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Eine Klappe geht noch!
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Filmfortsetzungen

Eine Klappe geht noch!

von Prof. Dr. Christian Opitz und Prof. Dr. Kay H. Hofmann
11.12.2017
Jede Beschäftigung mit einer Film-Franchise verbessert das Konsumerlebnis und lässt entsprechend investierte Zuschauer eine Filmfortsetzung besser bewerten. Vor diesem Hintergrund lassen sich Aktivitäten von Filmstudios, die Insiderinformationen bereitstellen, oder Filmstars, die in sozialen Medien aktiv sind und Blogs unterhalten, als gezielte Pflege ihrer jeweiligen Konsumkapitalbasis interpretieren.

Prof. Dr. Christian Opitz
ZF Friedrichshafen-Lehrstuhl für Unternehmensführung & Personalmanagement an der ZU
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Christian Opitz

    Professor Dr. Christian Opitz ist Inhaber des ZF Friedrichshafen-Lehrstuhls für Unternehmensführung & Personalmanagement. Nach dem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der Technischen Hochschule Darmstadt und dem Politecnico di Torino (Turin, Italien) promovierte er an der Universität Zürich. Es folgte die Habilitation über „Validierungsmechanismen für Ausbildungssignale und ihr Effekt auf die Karrierewege von High Potentials in den USA, Frankreich und Deutschland“. Bevor er den Ruf an die Zeppelin Universität annahm, war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Bergakademie Freiberg.  

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    Factbox
    Zum Weiterlesen: The more you know, the more you enjoy?

    Opitz, C. and Hofmann, K. H. (2016). The more you know, the more you enjoy? Applying ‘Consumption Capital Theory’ to Motion Picture Franchises. Journal of Media Economics, Vol. 29, No. 4, 181-195. DOI: 10.1080/08997764.2016.1244676 

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Trotz ihrer teils höchst kontroversen Bewertungen durch loyale Fans, durchschnittliche Filmkonsumenten und professionelle Kritiker sind Fortsetzungen erfolgreicher Kinofilmformate, sogenannte Sequels, fester Bestandteil der modernen Filmproduktion. Ein Phänomen, das ZU-Professor Christian Opitz gemeinsam mit seinem früheren wissenschaftlichen Mitarbeiter und heutigem BWL-Professor in Osnabrück Kay H. Hofmann untersucht hat. Sie widmen sich dabei dem Erfolg von Sequels aus einer Konsumkapitalperspektive. Das Ergebnis: „The more you know, the more you enjoy“. Zugleich identifizieren sie Faktoren eines (fast garantierten) Misserfolgs.


Als Kinobesucher konnte man in den vergangenen Jahren den Eindruck gewinnen, dass sich die Produktion von Filmfortsetzungen zu einer regelrechten Masche entwickelt hat. Die Programmhefte sind voll von entsprechenden Titeln und Clips, die auf kommende Neuerscheinungen hinweisen, sie bewerben immer neue Abenteuer altbekannter Helden. Der besondere Erfolg von Filmen, die auf einer bewährt-bekannten Geschichte aufbauen, scheint ihren Machern recht zu geben: An den Kinokassen der USA fielen 2016 acht der zehn erfolgreichsten Filme in diese Kategorie und unter den zehn erfolgreichsten deutschen Produktionen dieses Jahres waren immerhin die Hälfte der Filme Fortsetzungen. Aus der Perspektive eines durchschnittlichen Kinogängers ist dieser überragende Erfolg serieller Formate nur schwer nachzuvollziehen. Tatsächlich würden viele Cineasten an der besonderen Qualität von Filmen wie „Police Academy 7“, „Die Vampirschwestern 3“ oder „Werner – Eiskalt!“ eher zweifeln.

Schon bald könnte „Wenn die Kinokasse mehrmals klingelt“ eher „Wenn die Streamingkasse mehrmals klingelt“ heißen? Das legen zumindest die Statistiken der Filmförderungsgesellschaft FFA nahe: Im Jahr 2002 gab es demnach knapp 1.850 Kinospielstätten in Deutschland. 14 Jahre später, im Jahr 2016, waren es rund 200 Filmtheater weniger. Auch die Besucherzahlen aktueller Kinofilme machen keinen Hehl um die schlechte Lage deutscher Kinos: Mit 208 Millionen Euro konnte der deutsche Film im Jahr 2016 nicht an das erfolgreiche Jahr davor anknüpfen. 27 Millionen Kinobesuche sorgten ebenfalls für ein Minus im Vergleich zu 2015 (42 Millionen Besuche). Daraus ergibt sich für das Jahr 2016 sowohl ein Umsatz- als auch ein Besuchsminus von 35 Prozent. Auch ein Blick auf die Altersstruktur der Kinobesucher zeigt: Wer jung ist, fiebert bei Streamingdiensten mit. Der Besucher deutscher Kinofilme bleibt mit 42 Jahren älter als der Gesamtkinobesucher mit knapp 38 Jahren – wobei die Gruppe der über 50-Jährigen einen Besucheranteil von 39 Prozent ausmacht, 12 Prozent mehr als die Altersgruppe im Gesamtmarkt darstellt.
Schon bald könnte „Wenn die Kinokasse mehrmals klingelt“ eher „Wenn die Streamingkasse mehrmals klingelt“ heißen? Das legen zumindest die Statistiken der Filmförderungsgesellschaft FFA nahe: Im Jahr 2002 gab es demnach knapp 1.850 Kinospielstätten in Deutschland. 14 Jahre später, im Jahr 2016, waren es rund 200 Filmtheater weniger. Auch die Besucherzahlen aktueller Kinofilme machen keinen Hehl um die schlechte Lage deutscher Kinos: Mit 208 Millionen Euro konnte der deutsche Film im Jahr 2016 nicht an das erfolgreiche Jahr davor anknüpfen. 27 Millionen Kinobesuche sorgten ebenfalls für ein Minus im Vergleich zu 2015 (42 Millionen Besuche). Daraus ergibt sich für das Jahr 2016 sowohl ein Umsatz- als auch ein Besuchsminus von 35 Prozent. Auch ein Blick auf die Altersstruktur der Kinobesucher zeigt: Wer jung ist, fiebert bei Streamingdiensten mit. Der Besucher deutscher Kinofilme bleibt mit 42 Jahren älter als der Gesamtkinobesucher mit knapp 38 Jahren – wobei die Gruppe der über 50-Jährigen einen Besucheranteil von 39 Prozent ausmacht, 12 Prozent mehr als die Altersgruppe im Gesamtmarkt darstellt.

In ihren Antworten auf die Frage nach den Gründen für den Erfolg dieser Film-Franchises sind sich Filmpraktiker und Filmforscher weitgehend einig: Fortsetzungen von erfolgreichen Filmen signalisieren ein ebenfalls erfolgreiches Produkt, ziehen entsprechend eine größere Menge an Zuschauern an und reduzieren auf diese Weise das Risiko von Filmproduzenten, das sich in den vergangenen Jahren durch rasant ansteigende Produktionskosten kontinuierlich erhöht hat.


Unsere Studie untersucht die Erfolgstreiber dieses wichtigen Medienproduktes aus einer ökonomischen Perspektive. Dabei verwenden wir die von George J. Stigler and Gary S. Becker (1977) entwickelte „Konsumkapitaltheorie“. Nach diesem Ansatz hängt die Qualität eines Konsumerlebnisses vom Umfang des vorherigen Konsums eines bestimmten Produktes oder einer bestimmten Dienstleistung ab. Gerade für Kulturgüter könnte aus dieser Perspektive „the more you know, the more you enjoy“ gelten, wie es Moshe Adler (1985) ganz pointiert formuliert hat.


Übertragen auf Film-Franchises ergibt sich aus dieser Perspektive, dass Kinogänger, die über den bisherigen Inhalt einer Serie orientiert sind, eine Fortsetzung mehr wertschätzen als Konsumenten ohne ein entsprechendes Vorwissen. Indem sie eine oder mehrere Episoden einer Serie schauen, sich zusätzliche Informationen beschaffen oder sich mit anderen informierten Personen austauschen, erwerben Filmkonsumenten serien-spezifisches Wissen oder franchise-spezifisches Konsumkapital, wie wir in unserer Studie sagen.

Unterschiede zwischen mehr oder weniger kenntnisreichen Konsumenten sollten sich in entsprechend unterschiedlichen Qualitätsurteilen niederschlagen: Je höher das franchisespezifische Konsumkapital eines Zuschauers, desto höher ist seine individuelle Wertschätzung für eine Fortsetzung dieser Serie und umgekehrt. Ein Sequel sollte also dann besonders erfolgreich sein, wenn es das bestehende Konsumkapital seines Publikums anspricht und auf vorherige Episoden entsprechend Bezug nimmt.


Für unsere empirische Analyse haben wir detaillierte Informationen zu 289 Filmfortsetzungen und ihren Vorgängern gesammelt, die zwischen 1992 und 2011 in nordamerikanischen Kinos gelaufen sind. Um unsere theoretischen Überlegungen zu testen, verglichen wir die durchschnittlichen Bewertungen von Filmkonsumenten und Filmkritikern, wie sie auf der Internetseite von Rotten Tomatoes – einer populären US-amerikanischen Quelle für filmbezogene Informationen – hinterlegt sind. Wir gingen davon aus, dass zumindest ein Teil dieser Konsumenten über den breiten Kontext eines Sequels orientiert war, oder anders formuliert franchise-spezifisches Konsumkapital besitzen und ihr Qualitätsurteil entsprechend kontextualisiert haben. Filmkritiker sollten dagegen möglichst objektiv urteilen und sich nicht von ihren vorangegangenen Erfahrungen mit einer bestimmen Serie leiten lassen. Wenn der Sinn und Zweck eines Kritikerurteils darin besteht, potentiellen Zuschauern eine Orientierung zu geben, sollte es losgelöst vom individuellen Konsumkapitalstatus des Kritikers entwickelt werden.

Der erste Teil einer Legende, das Sequel ein Totalschaden: Für die bekannte Internetplattform Filmstarts ist „Basic Instinct 2“ aus dem Jahr 2006 die schlechteste Filmfortsetzung aller Zeiten. Über Jahre bekniete Hollywood Michael Douglas und Sharon Stone, ihren Megaerfolg „Basic Instinct“ aus dem Jahr 1992 fortzusetzen. Doch je mehr Zeit ins Land zog, desto unangenehmer wurde das Vorhaben. Douglas verweigerte seine Mitarbeit, doch Sharon Stone brauchte 2006 dringend einen Hit, ließ sich operativ in Form bringen und gab noch einmal das Biest Catherine Tramell. Das Fazit des Online-Dienstes: „Ein komatös spielender David Morrissey als Michael-Douglas-Ersatz war für die damals 48-jährige Stone kein ernstzunehmender Partner, sie selbst verkommt dazu noch zu einer Karikatur.“
Der erste Teil einer Legende, das Sequel ein Totalschaden: Für die bekannte Internetplattform Filmstarts ist „Basic Instinct 2“ aus dem Jahr 2006 die schlechteste Filmfortsetzung aller Zeiten. Über Jahre bekniete Hollywood Michael Douglas und Sharon Stone, ihren Megaerfolg „Basic Instinct“ aus dem Jahr 1992 fortzusetzen. Doch je mehr Zeit ins Land zog, desto unangenehmer wurde das Vorhaben. Douglas verweigerte seine Mitarbeit, doch Sharon Stone brauchte 2006 dringend einen Hit, ließ sich operativ in Form bringen und gab noch einmal das Biest Catherine Tramell. Das Fazit des Online-Dienstes: „Ein komatös spielender David Morrissey als Michael-Douglas-Ersatz war für die damals 48-jährige Stone kein ernstzunehmender Partner, sie selbst verkommt dazu noch zu einer Karikatur.“

Die empirischen Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kinogänger und professionelle Kritiker die Qualität einer Filmfortsetzung tatsächlich an unterschiedlichen Kriterien festmachen. Das Urteil von Filmkonsumenten über ein Sequel fällt – im Unterschied zu Filmkritikern, denen diese Punkte gerade egal zu sein scheinen – signifikant schlechter aus, wenn im Vergleich zur vorangegangenen Episode:


| die Hauptdarstellerinnen und Hauptdarsteller ausgetauscht wurden,


| ein Film einem anderen Genre zugeordnet wurde


| und sich die Altersfreigabe verändert hatte, etwa weil mehr oder weniger gewalttätige oder erotische Inhalte gezeigt wurden.


Darüber hinaus bewerten Kinogänger eine Fortsetzung umso besser, je kürzer die Zeitspanne zu ihrem Vorgänger ist und je später sie in einer Reihe von Filmen einer bestimmten Serie angesiedelt ist. Der erste Befund könnte auf die grundsätzliche Vergänglichkeit von Konsumkapital hinweisen: Zuschauer vergessen mit der Zeit wichtige Details und/oder wenden sich anderen Konsumobjekten zu. Der zweite Befund kann dagegen als Hinweis auf die besondere Eigenschaft von Konsumkapital verstanden werden, Zuschauer an eine bestimmte Serie zu binden.

In Summe deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass das Ausmaß an vorhandenem Konsumkapital die Qualitätswahrnehmung von Zuschauern entscheidend beeinflusst. Das Schauen von älteren Episoden oder jede andere Beschäftigung mit einer Film-Franchise verbessert das Konsumerlebnis und lässt entsprechend investierte Zuschauer eine Filmfortsetzung besser bewerten. Vor diesem Hintergrund lassen sich Aktivitäten von Filmstudios, die Insiderinformationen über die Entstehung einer Serie bereitstellen, oder Filmstars, die in sozialen Medien aktiv sind und Blogs unterhalten, als gezielte Pflege ihrer jeweiligen Konsumkapitalbasis interpretieren. Über Gastauftritte von Stars aus anderen Serien oder anderen Bereichen der Unterhaltungsindustrie wie etwa der Musik lassen sich Konsumkapitalbestände darüber hinaus über die Grenzen der eigenen Produkte hinaus transferieren. Ganz ähnlich könnten „Spin-offs“ oder „Merger“ bekannter Serien funktionieren, die auf einer bekannten Geschichte aufbauen und diese in eine andere Richtung weiterspinnen oder zwei etablierte Formate miteinander vereinen – wie etwa in der „Alien vs. Predator“-Franchise.


Ergänzend zu der Analyse von Qualitätsurteilen haben wir den ökonomischen Erfolg von Filmfortsetzungen untersucht und konnten die zentralen Ergebnisse bestätigen. Mit einem Abschlag von 38 Prozent auf die Profitabilität einer Fortsetzung hat eine abweichende Genreklassifikation den größten negativen Effekt und sollte daher unbedingt vermieden werden. Ein kompletter Austausch der Hauptdarstellerinnen und -darsteller einer Serie birgt das Risiko einer um 29 Prozent reduzierten Profitabilität und verweist auf die Notwendigkeit, die zentralen Mimen einer erfolgversprechenden Franchise möglichst frühzeitig an sich zu binden.


Was die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Kontexte anbelangt, sehen wir Parallelen zwischen Filmfortsetzungen und anderen seriellen Medienformaten im Print-, Musik-, TV- und Games-Bereich. Schließlich könnte sich der präsentierte theoretische Rahmen mit seiner neuen Konzeptionalisierung der Qualität als konsumkapitalbezogene Qualität für die Analyse ganz anderer Produkte und Dienstleistungen wie etwa dem Angebot von Museen, Restaurants oder Vergnügungsparks eignen, bei denen das aktuelle Konsumerlebnis häufig ebenfalls von spezifischem Wissen und vorherigen Erfahrungen abhängt.

Zum Weiterlesen: The more you know, the more you enjoy?


Titelbild:

| stokpic / Pixabay.com (CC0 Public Domain) | Link


Bilder im Text:

| Herm / Pixabay.com (CC0 Public Domain) | Link

| Basic Instinct / By Source: en.wikipedia.org (Fair use) | Link


Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Christian Opitz und Prof. Dr. Kay H. Hofmann

Redaktionelle Umsetzung: CvD

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