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Griechenland und die Spieltheorie
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Zukunft der Eurozone

Griechenland und die Spieltheorie

von Prof. Dr. Marcel Tyrell | Zeppelin Universität
11.02.2015
Griechenland wird den Verhandlungspoker verlieren.

Prof. Dr. Marcel Tyrell
Lehrstuhl für Unternehmer- und Finanzwissenschaften
 
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    Prof. Dr. Marcel Tyrell

    Seit 2009 leitet Prof. Dr. Marcell Tyrell das Buchanan Institut für Unternehmer- und Finanzwissenschaften der Zeppelin Universität. Vorher lehrte er unter anderem an Universität Frankfurt, der University of Pennsylvania und der European Business School. Schwerpunktmäßig forscht er an Veränderungen von Finanzsystemstrukturen, mikro- und makroökonomischen Auswirkungen von Finanzkrisen und der Verschuldungsdynamik von Volkswirtschaften.

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Die Lage wird immer undurchsichtiger. Nachdem die Griechen in den Neuwahlen am Ende Januar die alten Regierungsparteien abgestraft hatten und danach auch überraschend schnell eine Regierungskoalition unter Führung der Syriza-Partei gebildet wurde, konnte man in der ersten Woche der neuen Regierung den Eindruck gewinnen, als könnte Alexis Tsipras seine beiden Hauptwahlversprechen einlösen: ein Ende der Sparpolitik und der Schuldenschnitt. In der zweiten Woche wendete sich dann jedoch das Blatt. Tsipras und sein Finanzminister Giannis Varoufakis mussten auf ihrer Rundreise durch Europa feststellen, dass sie mit ihren Vorstellungen nicht nur - wie zu erwarten - in Deutschland, sondern auch bei Regierungen anderer Euroländer wie Frankreich, Italien, Spanien und Portugal, die sie zumindest teilweise auf ihrer Seite wähnten, auf taube Ohren stießen. Dass die EZB griechische Anleihen nicht mehr als Sicherheiten akzeptiert, passt in dieses Bild: Hat sich der Spieltheoretiker Varoufakis also verkalkuliert?

Alexis Tsipras. 1974 in Athen geboren, Vorsitzender der linken Partei SYRIZA, seit zwei Wochen Ministerpräsident von Griechenland. Seine politische Karriere begann er als Mitglied in der kommunistischen Jugend Griechenlands. Später war er studentischer Senator an der Nationalen Technischen Universität, wo er Bauingenieurswesen studierte. Kurz darauf begann sein politischer Aufstieg in der Parteien Synaspismos, wo er vom  Sekretär der Jugendorganisation bis zum Parteivorsitzenden aufstieg. Mit seinem Einzug in das griechische Parlament 2009 wurde er Vorsitzender der SYRIZA-Fraktion, die sich 2012 in eine Partei umwandelte, um die Chance auf die 50 Bonussitze, die die stärkste Partei erhält, zu erlangen. Landete er so 2012 noch auf dem "zweiten" Platz konnte er sich bei den vorgezogenen Wahlen Anfang des Jahres die 50 Bonussitze sichern - und verpasste die absolute Mehrheit nur knapp, weshalb SYRIZA eine Koalition mit der nationalkonservativen Partei ANEL bildet. Tsipras Ziele? Eine Lockerung der Troika und ein Schuldenschnitt für Griechenland, um die soziale Not zu bekämpfen.
Alexis Tsipras. 1974 in Athen geboren, Vorsitzender der linken Partei SYRIZA, seit zwei Wochen Ministerpräsident von Griechenland. Seine politische Karriere begann er als Mitglied in der kommunistischen Jugend Griechenlands. Später war er studentischer Senator an der Nationalen Technischen Universität, wo er Bauingenieurswesen studierte. Kurz darauf begann sein politischer Aufstieg in der Parteien Synaspismos, wo er vom Sekretär der Jugendorganisation bis zum Parteivorsitzenden aufstieg. Mit seinem Einzug in das griechische Parlament 2009 wurde er Vorsitzender der SYRIZA-Fraktion, die sich 2012 in eine Partei umwandelte, um die Chance auf die 50 Bonussitze, die die stärkste Partei erhält, zu erlangen. Landete er so 2012 noch auf dem "zweiten" Platz konnte er sich bei den vorgezogenen Wahlen Anfang des Jahres die 50 Bonussitze sichern - und verpasste die absolute Mehrheit nur knapp, weshalb SYRIZA eine Koalition mit der nationalkonservativen Partei ANEL bildet. Tsipras Ziele? Eine Lockerung der Troika und ein Schuldenschnitt für Griechenland, um die soziale Not zu bekämpfen.

Schauen wir uns die maßgeblichen Spieler etwas näher an. Auf der einen Seite haben wir die Länder der Eurozone. Die Eurogruppe übt das Verhandlungsmandat für diese Länder aus. Die Historie der Eurokrise zeigt jedoch, dass die Interessen dieser Länder sehr unterschiedlich sein können. Dies erschwert eine interne Einigung, zudem wird kaum eine einheitliche Linie nach außen vertreten. Dies schwächt typischerweise die Verhandlungsposition der Eurogruppe und hat in der Vergangenheit die Krisendynamik in der Eurozone verstärkt.

Im vorliegenden Fall scheint dies jedoch anders zu sein. Die Länder lassen sich nicht auseinander dividieren, die Eurogruppe bleibt gegenüber Griechenland hart, ihre Verhandlungsposition wirkt stark. Zwei Sachverhalte kommen hier zusammen. Die zumindest schon teilweise vollzogene gemeinschaftliche Haftung von Schulden führt dazu, dass die Regierungen der Eurozone-Länder ihren Bürgern Forderungsausfälle erklären müssten, wenn Griechenland seine vertraglichen Verpflichtungen nicht einhält. Dies trifft die Bürger direkt, denn die meisten Forderungstitel gegenüber Griechenland sind inzwischen in öffentlichen Händen. Hinzu kommt, dass viele der Regierungen in ihren Ländern unter starkem Druck von Parteien und Bürgerinitiativen stehen, die ein Ende der Sparpolitik im eigenen Land fordern. Ein Nachgeben gegenüber Griechenland würde diese Kräfte zusätzlich stärken. Beide Effekte bewirken, dass das aus der Spieltheorie bekannte „common agency“-Problem, welches die Situation beschreibt, in der mehrere Auftraggeber (Prinzipale) mit potenziell unterschiedlichen Interessen einen Beauftragten (Agenten) in das Verhandlungsspiel mit der griechischen Regierung entsendet, relativ gut gelöst ist. Die Interessen der Länder sind harmonisiert.

Die Europäische Union. Fing alles "ganz klein" mit sechs Anfangsstaaten und einer eher niedrigen Integration an, befinden sich mittlerweile 28 Staaten im Staatenverbund. Der europäische Binnenmarkt ist der größte gemeinsame Markt der Welt (gemessen am BIP). Gemessen am ursprünglichen Ziel der wirtschaftlichen Verflechtung, welche wiederum mittels Abhängigkeiten einen weiteren Krieg verhindern sollte, ist man heute viel weiter als damals vermutet. Seit 1999 (bzw. 2002) wurde gar die Währungshoheit von 19 Staaten aufgegeben und der Euro als gemeinsame Währung eingeführt, was die gegenseitige Abhängigkeit weiter verstärkte. Der 50€-Schein hat übrigens die höchsten Bargeldumlaufzahlen: Ungefähr 7.509.000.000 Scheine waren zum Jahresende 2014 im Umlauf.
Die Europäische Union. Fing alles "ganz klein" mit sechs Anfangsstaaten und einer eher niedrigen Integration an, befinden sich mittlerweile 28 Staaten im Staatenverbund. Der europäische Binnenmarkt ist der größte gemeinsame Markt der Welt (gemessen am BIP). Gemessen am ursprünglichen Ziel der wirtschaftlichen Verflechtung, welche wiederum mittels Abhängigkeiten einen weiteren Krieg verhindern sollte, ist man heute viel weiter als damals vermutet. Seit 1999 (bzw. 2002) wurde gar die Währungshoheit von 19 Staaten aufgegeben und der Euro als gemeinsame Währung eingeführt, was die gegenseitige Abhängigkeit weiter verstärkte. Der 50€-Schein hat übrigens die höchsten Bargeldumlaufzahlen: Ungefähr 7.509.000.000 Scheine waren zum Jahresende 2014 im Umlauf.

Der maßgebliche Spieler auf der anderen Seite ist die neue griechische Regierung. Auch hier kann man ein „common agency“-Problem konstatieren. Die Regierung fungiert grundsätzlich als Beauftragter ihrer Bürger, insbesondere derjenigen, die diese Regierung gewählt haben. Das birgt im vorliegenden Fall beträchtlichen Sprengstoff. Denn die Wähler der Rechtspopulisten und der Syriza haben außer dem Feindbild Troika wenig gemeinsam. Die rechtspopulistische Parteispitze gehört in großen Teilen zum politischen und wirtschaftlichen Establishment in Griechenland, welches zu Recht für die Misere der Vergangenheit verantwortlich gemacht wird.

Zum zweiten ist keine generelle Solidarisierung in Griechenland zu beobachten, im Gegenteil: Die Interessensgegensätze scheinen sich verstärkt zu haben. Die Zunahme der Target-Forderungen der Deutschen Bundesbank gegenüber dem Eurosystem um mehr als 54 Milliarden Euro ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Reflex einer massiven Kapitalflucht insbesondere griechischer Vermögensbesitzer aus dem eigenen Land. Zudem erschwert das historisch gewachsene, generelle Misstrauen der Griechen gegenüber ihrem Staat eine Interessensharmonisierung. Wenn Bevölkerungsteile zum Beispiel durch Kapitalflucht schon den „exit“ betreiben, wie soll dann die griechische Regierung glaubhaft Positionen in der Verhandlung vertreten können? Insgesamt betrachtet ist also das „common agency“-Problem im Falle Griechenlands nicht gelöst. Dies verringert die Verhandlungsmacht der griechischen Regierung und ist somit für den Stimmungsumschwung zu Lasten der griechischen Position verantwortlich: Tsipras und Varoufakis haben sich verkalkuliert.

Die griechische Schuldenkrise. Wirklich öffentlich wahrgenommen seit 2010, vielleicht auch dank einiger Verschleierungstaktiken. Doch schon 2001, beim Euro-Beitritt Griechenlands war der Schuldenberg enorm: Mit 103 Prozent des Bruttoinlandsproduktes lag Griechenland deutlich über dem 60 Prozent EU-Konvergenzkriterium. EU-Hilfe wurde schließlich Ende April 2010 beantragt, als klar war, dass eine Kreditrückzahlung nicht funktionieren würde und Hilfe zur Abwendung eines Staatsbankrotts unerlässlich werden würde. Doch mittlerweile scheint Griechenland schlichtweg keine Lust auf die harten Sparauflagen zu haben. Der Währungsexperte Jacob Kirkegaard spricht von einem "Chicken Game", bei dem derjenige verliere, der zu erst blinzele. Die Position Griechenlands schätzt er nichtsdestotrotz als deutlich unterlegen ein - somit sei fraglich, ob die Regierung wirklich einhalten kann, was sie versprochen hat: Alles anders zu machen als die Vorgänger.
Die griechische Schuldenkrise. Wirklich öffentlich wahrgenommen seit 2010, vielleicht auch dank einiger Verschleierungstaktiken. Doch schon 2001, beim Euro-Beitritt Griechenlands war der Schuldenberg enorm: Mit 103 Prozent des Bruttoinlandsproduktes lag Griechenland deutlich über dem 60 Prozent EU-Konvergenzkriterium. EU-Hilfe wurde schließlich Ende April 2010 beantragt, als klar war, dass eine Kreditrückzahlung nicht funktionieren würde und Hilfe zur Abwendung eines Staatsbankrotts unerlässlich werden würde. Doch mittlerweile scheint Griechenland schlichtweg keine Lust auf die harten Sparauflagen zu haben. Der Währungsexperte Jacob Kirkegaard spricht von einem "Chicken Game", bei dem derjenige verliere, der zu erst blinzele. Die Position Griechenlands schätzt er nichtsdestotrotz als deutlich unterlegen ein - somit sei fraglich, ob die Regierung wirklich einhalten kann, was sie versprochen hat: Alles anders zu machen als die Vorgänger.

Meine Prognose ist folgende: Griechenland wird den Verhandlungspoker verlieren. Dies wird auf mittlere Frist die griechische Regierung zu Fall bringen. Die griechische Schuldenproblematik wird damit jedoch nicht adäquat adressiert: Ohne massiven Schuldenschnitt kann es keinen Neuanfang geben, der gleichermaßen von strukturellen und institutionellen Reformen im Land begleitet sein muss. Diese beiden zentralen Komponenten einer dauerhaften Lösung werden aber gerade momentan verspielt. Ein „Grexit“ wird damit wahrscheinlicher.

Titelbild: Theophilos Papadopoulos / flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0)

Bilder im Text:Lorenzo Gaudenzi / flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0)

„Greece in the European Union on the globe (Europe 

centered)“ von TUBS - Eigenes Werk. Diese Vektorgrafik 

wurde mit dem Adobe  Illustrator erstellt. Diese 

Datei wurde mit Commonist hochgeladen. Diese 

Vektorgrafik enthält Elemente die von folgender Datei

entnommen oder adaptiert wurden: Europe 

on the globe (red).svg (von TUBS). Lizenziert unter 

CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons

GRSchuKrise“ von Alex1011 - Eigenes Werk. Lizenziert 

unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons


Artikel (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Marcel Tyrell

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm und Alina Zimmermann

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