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Nina Wiechers lebt in Köln und arbeitet bei einem Telekommunikationsunternehmen. Parallel dazu studiert sie an der Zeppelin Universität den „Executive Master of Arts in Digital Pioneering | eMA DIP“. In ihrer Freizeit findet man Wiechers in Ausstellungen und Konzerten oder auf dem Sofa beim Serienmarathon.
Frauen verdienen in vielen Berufsgruppen immer noch deutlich weniger als Männer in ähnlichen Positionen, und bei vielen Konzernen haben sie aktuell weniger Perspektiven auf die Vorstandsetage als ihre männlichen Kollegen – sie hätten also eigentlich sehr gute Gründe, sich diesem Kampf um Karriere zu entziehen, ein Unternehmen zu gründen und ihre eigene Chefin zu werden.
Einige sind diesen Schritt ja auch schon gegangen und sehr erfolgreich mit ihren Start-ups: Verena Hubertz und Mengting Gao haben die Rezepte-App „Kitchen Stories“ gegründet, bei der die einzelnen Schritte des Kochprozesses in kleinen Videos gezeigt werden und von einer Community bewertet werden. Mittlerweile zählen sie 15 Millionen Nutzer. Und Anna Alex und Julia Bösch erwirtschafteten 2015 mit ihrem Webshop „Outfittery“, bei dem Männer durch eine persönliche Stilexpertin beim Online-Shopping beraten werden, einen Umsatz von 36 Millionen Euro.
Doch allgemein sind Gründerinnen deutlich in der Unterzahl: Laut dem „European Startup Monitor“ werden gerade einmal knapp 14 Prozent der deutschen Start-ups von Frauen gegründet, und sie sind dabei noch nicht mal eine Ausnahme: Im europäischen Durchschnitt sind ebenfalls nur 14,8 Prozent der Gründer weiblich. Als Erklärung für diese niedrige Prozentzahl wird auch oft die Angst, mit dem Unternehmen zu scheitern, die bei Frauen größer ausgeprägt ist als bei Männern, herangezogen.
Frauen, die den Schritt wagen und ein Unternehmen gründen, sind oft damit sogar erfolgreicher als männliche Gründer, gerade weil sie durch große Risikoaversionen und wenig Zuversicht vorsichtig handeln. Gründe für das Zögern von Frauen, wenn es um das Thema Selbstständigkeit geht, sind schnell gefunden: Frauen sind immer noch zum Großteil für die Familienversorgung zuständig. Mütter verbringen durchschnittlich rund 36 Wochenstunden mit Kindererziehung und Spielen, Väter bringen nur die Hälfte der Zeit, nämlich 23 Stunden, auf. Rund 68 Prozent der Mütter mit minderjährigen Kindern arbeiten in Teilzeit, aber nur 6 Prozent der Väter. Und auch dann, wenn es nicht mehr so gut in der Partnerschaft läuft, tragen die Frauen die Verantwortung: 85 Prozent der etwa 2,7 Millionen in Deutschland lebenden Alleinerziehenden sind Frauen.
Ein Großteil der Frauen (und auch der Männer) sehen zwar die gleiche Verteilung von Erwerbstätigkeit, Haushalt und Kindererziehung als das Ideal an, in der Lebensrealität gibt es jedoch immer noch gute Gründe, die Aufgaben anders aufzuteilen: Kinderbetreuung ist in viele Großstädten so teuer, dass es sich kaum lohnt, dass beide Elternteile in Vollzeit arbeiten und die Kinder währenddessen fremdbetreut werden. Und gerade weil Frauen immer noch weniger im Berufsleben verdienen, rechnet sich steuerlich meistens die Teilzeitarbeit der Mutter mehr, als wenn der Vater nur noch halbtags arbeitet. Am Ende finden sich also mehr Frauen in Teilzeit und in Hauptverantwortung für die Kinder wieder. Geht man zudem davon aus, dass die meisten Eltern nur das Beste für ihre Kinder wollen und sie nicht mutwillig in eine finanziell prekäre Situation bringen, ist die Hürde, sich von einem gesicherten Arbeitsverhältnis zu lösen, um das eigene Start-up zu gründen, natürlich hoch. Diese Erkenntnisse überraschen weder, noch sind sie neu.
Viele Studien untersuchen die Frage, warum Frauen so wenig Zuversicht in die eigenen Fähigkeiten haben und mehr unter Selbstzweifeln leiden als Männer. Ein Erklärungsansatz ist, dass sich Frauen oft dem Vergleich mit anderen stellen, während Männer ihren Selbstwert mehr aus sich selbst heraus definieren. In diesem Vergleich mit anderen wird häufig dann auch noch das Gegenüber zu einem unrealistischen Bild verklärt. Anstatt sich an der Leistung echter Mitmenschen zu messen, ist das Ideal das Ziel und somit ist das Scheitern an den eigenen Erwartungen, dieses zu erreichen, vorprogrammiert.
Um nachzuvollziehen, was von Frauen erwartet wird, muss man eigentlich nur ein gängiges „Frauenmagazin“ durchblättern. Frau soll Karriere machen, aber auch den Mann fürs Leben finden und zum richtigen Zeitpunkt Kinder bekommen und diese erziehen, die Wohnung toll einrichten und immer sauber halten, frisch kochen, genug Sport treiben und sich aufwendig schminken. Wenn frau sich also schon in ihrem Alltag unschaffbaren Erwartungen gegenübergestellt sieht, überrascht es nicht, dass die Idee, ein Start-up zu gründen, in weite Ferne rückt. Die Angst zu scheitern ist – überspitzt gesagt – ein ständiger Begleiter.
Zum Glück bilden sich auch Gegenbewegungen: Frauen, die ganz offen aussprechen, dass sie sich diesem Erwartungsdruck nicht stellen werden. So zeigt zum Beispiel Lena Dunham in ihrer Serie „Girls“ einen Gegenentwurf zum schillernden Leben, welches Hollywood dem Publikum ständig präsentiert. Die Figuren in „Girls“ sind alle weiblich, in ihren Zwanzigern und leben in New York. Im Mittelpunkt der Serie stehen die Selbstfindung und die Positionierung in der Gesellschaft. Dabei erzählt die Geschichte auch ungeschönt vom vermeintlichen Scheitern der Figuren: Beruflicher Misserfolg, Geldnot und psychische Erkrankungen gehören nun einmal zum realen Leben dazu. Sie Serie ist mit autobiographischen Elementen von Dunham versehen, welche sich auch sonst in der Öffentlichkeit für Gleichberechtigung und ein realistisches Frauenbild einsetzt.
Natürlich ist der geringe Prozentsatz an weiblichen Gründern nicht einfach nur durch die größere Verantwortung für die Familie und den medialen Druck durch Magazine und Hollywood zu erklären. Und sicherlich braucht es auch mehr als ein paar Filmemacher, die realistische Frauenbilder in ihren Produktionen zeigen, um die eigenen Erwartungen, die Frauen an sich selbst stellen, herunter zu schrauben. Wenn wir jedoch Hap Klopps Beispiel folgen und aus Fehlern lernen wollen, sind Zuversicht und Selbstbewusstsein essentiell. Denn den Mut etwas zu wagen, bringt nur der- beziehungsweise diejenige auf, der beziehungsweise die auf sich selbst vertrauen kann, eine Lösung zu finden, auch wenn etwas schief geht. Erfolgsgeschichten weiblicher Gründer helfen, diesen Mut zu entwickeln. Die mediale Auseinandersetzung mit dem absurden alltäglichen Erwartungsdruck und dem Aufzeigen von Selbstakzeptanz können dabei einen gesellschaftlichen Wandel begleiten und befeuern. Und diesen Wandel braucht es ganz sicher, wenn wir zukünftig mehr Geschichten über weibliche Gründer – erfolgreiche und gescheiterte – lesen möchten.
Titelbild:
| TPHeinz / Pixabay.com (CC0 Public Domain) | Link
Bilder im Text:
| Zeppelin Universität / eMA DIP
| Zeppelin Universität / eMA DIP
Beitrag (redaktionell unverändert): Nina Wiechers
Redaktionelle Umsetzung: CvD