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„Entscheidend ist auf dem Platz“
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Persönlichkeitsstrukturen im Berufsfußball

„Entscheidend ist auf dem Platz“

von Prof. Dr. Hans Ulrich Umbrecht | Zeppelin Universität
03.03.2017
In unserer Fußballgegenwart stehen nun endlich komplexere Persönlichkeitstypen am Spielfeldrand, doch dabei handelt es sich weder um Präsidenten noch um Manager und schon gar nicht um Spieler, sondern um eine neue Trainergeneration. So hat man die laufende Saison in der englischen Liga zu einer ,Weltmeisterschaft von Trainern‘ ausgerufen, die markante Berufsprofile mit individuellen Interessen und Lebensgeschichten verbinden.

Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht
Gastprofessor für Literaturwissenschaften
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht

    Der gebürtige Würzburger Professor Dr. Hans Ulrich Gumbrecht ist ständiger Gastprofessor für Literaturwissenschaften an die Zeppelin Universität. Er studierte Romanistik, Germanistik, Philosophie und Soziologie in München, Regensburg, Salamanca, Pavia und Konstanz. Seit 1989 bekleidete er verschiedene Professuren für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften der Stanford University. Einem breiteren Publikum ist er bereits seit Ende der 1980er-Jahre durch zahlreiche Beiträge im Feuilleton vor allem der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Neuen Zürcher Zeitung sowie durch seine Essays bekannt. Darin befasst er sich immer wieder auch mit der Rolle des Sports. Gumbrecht ist bekennender Fußballfan und Anhänger von Borussia Dortmund.  

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Fünfmal während des vergangenen Jahres mussten Möbel, Wände und Böden der Penthouse-Wohnung, die sein Club einem der strahlendsten jungen Abwehrspieler in der Bundesliga mietet, komplett renoviert werden. Für ihn und viele seiner Kollegen ist es auch nicht selbstverständlich, den zuständigen Physiotherapeuten nach Anwendungen kurz zu danken. Rührend beinahe, aber von ähnlichem Symptomwert ist die Geschichte von dem zu Recht hoch bezahlten Angreifer, der während der Urlaubszeit seines Managers beim Videoanalytiker anrief, um zu erfahren, wo und wie er eilig einen neuen Sportwagen kaufen könne. Der beliebig zu erweiternde Anekdotenschatz aus dem Karrieretunnel des Fußballs sollte freilich keine moralische Entrüstung auslösen. Denn er zeigt nur auf eine zum Regelfall gewordene Fehlentwicklung in der Persönlichkeitsstruktur von Berufssportlern. Aufgrund eines spezifischen Talents werden sie oft schon vor den Pubertätsjahren entdeckt, arbeiten dann ausschließlich an der Entfaltung dieses Potentials – und bleiben innerhalb der großen Freizeitspielräume zwischen Trainingseinheiten, Reisen und Wettkämpfen ganz sich selbst (und der elektronischen Beschäftigungstechnologie) überlassen. Die Entstehung und der Kern des Problems werden in seiner Vorgeschichte greifbar.

Als 1951 der FC Inter Milan und der AC Milan aufeinandertrafen, da war Fußball noch Sport. Heute ist die Jagd von 22 Spielern nach einem runden Ball zu einem kommerziellen Event verkommen. Der Vorwurf an die weltweit wohl immer noch meist gespielte Sportart ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Bleiben die Persönlichkeiten von Spielern nicht schon aufgrund ihrer Rolle in der Mannschaft und im Sport zurück, dann verschwinden sie spätestens hinter enormen Transfersummen und wahnwitzigen Gehältern. Paul Pogba wechselte von Juventus Turin zu Manchester United für 105 Millionen Euro. Das höchste Jahresgehalt kassiert der Portugiese Christiano Ronaldovon Real Madrid mit 21 Millionen Euro. Bis in das Jahr 1950 erlaubte der Deutsche Fußballbund selbst in der höchsten Spielklasse – der damaligen Oberliga – keine Profis. Mit Beginn der Saison 1950/51 wurde der Status des „Vertragsspielers“ eingeführt, der eine Bezahlung der Athleten zwar ausdrücklich erlaubte, aber zugleich eine Begrenzung der Gehälter auf maximal umgerechnet 163 Euro im Monat vorsah. Innerhalb von knapp 70 Jahren haben sich die Topgehälter der Kicker fast verelftausendfacht. Wer verkauft bei diesem Multiplikator nicht gerne nicht nur seine Füße, sondern auch gleich seine Persönlichkeit?
Als 1951 der FC Inter Milan und der AC Milan aufeinandertrafen, da war Fußball noch Sport. Heute ist die Jagd von 22 Spielern nach einem runden Ball zu einem kommerziellen Event verkommen. Der Vorwurf an die weltweit wohl immer noch meist gespielte Sportart ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Bleiben die Persönlichkeiten von Spielern nicht schon aufgrund ihrer Rolle in der Mannschaft und im Sport zurück, dann verschwinden sie spätestens hinter enormen Transfersummen und wahnwitzigen Gehältern. Paul Pogba wechselte von Juventus Turin zu Manchester United für 105 Millionen Euro. Das höchste Jahresgehalt kassiert der Portugiese Christiano Ronaldovon Real Madrid mit 21 Millionen Euro. Bis in das Jahr 1950 erlaubte der Deutsche Fußballbund selbst in der höchsten Spielklasse – der damaligen Oberliga – keine Profis. Mit Beginn der Saison 1950/51 wurde der Status des „Vertragsspielers“ eingeführt, der eine Bezahlung der Athleten zwar ausdrücklich erlaubte, aber zugleich eine Begrenzung der Gehälter auf maximal umgerechnet 163 Euro im Monat vorsah. Innerhalb von knapp 70 Jahren haben sich die Topgehälter der Kicker fast verelftausendfacht. Wer verkauft bei diesem Multiplikator nicht gerne nicht nur seine Füße, sondern auch gleich seine Persönlichkeit?

Adi Preißler, Kapitän jener Dortmunder Mannschaft, die 1956 und 1957 zwei deutsche Meisterschaften gewann, gehört der bis heute mit bewundernder Ironie zitierte Satz „entscheidend ist auf dem Platz“, der sich gegen damals überflüssig scheinende Trainingsmethoden und Spielstrategien wandte. Bis heute erfasst er aber auch eine den Berufssportlern auferlegte Persönlichkeitsstruktur. Wenn man sich nämlich klar macht, dass wir im Laufe unseres Lebens eine öffentliche und eine private Identität ausbilden – das heißt zum einen jene meist vorgegebene Rolle, die wir etwa im Beruf allgemein sichtbar spielen, zum anderen die als authentisch und individuell erlebte Rolle, wie sie aus dem Kontakt mit vertrauten Personen entsteht – dann wird klar, wie sehr Protagonisten des Sports dem Erwartungsdruck ausgesetzt sind, ihre private Identität möglichst weit der sich „auf dem Platz“ zeigenden öffentlichen Identität unterzuordnen.

Niemand machte diese Atrophie deutlicher als Sepp Herberger, Weltmeistertrainer von 1954. Selbst auf den seltenen Fotos mit seiner Frau ist er stets im Trainingsanzug des Deutschen Fußballbundes und in Sportschuhen zu sehen (was damals niemand als Geste der Werbung interpretierte). Jeden Gedanken, den Journalisten hinter Herbergers listigem Gesicht vermuteten, ordneten sie dem Fußball zu – und angesichts solch existentieller Ausschließlichkeit schien es ganz natürlich, dass Herbergers Ehe kinderlos blieb. Dies war auch bei seinen Lieblingsschüler Fritz Walter und dessen Frau Italia der Fall – von denen man eigentlich nur wusste, dass sie nie so recht erfolgreich in den beruflichen Situationen wurden (Tankstelle, Wäscherei, Kino), mit denen großzügige Fußballanhänger ihr Leben hatten erleichtern wollen. Fritz Walters möglicherweise traumatische Fronterlebnisse und ihre psychischen Folgen oder Sepp Herbergers nationalsozialistische Vergangenheit hingegen blieben unter den Fußballrollen verdeckt.

Als Deutschland 1974 zum zweiten Mal Weltmeister wurde, hatte sich eine andere Persönlichkeitsstruktur herausgebildet. Da man den Stil prominenter Spieler nun als Ausdruck ihres Charakters deuten wollte, entstanden Vermutungen über private Identität, die nie mehr sein konnten als platte Projektionen des Eindrucks von ihrem Spiel. Günter Netzers entschlossene Mittelfelddribblings und Pässe zum Beispiel machten ihn zum „Rebell am Ball“ (so der Titel seiner ersten Biographie), während Franz Beckenbauers Bewegungen Assoziationen mit monarchischer Würde und einem Status erhobener Individualität weckten („Einer wie Ich“). Zwar wurde die private Dimension nun nicht mehr verdunkelt, doch was in den Blick kam, waren bloß Elemente der öffentlichen Sportlerrollen, welche die Umrisse privater Identität ausfüllten.

Der typische Fußballpräsident kehrt seiner Mannschaft irgendwann einmal den Rücken und versucht, seine Lebensleistung in einem anderen Beruf zum krönenden Schlusspunkt zu führen – natürlich zu Lasten der Identifikation mit dem Verein. Die Ausnahme: Bayernboss Uli Hoeneß. „In Deutschland scheint eine Sehnsucht nach väterlicher Autorität nach dem Vorbild von Uli Hoeneß nicht auszusterben“, sagt Gumbrecht. Mit Blick auf Hoeneß ein bemerkenswerter Wunsch, wanderte doch ausgerechnet der Träger des BAMBI in der Kategorie „Wirtschaft“ wegen Steuerhinterziehung für drei Jahre und sechs Monate in den Knast. In sieben Fällen wurde Hoeneß der Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro schuldig gesprochen. Bereits wenige Monate nach Haftantritt bekam Hoeneß den ersten Hafturlaub gewehrt, verbrachte Weihnachten und Silvester zu Hause, wurde im Februar 2016 vorzeitig entlassen. Seit dem 25. November 2016 ist er zum zweiten Mal Präsident des FC Bayern München. Mit 97 Prozent der Stimmen kehrte er zurück an die Vereinsspitze. Mangelnde Identität und eindimensionales Verhalten kann Hoeneß niemand vorwerfen – egal in welcher „Branche“.
Der typische Fußballpräsident kehrt seiner Mannschaft irgendwann einmal den Rücken und versucht, seine Lebensleistung in einem anderen Beruf zum krönenden Schlusspunkt zu führen – natürlich zu Lasten der Identifikation mit dem Verein. Die Ausnahme: Bayernboss Uli Hoeneß. „In Deutschland scheint eine Sehnsucht nach väterlicher Autorität nach dem Vorbild von Uli Hoeneß nicht auszusterben“, sagt Gumbrecht. Mit Blick auf Hoeneß ein bemerkenswerter Wunsch, wanderte doch ausgerechnet der Träger des BAMBI in der Kategorie „Wirtschaft“ wegen Steuerhinterziehung für drei Jahre und sechs Monate in den Knast. In sieben Fällen wurde Hoeneß der Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro schuldig gesprochen. Bereits wenige Monate nach Haftantritt bekam Hoeneß den ersten Hafturlaub gewehrt, verbrachte Weihnachten und Silvester zu Hause, wurde im Februar 2016 vorzeitig entlassen. Seit dem 25. November 2016 ist er zum zweiten Mal Präsident des FC Bayern München. Mit 97 Prozent der Stimmen kehrte er zurück an die Vereinsspitze. Mangelnde Identität und eindimensionales Verhalten kann Hoeneß niemand vorwerfen – egal in welcher „Branche“.

Vor diesem Hintergrund sind Manager und Präsidenten erstaunlich eindimensional geblieben. Die Mehrzahl der Manager oder „sportlichen Direktoren“ erlauben ihrer öffentlichen Berufsrolle, alle Anzeichen persönlicher Identität zu neutralisieren. Im Gegensatz zu den amerikanischen „Besitzern von Sportunternehmen“ oder den fabelhaft reichen „Sponsoren“ aus dem Näheren oder Ferneren Osten pflegen europäische Fußballpräsidenten traditionelle und oft national gefärbte Stereotype von Männlichkeit. Florentino Pérez von Real Madrid gibt den absoluten Herrscher mit bedingungslosem Streben nach Ruhm, Silvio Berlusconi hatte in seinen Jahren beim AC Mailand eine farbigere und zugleich zwielichtigere Version desselben Rollentyps dargestellt, und in Deutschland scheint eine Sehnsucht nach väterlicher Autorität nach dem Vorbild von Uli Hoeneß nicht auszusterben, wie die erstaunliche Rückkehr des Bayernpräsidenten nach seiner Haftstrafe belegt.

Die Eindimensionalität der großen Spieler aber macht eine viel dürftigere Variante dieses Strukturmusters aus, weil der typische Fußballpräsident (Uli Hoeneß ist hier die Ausnahme) immerhin seine Lebensleistung in einem anderen Beruf zu einem neuen, oft abschließenden Höhepunkt führen will. Sicher, Sportlern mit der ästhetischen Ausstrahlung eines Messi, Ronaldo oder Neymar sollte man nicht auch noch die Erwartung starker privater Identitäten oder gar moralischer Vorbildfunktionen zumuten. Doch es ist bemerkenswert – und manchmal auch bewegend – zu sehen, wie viele von ihnen trotz ihrer globalen Aura an die Ursprungsfamilie gebunden bleiben. Lionel Messi, dessen Spanisch nach mehr als der Hälfte eines Lebens in Barcelona noch heute so klingt, als hätte er den argentinischen Geburtsort Rosario nie verlassen, ist nicht gut damit gefahren, dem Vater die Verwaltung des Vermögens und die Abwicklung der Steuerverpflichtungen zu überlassen. In Cristiano Ronaldos privater Existenz nimmt die Gegenwart seiner Mutter und eines ihr am Herzen liegenden Enkels den zentralen Raum ein. Neymar heißt offiziell „Neymar Junior“, um den eitlen Mythos eines Vaters zu pflegen, der als ehemaliger Drittligaspieler überzeugt ist, sein singuläres Talent an den Sohn weitergegeben zu haben.

Eine eigene Modemarke, ein Museum und die Namenspatenschaft für einen Flughafen machen noch lange keine komplexe persönliche Identität. Denn die bleibt gegenüber der öffentlichen Rolle auf dem Spielfeld im Karrieretunnel gleichsam versiegelt und kann sich nicht weiterentwickeln. Vielleicht nehmen neben tödlichen Steilpässen und gezirkelten Freistößen all die anderen Verpflichtungen des Superstar-Daseins zu viel Raum ein. Cristiano Ronaldo lässt sich unter anderem von Coca-Cola, Samsung oder Toyota in gut bezahlten Werbedeals entlohnen, investierte in den Bau eigener Hotels. Sein Gesamtvermögen wurde 2015 auf rund 210 Millionen Euro geschätzt. Kein Wunder, dass da auch eine Autobiographie, ein Dokumentarfilm und ein eigenes CR7-Museum fällig wurden. Im Sommer 2016 wurde sogar der Flughafen Madeira in „Aeroporto de Christiano Ronaldo" umbenannt. Auch der fünfmalige Weltfußballer des Jahres, Lionel Messi, muss fleißig sein Vermögen verwalten: Auf geschätzte 200 Millionen Euro soll es sein Vermögen bringen. Immerhin versucht sich Messi zunehmend auch als Manager und Clubpräsident, will nur dann beim FC Barcelona bleiben, wenn von ihm selbst ausgewählte Spieler verpflichtet werden. Sogar den Trainer will er bestimmen, um seinem Verein treu zu bleiben: Landsmann Jorge Sampaoli soll auf Luis Enrique folgen. Offensichtlich hat Messi seinen Club im Griff: Laut „The Telegraph" soll Barcelona bereits erste Verhandlungen geführt haben.
Eine eigene Modemarke, ein Museum und die Namenspatenschaft für einen Flughafen machen noch lange keine komplexe persönliche Identität. Denn die bleibt gegenüber der öffentlichen Rolle auf dem Spielfeld im Karrieretunnel gleichsam versiegelt und kann sich nicht weiterentwickeln. Vielleicht nehmen neben tödlichen Steilpässen und gezirkelten Freistößen all die anderen Verpflichtungen des Superstar-Daseins zu viel Raum ein. Cristiano Ronaldo lässt sich unter anderem von Coca-Cola, Samsung oder Toyota in gut bezahlten Werbedeals entlohnen, investierte in den Bau eigener Hotels. Sein Gesamtvermögen wurde 2015 auf rund 210 Millionen Euro geschätzt. Kein Wunder, dass da auch eine Autobiographie, ein Dokumentarfilm und ein eigenes CR7-Museum fällig wurden. Im Sommer 2016 wurde sogar der Flughafen Madeira in „Aeroporto de Christiano Ronaldo" umbenannt. Auch der fünfmalige Weltfußballer des Jahres, Lionel Messi, muss fleißig sein Vermögen verwalten: Auf geschätzte 200 Millionen Euro soll es sein Vermögen bringen. Immerhin versucht sich Messi zunehmend auch als Manager und Clubpräsident, will nur dann beim FC Barcelona bleiben, wenn von ihm selbst ausgewählte Spieler verpflichtet werden. Sogar den Trainer will er bestimmen, um seinem Verein treu zu bleiben: Landsmann Jorge Sampaoli soll auf Luis Enrique folgen. Offensichtlich hat Messi seinen Club im Griff: Laut „The Telegraph" soll Barcelona bereits erste Verhandlungen geführt haben.

So bleibt die persönliche Identität der Stars gegenüber ihrer öffentlichen Rolle auf dem Spielfeld im Karrieretunnel gleichsam versiegelt und kann sich nicht weiterentwickeln. Pierre Emerick Aubameyang hat es als Torjäger in Dortmund nicht nur zum afrikanischen Fußballer des Jahres und zum Weltstar gebracht, er ist auch berühmt dafür geworden, seine Tore besonders spektakulär mit einem Salto und manchmal sogar mit einer Batman-Maske zu feiern. Doch in privaten Gesprächen wirkt er scheu und einsilbig. Die Zeiten zwischen den Trainingseinheiten und Spielen füllen er und die meisten seiner Kollegen mit Videospielen und Twitter-Kommunikation, während alle Alltagsaufgaben diesseits des Fußballs – vom Sportwagenkauf bis zu den Zweierbeziehungen – organisatorisch perfekt von Managern abgedeckt werden. Dass dabei oft langfristig problematische Abhängigkeitsverhältnisse entstehen, scheint nur wenige von ihnen zu stören – und meist Teil ihrer Strategie zu sein. Ausnahmeaspekte, wie die Entscheidung von Philipp Lahm gegen einen Karriereübergang in die Rolle des Sportdirektors bei Bayern München oder Cristiano Ronaldos Teilnahme an den Entscheidungen über die Investition seines Vermögens, bestätigen nur diese Regel – und werden allzu leicht mit einer so nicht existierenden Normalität verwechselt.

Schon nach wenigen Spielzeiten lebenslang gut versorgt, werden sich die erfolgreichsten dieser jungen Männer ohne erwachsene Privatsphäre oft selbst zum Problem, wenn sie für eine Zeit (wie etwa der von Schalke 04 zu Manchester City gewechselte Leroi Sané) nicht regelmäßig zum Einsatz kommen – und verlieren dann schnell den Mut zu persönlicher Unabhängigkeit. Ohne Protest erfüllen sie ohnehin die Erwartung ihrer Clubs, keine politischen Stellungnahmen abzugeben. Sollte es doch je so weit kommen, lassen sie sich ohne weiteres zurückpfeifen, wie vor Kurzem ein türkischer Spieler von Bayern Leverkusen, der ohne Abstimmung mit dem Club seine Sympathie für Staatspräsident Erdogan ausgedrückt hatte – was zu einem Zeitpunkt, als Angela Merkel auf Staatsbesuch in Ankara war, eigentlich keinen Provokationswert hatte. Vielleicht erklärt die so emphatisch als Neutralität und Normalität inszenierte persönliche Leere ja auch, warum sich so erstaunlich wenige aktive Fußballer zu Homosexualität als exzentrische Lebensform bekennen – obwohl ihre Gesellschaften längst gelernt haben, die eigene Toleranz als Wert zu feiern.

Es ist das moderne Kolosseum, die Arena für die Gladiatoren des 21. Jahrhunderts: Das Fußballstadion. Mehr als 13 Millionen Menschen besuchen jedes Jahr Spiele in der Ersten Bundesliga. Fans, Ultra-Gruppen, Anhänger des Gegners richten dabei so grausam über die 22 Recken auf dem Spielfeld wie einst der römische Imperator Julius Cäsar. Ein schlechtes Spiel wird mit gnadenlosen Pfiffen geahndet, persönliche „Verfehlungen" mit hämischen Sprechchören oder Transparenten. Wenig verwunderlich, dass die Versiegelung der eigenen Persönlichkeit fast wie ein Schutzmechanismus wirkt. Trainer Ralf Rangnick ging 2011 offen mit seiner Burnout-Erkrankung um, kämpfte sich zurück in den Profifußball und führt nun RB Leipzig auf Champions-League-Kurs. „Wir warten sehnlichst auf deinen nächsten Burnout", wird er in Berlin begrüßt. „Burnout Ralle: Häng dich auf!", schieben Fans von Borussia Dortmund hinterher. Auch Homosexualität ist im Profifußball ein Tabuthema geblieben: Präsidenten, Manager und ehemaliger Spieler raten aktuellen Profis vehement von einem Coming-out ab. Günter Netzer bestätigte im Fernsehen, ein Outing könnte fatale Folgen für Spieler haben. Der ehemalige St. Pauli-Präsident Corny Littmann befürchtet für homosexuelle Spieler eine sofortige Außenseiterrolle in einer heterosexuellen Mannschaft. Schätzungen gehen davon aus, dass in den deutschen Bundesligen mindestens drei schwule Teams spielen müssten. Ein öffentliches Coming-out wagte noch immer kein aktiver Profi.
Es ist das moderne Kolosseum, die Arena für die Gladiatoren des 21. Jahrhunderts: Das Fußballstadion. Mehr als 13 Millionen Menschen besuchen jedes Jahr Spiele in der Ersten Bundesliga. Fans, Ultra-Gruppen, Anhänger des Gegners richten dabei so grausam über die 22 Recken auf dem Spielfeld wie einst der römische Imperator Julius Cäsar. Ein schlechtes Spiel wird mit gnadenlosen Pfiffen geahndet, persönliche „Verfehlungen" mit hämischen Sprechchören oder Transparenten. Wenig verwunderlich, dass die Versiegelung der eigenen Persönlichkeit fast wie ein Schutzmechanismus wirkt. Trainer Ralf Rangnick ging 2011 offen mit seiner Burnout-Erkrankung um, kämpfte sich zurück in den Profifußball und führt nun RB Leipzig auf Champions-League-Kurs. „Wir warten sehnlichst auf deinen nächsten Burnout", wird er in Berlin begrüßt. „Burnout Ralle: Häng dich auf!", schieben Fans von Borussia Dortmund hinterher. Auch Homosexualität ist im Profifußball ein Tabuthema geblieben: Präsidenten, Manager und ehemaliger Spieler raten aktuellen Profis vehement von einem Coming-out ab. Günter Netzer bestätigte im Fernsehen, ein Outing könnte fatale Folgen für Spieler haben. Der ehemalige St. Pauli-Präsident Corny Littmann befürchtet für homosexuelle Spieler eine sofortige Außenseiterrolle in einer heterosexuellen Mannschaft. Schätzungen gehen davon aus, dass in den deutschen Bundesligen mindestens drei schwule Teams spielen müssten. Ein öffentliches Coming-out wagte noch immer kein aktiver Profi.

Und was sollte die neue Trainergeneration gegen die Persönlichkeits-atrophierende Dominanz der Fußballrolle ihrer Spieler setzen? Versorgungsprobleme nach Karriereende kommen dank drastisch gestiegener Einkünfte und kompetenter gewordener Manager heute bei ehemaligen Spielern der Ersten Bundesliga kaum noch vor. Deshalb muss die Sicherung eines Schulabschlusses – auf die man früher bestand, um Berufsalternativen offen zu halten – heute nicht mehr die Lösung sein. Es sollte um eine ganz andere „Bildung“ gehen, die junge Spieler primär fasziniert, ihrer existentiellen Leere vorbaut und als mentaler Faktor auch ihre sportliche Kompetenz erhöht. Könnten die Mannschaften zum sozialen Medium einer solchen Entwicklung werden? Gibt es Alternativen zum Dauer-Tischtennis bei Trainingslagern? Ein Beginn wäre vielleicht der Versuch, diesen jungen Männern in beständiger Bewegung ein – das Karrieretunnel öffnendes – Gefühl dafür zu geben, wo auf ihren Reisen sie sich jeweils im Hinblick auf Populärkultur, Sprache, Politik oder Sportgeschichte befinden. Doch zunächst muss es darum gehen, das Problem der Persönlichkeitsstruktur von Berufssportlern unserer Gegenwart überhaupt prägnant in den Blick zu bringen.

Titelbild: 

| Markus Spiske raumrot.com / Unsplash.com (CC0 Public Domain)


Bilder im Text: 

| Vito Liverani / Omega Fotocronache (in Gunnar Nordahl: Milano nello sport, ISBN: 978-88-203-6316-1 / Gemeinfrei)

| Hubert Burda Media Konzernkommunikation / flickr.com (CC BY-NC-SA 2.0)

Fanny Schertzer / Own work (CC BY 3.0)

| Unsplash.com / Pexels.com (CC0 Public Domain)


Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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