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Millisekunden, Millionengewinne
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Hochfrequenzhandel

Millisekunden, Millionengewinne

Interview: Florian Gehm | Redaktion
21.12.2016
Als privater Anleger ist man dem Treiben der Hochfrequenzhändler ausgeliefert. Das kann sich wie folgt auswirken: positiv insofern, dass der Privathändler von effizienteren und liquideren Märkten profitiert, oder negativ insofern, dass die Order des Privathändlers hinter der des Hochfrequenzhändlers in der Ausführung steht.

Prof. Dr. Franziska Peter
Lehrstuhl für Empirische Kapitalmarktforschung und Ökonometrie
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Franziska Peter

    Prof. Dr. Franziska Peter ist seit 2016 Inhaberin des Lehrstuhls für Empirische Kapitalmarktforschung und Ökonometrie an der Zeppelin Universität. Nach ihrem Studium in „International Economics“ in Tübigen und Newcastle führte sie ihr Weg zunächst an das Department of Statistics, Econometrics and Empirical Economics ihrer Alma Mater in Baden-Württemberg. 2011 promovierte sie sich mit einer Dissertation mit dem Titel „Where is the Market? Three Econometric Approaches to Measure Contributions to Price Discovery“. Nach postdoktoraler Forschung in Tübingen zog es Peter 2016 schließlich nach Friedrichshafen. 

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Die Deutsche Börse beschreibt Hochfrequenzhandel als Vorgang, bei dem eigenständig handelnde, extrem schnelle Hochleistungscomputer mit Wertpapieren handeln. In welchen Dimensionen müssen wir uns das vorstellen? 

Prof. Dr. Franziska Peter: Zeitlich gesehen befinden wir uns im Bereich von Milli- oder Mikrosekunden, die ein entsprechender Hochleistungsrechner braucht, um eine Transaktion durchzuführen.  Hier spielt natürlich die technologische Ausstattung sowohl auf Seiten des Händlers als auch auf der Seite der Handelsbörse eine Rolle. Ein Hochfrequenzhändler benötigt eine technologische Infrastruktur, die es ihm ermöglicht, Handelsentscheidungen innerhalb extrem kurzer Zeit zu treffen. Damit die Order auch schnellstmöglich ausgeführt werden kann, stellt die Handelsbörse wiederum  sogenannte „Kolokationen“ zur Verfügung. Das sind anmietbare Räume, die sich möglichst nah an den Hauptrechnern der Börse befinden, so dass der elektronische Weg vom Rechner des Händlers zum Server der Börse so kurz wie irgendwie möglich ist. Was die Größendimensionen des Hochfrequenzhandels betrifft, so sind konkrete Aussagen schwierig, da Hochfrequenzhandel nicht eindeutig definiert ist. Grob kann man sagen, dass der Marktanteil des Hochfrequenzhandels in Deutschland etwa 40  Prozent beträgt, in den USA sogar deutlich über 50 Prozent.

Auch die Bundesbank ruft der superschnelle Handel an den Börsen auf den Plan: Im Herbst 2016 plädierte sie für eine Debatte über eine Regulierung des Turbohandels – verbunden mit Maßnahmen, die das hohe Tempo des Handels verzögern. Ziel sei es, Anreize zu setzen, die das zweifelhafte technologische Wettrüsten an den Börsenplätzen reduzieren. Ein pauschales Urteil will sich die Notenbank zwar nicht anmaßen, spricht aber von „exzessiv temporären anstelle einer informativen Volatilität“. Die Analyse der Bundesbank ist nach ihren Angaben die erste genauere Untersuchung des Turbohandels in Deutschland. Grundlage waren Millionen von Daten aus zwei Handelswochen an der Terminbörse Eurex der Deutschen Börse vor zwei Jahren. Ein erster Regulierungsschritt ist seit 2013 zumindest getan: Das Hochfrequenzregulierungsgesetz unterlegt  Börsen und Händler einer speziellen Erlaubnis und verpflichtet zur Absicherung der Handelssysteme.
Auch die Bundesbank ruft der superschnelle Handel an den Börsen auf den Plan: Im Herbst 2016 plädierte sie für eine Debatte über eine Regulierung des Turbohandels – verbunden mit Maßnahmen, die das hohe Tempo des Handels verzögern. Ziel sei es, Anreize zu setzen, die das zweifelhafte technologische Wettrüsten an den Börsenplätzen reduzieren. Ein pauschales Urteil will sich die Notenbank zwar nicht anmaßen, spricht aber von „exzessiv temporären anstelle einer informativen Volatilität“. Die Analyse der Bundesbank ist nach ihren Angaben die erste genauere Untersuchung des Turbohandels in Deutschland. Grundlage waren Millionen von Daten aus zwei Handelswochen an der Terminbörse Eurex der Deutschen Börse vor zwei Jahren. Ein erster Regulierungsschritt ist seit 2013 zumindest getan: Das Hochfrequenzregulierungsgesetz unterlegt Börsen und Händler einer speziellen Erlaubnis und verpflichtet zur Absicherung der Handelssysteme.

Das Handelsblatt beschreibt die Art des Handelns als Kampf zwischen Mensch und Maschine. Im Bezug auf den Titel ihrer Antrittsvorlesung ist das Urteil damit klar: Ein Fluch! Ein gerechtes Urteil? 

Peter: Wissenschaftlich gesehen sicher nicht. In der akademischen Forschung findet sich zumeist empirische Evidenz für höhere Liquidität, geringere Spreads und schnellere Informationsverarbeitung als Folge des Hochfrequenzhandels. Somit führt er zu effizienteren, liquideren Märkten. Die Auswirkungen auf die Volatilität sind allerdings nicht ganz eindeutig, es gibt aber momentan auch keine klaren Hinweise darauf, dass der Hochfrequenzhandel die Preise volatiler macht.

Wo kann der Mensch im Hochfrequenzhandel überhaupt noch eine Rolle spielen? 

Peter: Der Mensch wird bei der Implementierung der Algorithmen und der Regulierung der Börsen aktiv. Denn die Entscheidungen, die ein Computer trifft, basieren auf von Menschen implementierten Algorithmen – auch entscheidet der Mensch, ob der Computer überhaupt handelt und wie lange. Darüber hinaus unterliegt auch Hochfrequenzhandel den Regularien eines Handelsplatzes – diese beinhalten mittlerweile bestimmte Regeln für Hochfrequenzhändler. In Deutschland existiert seit 2013 das Hochfrequenzhandelsgesetz und auf europäischer Ebene werden entsprechende Gesetze im Rahmen der MiFID-Richtlinien, ein Akronym für die englische Bezeichnung „Markets in Financial Instruments Directive“, diskutiert.

Jeder Computernutzer kennt eingefrorene Mauszeiger, überraschende Neustarts und unangekündigte Updates. Was passiert, wenn auch der beste Algorithmus einmal schlapp macht?

Peter: Die Technologie der Hochfrequenzhändler geht doch etwas über die eines normalen Privatrechners hinaus und verfügt über wesentlich effizientere Sicherungsmechanismen. Letztendlich trägt der Hochfrequenzhändler das Risiko für solcher Ausfälle. Die Börsen wiederum verfügen über Sicherungsmechanismen, die im Notfall den Handel eines Wertpapiers kurzzeitig aussetzen. Meist reichen ein paar Sekunden, um bei solchen Phänomenen wieder zum normalen Handelsalltag überzugehen.

Gibt es Beispiele, in denen Hochfrequenzhandel besonders gut funktioniert hat – oder im Gegenzug richtig gefährlich wurde? 

Peter: Da es schwierig ist, Hochfrequenzhandel eindeutig zu identifizieren, ist auch die Antwort auf diese Frage nicht eindeutig. Es gibt den allgemein bekannten Flash Crash, einen extremen Kurseinbruch der amerikanischen Leitindizes um mehr als sechs Prozent innerhalb von 20 Minuten am 6. Mai 2010. Als Ursache wird eine große Verkaufsorder durch einen Algorithmus im E-Mini-Futures-Markt diskutiert. Inwiefern hier allerdings wirklich Hochfrequenzhandel als Auslöser in Frage kommt, ist nicht eindeutig geklärt. Auch haben sich die Kurse innerhalb weniger Minuten wieder weitgehend beruhigt, so dass – zumindest im Nachhinein gesehen – keine Gefahr für die Stabilität des Marktes bestand.

Flimmernde Grafiken, sich ständig bewegende Zahlen, gigantische Computerbildschirme. Der Handel mit Aktien hat den früheren Börsencharme verloren, findet heute in Superlativen statt – ein Großteil davon technisch gestützt und von Algorithmen ausgeführt. Brad Katsuyama, Gründer der Aktienbörse Investors Exchange (IEX), will den Hochfrequenzhandel ausbremsen. Der Kanadier mit asiatischen Wurzeln ist überzeugt davon, dass Hochfrequenzhändler die Preise für Aktien auf unlautere Weise nach oben treiben – zum Nachteil der übrigen Anleger. Seine These ist höchst umstritten, doch mit seiner Börse IEX, einer Börse für Anleger, scheint er am Ziel angekommen zu sein. Dabei setzt Katsuyama keineswegs auf Überweisungen per Brief. Nur 350 Mikrosekunden langsamer soll der Handel werden. Leute, die sich mit der Materie auskennen, sagen, dies sei in etwa so, als würde man einen Ferrari auf die Geschwindigkeit eines älteren Ford herunterdrosseln. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung soll vor allem Kunden locken, die kein Geld in teure Technik investieren möchten – sich eben auch mit einem älteren Ford zufrieden geben. Ein zusätzlicher Marktplatz belebe zwar den Wettbewerb, kommentieren Insider, doch ob die IEX wirklich die heroisch und selbstlose Börse zu sein scheint, die Katsuyama verkörpern will, bleibt höchst fraglich.
Flimmernde Grafiken, sich ständig bewegende Zahlen, gigantische Computerbildschirme. Der Handel mit Aktien hat den früheren Börsencharme verloren, findet heute in Superlativen statt – ein Großteil davon technisch gestützt und von Algorithmen ausgeführt. Brad Katsuyama, Gründer der Aktienbörse Investors Exchange (IEX), will den Hochfrequenzhandel ausbremsen. Der Kanadier mit asiatischen Wurzeln ist überzeugt davon, dass Hochfrequenzhändler die Preise für Aktien auf unlautere Weise nach oben treiben – zum Nachteil der übrigen Anleger. Seine These ist höchst umstritten, doch mit seiner Börse IEX, einer Börse für Anleger, scheint er am Ziel angekommen zu sein. Dabei setzt Katsuyama keineswegs auf Überweisungen per Brief. Nur 350 Mikrosekunden langsamer soll der Handel werden. Leute, die sich mit der Materie auskennen, sagen, dies sei in etwa so, als würde man einen Ferrari auf die Geschwindigkeit eines älteren Ford herunterdrosseln. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung soll vor allem Kunden locken, die kein Geld in teure Technik investieren möchten – sich eben auch mit einem älteren Ford zufrieden geben. Ein zusätzlicher Marktplatz belebe zwar den Wettbewerb, kommentieren Insider, doch ob die IEX wirklich die heroisch und selbstlose Börse zu sein scheint, die Katsuyama verkörpern will, bleibt höchst fraglich.

Welche Auswirkungen hat der Hochfrequenzhandel neben den Märkten denn auf private Anleger. Muss ich meine 30 Auto-Aktien jetzt auch in Computer-Geschwindigkeit weiterverkaufen? 

Peter: Mithalten kann man als Privathändler sowieso nicht. Als privater Anleger ist man dem Treiben der Hochfrequenzhändler ausgeliefert. Das kann sich wie folgt auswirken: positiv insofern, dass der Privathändler von effizienteren und liquideren Märkten profitiert, oder negativ insofern, dass die Order des Privathändlers hinter der des Hochfrequenzhändlers in der Ausführung steht. Dieses Phänomen bezeichnen wir als sogenanntes front-running der Hochfrequenzhändler. Wirklich herausfinden wird das der kleine Privatanleger wohl sowieso nicht.

Abschließend ein Blick in die Kristallkugel: Schon für den Privatnutzer sind mit Ultra-HD-Auflösungen und superschnellen Festplatten modernste Techniken erschwinglich. „Wie soll das bloß weitergehen?“, will man fragen. Gleiches gilt für den Hochfrequenzhandel: Wie kann und wird sich dieses System weiterentwickeln?

Peter: Wie es weitergeht, das wissen wohl eher Physiker und Informatiker – denn das hängt von den technologischen Innovationen ab. Hochfrequenzhandel besteht solange und in dem Maße, wie er profitabel ist. Momentan zeigt sich eher ein Rückgang in der Zahl der Hochfrequenzhändler, da auch innerhalb dieser Gruppe wirklich nur die schnellsten Händler Gewinne erzielen – und das sind diejenigen, die über die beste Technologie verfügen.

Titelbild: 

| geralt / pixabay.com (CC0 Public Domain


Bilder im Text: 

| Bundesverband deutscher Banken / flickr.com (Öffentliche Domäne

| PIX1861 / pixabay.com (CC0 Public Domain)  


Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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