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Seit 2009 leitete Prof. Dr. Marcel Tyrell das Buchanan Institut für Unternehmer- und Finanzwissenschaften an der Zeppelin Universität. Vorher lehrte er unter anderem an der Universität Frankfurt, der University of Pennsylvania und der European Business School. Schwerpunktmäßig forscht er zu Veränderungen von Finanzsystemstrukturen, mikro- und makroökonomischen Auswirkungen von Finanzkrisen und der Verschuldungsdynamik von Volkswirtschaften. 2017 übernahm er den Lehrstuhl Banking and Finance an der Universität Witten/Herdecke und blieb der Zeppelin Universität als Gastprofessor für Economics of Financial Institutions erhalten.
Aktivistische Investoren haben Europa als Feld für ihre Aktivitäten entdeckt. Allein im Jahr 2017 gab es 161 Kampagnen von aktivistischen Aktionären, während es beispielsweise im Jahr 2011 noch lediglich 44 waren. In Deutschland bekannt wurden dabei die Turbulenzen um den Pharmahersteller Stada und noch prominenter der Vorstoß von Hedgefonds beim Stahlkonzern Thyssenkrupp, der dazu führte, dass sowohl der Vorstands- als auch der Aufsichtsratsvorsitzende zurückgetreten sind. Was aber wollen diese aktivistischen Investoren, zu denen neben aggressiven Hedgefonds wie Elliot und Third Point inzwischen auch Asset Manager, Einzelinvestoren und beispielsweise Pensionsfonds zählen, die Druck auf die jeweiligen Unternehmensführungen ausüben? Und wie sind diese Aktivitäten zu bewerten?
Die Strategien von aktivistischen Investoren lassen sich in drei Kategorien einteilen. Zum einen gibt es die Fonds, die sich auf bestimmte Ereignisse wie laufende Übernahmen spezialisiert haben. Diese Investoren treten zum Beispiel in laufende Übernahmen ein, indem sie Anteilspakete der zu übernehmenden Gesellschaft auf dem Kapitalmarkt kaufen. Dann stellen sie sich aber quer und versuchen, im Übernahmeprozess einen höheren Preis für diese Anteile von der Unternehmung gezahlt zu bekommen, die die Übernahme initiiert hatte. Letztlich ist ihr Bestreben, eine Abfindung herauszupressen, um sich dann wieder aus dem Unternehmen zu verabschieden.
In die zweite Kategorie fallen aktivistische Investoren, die grundlegende Veränderungen in Unternehmen durchsetzen wollen. Diese kaufen Anteilspakete von Unternehmen, bei denen aus ihrer Sicht grundsätzlich etwas schiefläuft – etwa im Sinne einer falschen Strategieverfolgung oder der Bündelung von Unternehmensaktivitäten, die kaum Synergieeffekte aufweisen. Hier ist es schwieriger einzuschätzen, ob die aktivistischen Aktionäre langfristig orientiert sind oder zum Beispiel eine kurzfristig zu implementierende Zerschlagung der Unternehmung mit Verkauf von einzelnen Divisionen zum Ziel haben.
Es gibt zum dritten Aktivisten, die sich auf Leerverkäufe von Aktien bestimmter Unternehmen spezialisiert haben. Sie leihen sich also Aktien, verkaufen diese daraufhin sofort zum vorherrschenden Marktpreis und hoffen auf einen Kursverfall bis zum Ende der Leihfrist, um sie dann billiger zu kaufen und dem Verleiher zurückgeben zu können. Meist versuchen diese Investoren in der Zwischenzeit mit negativen Behauptungen über das Unternehmen den Kursverfall selber zu erzeugen.
Was all diese aktivistischen Investoren gemeinsam haben: Sie versuchen praktisch nie, die Unternehmung insgesamt zu übernehmen. Ganz im Gegenteil: Sie investieren in Aktienpakete, die typischerweise nur wenige Prozentpunkte an der Unternehmung repräsentieren, und bauen dann Druck im Rahmen ihrer Gesamtstrategie auf, um die von ihnen gewünschten Veränderungen zu bewirken. Zum zweiten ist es recht häufig der Fall, dass mehrere aktivistische Aktionäre, die mehr oder weniger gemeinsame Interessen verfolgen, gleichzeitig in einer Unternehmung investiert sind. Sie agieren dann wie ein „Wolfs Pack“. Zum dritten ist das letztendliche Ziel all dieser aktivistischen Investoren eindeutig: Mit ihrer Strategie soll eine kurz- und/oder langfristige Überschussrendite für ihre Anleger erwirtschaftet werden.
Was wissen wir über den Erfolg der aktivistischen Investoren? Es gibt umfangreiche Untersuchungen zu den kurzfristigen Aktienkurseffekten auf das Bekanntwerden des Engagements von aktivistischen Investoren in einer Unternehmung. Im Durchschnitt sind diese Aktienkurseffekte in fast allen Untersuchungen unabhängig von Herkunfts- und Zielland stark positiv. Alle Aktionäre profitieren somit kurzfristig von den aktivistischen Investoren, wenn man die Aktienkursreaktion zur alleinigen Richtschnur des Handelns macht.
Zwiespältig sind die Ergebnisse zu den langfristigen Effekten, die typischerweise realwirtschaftliche Veränderungen widerspiegeln. Hier gibt es zum einen Hinweise, dass sich die Produktivität der betreffenden Unternehmen nach dem Einstieg aktivistischer Investoren signifikant verbessert hat. Dies ging typischerweise einher mit einer höheren Produktivität der Arbeitnehmer, aber auch einer Reduktion der Lohnsumme der betreffenden Unternehmen. Auch der Einfluss auf die Kreditkosten der Unternehmen ist nicht eindeutig. Hier zeigt sich, dass zuerst einmal im Schnitt die Kreditkosten steigen, da das Unternehmen nach Einstieg von aktivistischen Investoren als riskanter angesehen wird. Aber sofern der aktivistische Investor eine längerfristige Überwachungsfunktion hinsichtlich des Managements wahrnimmt, verringern sich die Kreditkosten.
Zudem scheint es in Bezug auf die langfristige Aktienkursreaktion einen Selektionseffekt zu geben. Es ist zwar der Fall, dass langfristig die Unternehmen, in die aktivistische Investoren eingestiegen sind, eine überdurchschnittliche Aktienkursentwicklung aufweisen, aber – wie eine neueste Untersuchung zeigt – dies ist allein darauf zurückzuführen, dass aktivistische Investoren gut in der Lage sind, unterdurchschnittlich erfolgreiche Unternehmen zu selektieren, in die sie dann intervenieren. Wenn man jedoch diese Unternehmen mit anderen, ebenfalls wenig erfolgreichen Unternehmen vergleicht, in die kein aktivistischer Aktionär investiert hat, dann schneiden sie im Vergleich sogar schlechter ab. Die Interventionen der aktivistischen Investoren sind nach dieser Lesart nicht der Grund für ihren Erfolg, sondern allein ihre Fähigkeiten in der Selektion von Unternehmen.
Was folgt aus alledem? Kampagnen aktivistischer Investoren sind wohl auch in Deutschland oft ein Reflex akuter Corporate Governance-Probleme in den betreffenden Unternehmen, wie die Fallbeispiele Stada und Thyssenkrupp offensichtlich zeigen. Sie decken somit massive Defizite in der Unternehmensführung auf, auch wenn die von ihnen empfohlenen Maßnahmen dann oftmals keine substantielle langfristige Unternehmenswertsteigerung zur Folge haben. Trotzdem sind sie ein wichtiges Korrektiv für eine häufig zu eigenmächtige Unternehmensleitung, also Segen und Fluch zugleich.
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Bilder im Text:
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Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Marcel Tyrell
Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm