnehmende – denn die Statistik zeigt, dass die Zahl der Lkw-Unfälle zumindest in Bayern zugenommen hat. Laut Innenministerium stieg sie im vergangenen Jahr um 3,6 Prozent auf insgesamt 17.524. Dabei kamen 146 Menschen ums Leben, 5.859 trugen Verletzungen davon. In den überwiegenden Fällen hatten die Lkw-Fahrer die folgenschweren Karambolagen verursacht. Technische Entwicklungen werden das Verkehrsaufkommen vorerst wohl nicht senken – doch technische Lösungen wie Notbrems- und Spurhalteassistenten können die Straßen zumindest sicherer machen.

Und dennoch besteht kein Grund zum Jubeln bei den Lkw-Herstellern: Woran liegt das?


Eisenkopf: Die Lkw-Hersteller haben zwar keinen handfesten Abgasskandal, dafür aber andere hausgemachte Probleme. So werden nach einem Kartellverfahren wegen unerlaubter Preisabsprachen zwischen 1997 und 2011 fast drei Milliarden Euro Kartellstrafe seitens der EU fällig, und es stehen zusätzlich hohe Schadenersatzforderungen von Kunden ins Haus. Daimler ist zudem von einer Krise auf dem wichtigen brasilianischen Markt und dem schwachen Absatz in Nordamerika gebeutelt. All dies wird aber überlagert von einer hervorragenden Branchenkonjunktur in Deutschland und Europa.

Die Branche ist jüngst in Hannover auf der weltgrößten Messe, der IAA Nutzfahrzeuge 2016, zusammengekommen. Welche neuen Technologien wurden präsentiert, um einen drohenden Verkehrsinfarkt abzuwenden und die immer härteren Umweltauflagen einzuhalten?

Eisenkopf: Auf der Messe wurden zahlreiche Innovationen präsentiert, welche die urbane Versorgung und den Verteilerverkehr in den Städten revolutionieren können. Die Nutzung von elektrisch betriebenen Fahrzeugen und die Digitalisierung spielen dabei zusammen – vieles ist hier jedoch noch Zukunftsmusik. Bei den Fahrzeugen des Schwerlastverkehrs beobachten wir dagegen derzeit nur Maßnahmen im Sinne eines „Finetuning“ bei der Aerodynamik und den Aggregaten.

Im Jahr transportieren die Bahnen in Deutschland fast 600 Millionen Tonnen Güter auf der Schiene. Das ersetzt werktäglich rund 77.000 voll beladene Lkw auf deutschen Straßen – und führt zu 80 Prozent geringeren CO2-Emissionen. Doch trotz der Umweltfreundlichkeit gilt der Schienengüterverkehr als die unbeliebte Stiefmutter – zumindest bei der Deutschen Bahn. Denn dieser steckt mit einem Minus von 74 Millionen Euro tief in den roten Zahlen. Nun sollen bis zu 2.600 Arbeitsplätze gestrichen und 1,3 Milliarden Euro auf die Schienengütersparte abgeschrieben werden. Tatsächlich sind derzeit nahezu alle Güterbahnen in Europa Problemfälle: „Der europäische Schienengüterverkehr steckt in einer tiefen Krise. Die Leistung der Güterbahnen liegt deutlich unter dem Niveau der Jahre 2007 und 2008“, erklärt Maria Leenen vom Bahn-Beratungsunternehmen SCI gegenüber der Tageszeitung DIE WELT. „Die Ergebnisse der Güterbahnen sind alles andere als befriedigend.“ Chancen für die Güterbahnen liegen vor allem in einer Verbesserung der Rentabilität – das hat auch die Deutsche Bahn erkannt: „Wir produzieren zu teuer, zu kompliziert. Da müssen wir ran“, sagt ein DB-Manager.
Im Jahr transportieren die Bahnen in Deutschland fast 600 Millionen Tonnen Güter auf der Schiene. Das ersetzt werktäglich rund 77.000 voll beladene Lkw auf deutschen Straßen – und führt zu 80 Prozent geringeren CO2-Emissionen. Doch trotz der Umweltfreundlichkeit gilt der Schienengüterverkehr als die unbeliebte Stiefmutter – zumindest bei der Deutschen Bahn. Denn dieser steckt mit einem Minus von 74 Millionen Euro tief in den roten Zahlen. Nun sollen bis zu 2.600 Arbeitsplätze gestrichen und 1,3 Milliarden Euro auf die Schienengütersparte abgeschrieben werden. Tatsächlich sind derzeit nahezu alle Güterbahnen in Europa Problemfälle: „Der europäische Schienengüterverkehr steckt in einer tiefen Krise. Die Leistung der Güterbahnen liegt deutlich unter dem Niveau der Jahre 2007 und 2008“, erklärt Maria Leenen vom Bahn-Beratungsunternehmen SCI gegenüber der Tageszeitung DIE WELT. „Die Ergebnisse der Güterbahnen sind alles andere als befriedigend.“ Chancen für die Güterbahnen liegen vor allem in einer Verbesserung der Rentabilität – das hat auch die Deutsche Bahn erkannt: „Wir produzieren zu teuer, zu kompliziert. Da müssen wir ran“, sagt ein DB-Manager.

Darüber hinaus bestimmen Digitalisierung und Vernetzung die 66. Ausgabe der Leitmesse: Doch welche intelligenten Dienstleistungen sollen den Lkw-Verkehr effizienter und sicherer machen?

Eisenkopf: Die derzeitige Vision für die Branche ist das sogenannte „Platooning“, bei dem mehrere Lkw elektronisch vernetzt und digital gekoppelt in einer Art Kolonne fahren. Hierdurch können der Verbrauch und damit die CO2-Emissionen gesenkt werden. In Hinblick auf die Verkehrssicherheit setzt man auf zusätzliche Fahrerassistenzsysteme beziehungsweise auf das automatisierte Fahren. Was dann mit den Fahrern passiert, bleibt im Unklaren – es wird in der Regel davon gesprochen, dass sie sich während der Fahrt „anderen Aufgaben widmen können“.

Welche politischen Maßnahmen zur Steuerung des Güterverkehrs in Deutschland werden diskutiert?

Eisenkopf: Die Verkehrspolitik verfolgt seit Langem das Mantra der Verlagerung von der Straße auf die Schiene. Leider hat das bisher nie funktioniert, der Marktanteil der Schiene stagniert bestenfalls. Effizienzsteigernde Maßnahmen im Straßenverkehr selbst wie der Einsatz von Lang-Lkw werden von den Bahn- und Umweltlobbys bekämpft. Einer Untersuchung der Beratungsgesellschaft PWC folgend, könnten die Lkw-Betriebskosten autonom fahrender Lkw zukünftig um bis zu 28 Prozent sinken. Das würde die Wettbewerbsfähigkeit des Lkw gegenüber der Schiene noch einmal drastisch erhöhen und die Bahn völlig ins Hintertreffen geraten lassen.


Eine persönliche Frage am Ende: Wie genervt sind Sie von den unzähligen Lkw auf den deutschen Verkehrsstraßen?

Eisenkopf: Solange sich diese fair und ordnungsgemäß verhalten, bin ich eigentlich nicht genervt. Vielleicht hängt das aber auch mit meinem professionellen Hintergrund zusammen. Was mich allerdings auf die Palme bringt, ist regelwidriges und verkehrsgefährdendes Verhalten von Lkw-Fahrern und -Unternehmern.

Titelbild: 

| Unsplash / pixabay.com (CC0 Public Domain)


Bilder im Text: 

| hpgruesen / pixabay.com (CC0 Public Domain)

| 123090 / pixabay.com (CC0 Public Domain)


Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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