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Eine unbequeme Wahrheit
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Energiewende

Eine unbequeme Wahrheit

von Prof. Dr. Alexander Eisenkopf | Zeppelin Universität
16.05.2019
Die unbequeme Wahrheit bleibt wahr: Batterieelektrische Autos sind nicht der richtige Weg zur Dekarbonisierung des Pkw-Verkehrs, solange es nicht gelingt, sie mit einem wesentlich größeren Anteil emissionsarmen Stroms zu betreiben.

Prof. Dr. Alexander Eisenkopf
ZEPPELIN-Lehrstuhl für Wirtschafts- und Verkehrspolitik
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Alexander Eisenkopf

    Alexander Eisenkopf studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Nach seiner Promotion über Just in Time-orientierte Fertigungs- und Logistikstrategien arbeitete und lehrte Eisenkopf in Gießen und Frankfurt. Seit 2003 ist Eisenkopf Professor an der Zeppelin Universität und Gastdozent an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem auf Mobilität und Transportunternehmen. 

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Relevant für das Ergebnis ist zunächst, welcher Strom getankt wird. Die Autoren berechnen die CO2-Emissionen des Nettostromverbrauchs in Deutschland auf der Basis offizieller Daten mit 550 Gramm je kWh „Steckdosenstrom“. Während etwa Photovoltaik und Windkraft als emissionsfreie Form der Energiebereitstellung in die Berechnung eingehen, liegt der spezifische Emissionsfaktor für Braunkohle bei 1,36 kg/kWh. Im Ergebnis beträgt der CO2-Ausstoß für den Tesla 3 mit einem offiziellen Verbrauch von 15 kWh pro 100 km (nach NEFZ) nur 83 Gramm je Kilometer. Dieser Wert liegt deutlich unter den Emissionen des Dieselmotors im Mercedes C220d, der nach Herstellerangaben 117 Gramm je Kilometer ausstößt (ebenfalls NEFZ). Rechnet man für einen realistischen Vergleich die Vorkettenemissionen der Dieselerzeugung (well to tank) mit einem Fünftel hinzu, kommt man auf Emissionen in Höhe von 141 Gramm je Kilometer für den Diesel.


Allerdings fallen auch bei der Batterieproduktion erhebliche zusätzliche CO2-Emissionen an. So werden die für die Batterie notwendigen Materialien Lithium, Kobalt und Mangan mit sehr hohem Energieeinsatz gewonnen und verarbeitet. Hinzu kommen die CO2-Emissionen des Transports der Batterieelemente. Sinn et al. beziehen sich auf eine aktuelle schwedische Meta-Studie aus dem Jahr 2017, die eine Bandbreite von 145 bis 195 kg CO2-Äquivalente je kWh Batteriekapazität angibt. Daraus errechnet sich für den Tesla 3 mit 75 kWh Batteriekapazität (Reichweite von etwa 500 km) ein zusätzlicher CO2-Ausstoß von 73 bis 98 Gramm je Kilometer, wenn eine Batterielebensdauer von 10 Jahren bei einer jährlichen Fahrstrecke von 15.000 km unterstellt wird. Insgesamt liegt der CO2-Ausstoß dann bei 156 bis 181 Gramm und damit über den Emissionen des Mercedes C220d.


Daraus schließen die Autoren, dass Elektroautos in den nächsten Jahren nur schwerlich einen Beitrag zur Reduktion des CO2-Ausstosses im Verkehr liefern dürften, während die EU im Zuge ihrer Richtlinien zum Flottenverbrauch Elektrofahrzeuge pauschal als Nullemissionsfahrzeuge ansetzt. Dieses Ergebnis sei nur dann zu modifizieren, wenn der Anteil emissionsarmer Energie steige, was aber aus Sicht von Sinn et al. nicht plausibel ist. Als Alternative wird empfohlen, auf die Wasserstoff-Methan-Technologie zu setzen und die weitere Entwicklung generell technologieoffen zu halten.


Die Studie erhielt sehr schnell Aufmerksamkeit in ausgewählten Medien. So lieferten das Online-Portal der WirtschaftsWoche, Focus Online und SPIEGEL ONLINE heftige Abwehrgefechte; auch das Bundesumweltministerium meldete sich zu Wort. Unter dem Titel „Ifo-Institut rechnet E-Autos schlecht – und macht dabei viele Fehler“ versuchte beispielsweise Focus Online bereits kurz nach der Veröffentlichung der Studie in einer recht detaillierten und zuweilen polemischen Argumentation, die in der Folge von zahlreichen Elektromobilitäts-nahen Informationsportalen aufgegriffen wurde, den Wissenschaftlern eklatante Fehler nachzuweisen. Auch die WirtschaftsWoche beschäftigte sich online mit dem Thema und warf Sinn und seinen Koautoren vor, sich – wie schon in einigen anderen „Studien“ zuvor – einfacher Tricks bedient zu haben, um Elektroautos schlecht und den Diesel schön zu rechnen. SPIEGEL ONLINE kam sogar zu dem Ergebnis, dass der Tesla 3 bei richtiger Rechnung nur 31 Gramm CO2 je km verursache: Also alles Unsinn, was Sinn und Konsorten schreiben?

Der frühere ifo-Chef Hans-Werner Sinn und zwei Koautoren haben in der Woche vor Ostern eine Studie vorgelegt, nach der Elektroautos das Klima um 11 bis 28 Prozent stärker belasten als Diesel-Pkw. Diese Zahl käme zustande, sobald der CO2-Ausstoß bei der Herstellung der Batterien und der deutsche Strommix in der Rechnung berücksichtigt werde. Lithium, Kobalt und Mangan für die Batterien würden mit hohem Energieeinsatz gewonnen und verarbeitet. Eine Batterie für einen Tesla Model 3 etwa belaste das Klima mit 11 bis 15 Tonnen CO2. Dazu kommen noch die CO2-Emissionen des Stroms. In Wirklichkeit stoße der Tesla zwischen 156 und 181 Gramm CO2 je Kilometer aus und damit deutlich mehr als ein vergleichbarer Diesel-Mercedes.
Der frühere ifo-Chef Hans-Werner Sinn und zwei Koautoren haben in der Woche vor Ostern eine Studie vorgelegt, nach der Elektroautos das Klima um 11 bis 28 Prozent stärker belasten als Diesel-Pkw. Diese Zahl käme zustande, sobald der CO2-Ausstoß bei der Herstellung der Batterien und der deutsche Strommix in der Rechnung berücksichtigt werde. Lithium, Kobalt und Mangan für die Batterien würden mit hohem Energieeinsatz gewonnen und verarbeitet. Eine Batterie für einen Tesla Model 3 etwa belaste das Klima mit 11 bis 15 Tonnen CO2. Dazu kommen noch die CO2-Emissionen des Stroms. In Wirklichkeit stoße der Tesla zwischen 156 und 181 Gramm CO2 je Kilometer aus und damit deutlich mehr als ein vergleichbarer Diesel-Mercedes.

Um das Ergebnis vorwegzunehmen – die zuweilen heftig formulierten Vorwürfe der Journalisten gehen überwiegend ins Leere. Man wundert sich jedoch, welche Tiefe und Intensität die Recherche der Online-Portale von Nachrichtenmagazinen sozusagen über Nacht bei diesem Thema entwickelten. Spontan stellt sich die Frage, welche Einflüsterer aus dem klimapolitisch-industriellen Komplex dabei wohl als Büchsenspanner assistiert haben. Doch zurück zu den inhaltlichen Punkten:


1. Zu Recht weist etwa die WirtschaftsWoche auf die Tatsache hin, dass Sinn et al. für die Verbrauchswerte beider Fahrzeuge Messwerte des NEFZ und nicht des neuen Fahrzyklus WLTP oder gar Realverbrauchswerte zugrunde legen. Die Studienautoren begründen das damit, dass Angaben zum neuen Fahrzyklus zum Zeitpunkt der Erstellung der Studie nur für den Diesel zur Verfügung gestanden hätten.


Bekannt ist, dass die tatsächlichen Emissionen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren deutlich über den offiziellen NEFZ-Verbrauchswerten liegen. Für den Mercedes C220d weist ein Autotest des ADAC aus dem September 2018 einen Durchschnittsverbrauch von 5,2 Litern Diesel/100km aus (offiziell 4,4 l). Dies entspricht CO2-Emissionen in Höhe von 139 Gramm/km. Mit dem Aufschlag für die Vorkette lägen die Gesamtemissionen dann bei rund 166 Gramm/km. Damit wäre der Tesla nur im Worst Case-Szenario ungünstiger als der Diesel. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass auch der Realverbrauch des batterieelektrischen Autos vom Normverbrauch nach oben abweicht. Bereits ab einer Abweichung von 12 Prozent beim Elektrofahrzeug wäre der Diesel auch im Best Case wieder im Vorteil. Nachrichtlich zu erwähnen ist in diesem Kontext, dass ein Praxistest der Redaktion Motor und Technik der F.A.Z zu dem Ergebnis kam, dass der Realverbrauch des Tesla um 64 Prozent und der des Mercedes C220d um 53 Prozent über dem NEFZ-Normverbrauch lag.


2. Ein weiterer Streitpunkt sind Lebensdauer und CO2-Emissionen der Batterie. Kritisiert wird, dass die wirtschaftliche Nutzungszeit der Batterie von Sinn und Koautoren viel zu niedrig angesetzt worden sei (10 Jahre mit 150.000 km). Eine zu zehnfach höhere Lebensdauer sei realistisch.


In der Tat wird die angenommene Lebensdauer einer Batterie von Sinn et al. nicht explizit begründet. Eine jährliche Fahrleistung von 15.000 km scheint allerdings im oberen realistischen Bereich angesichts der Durchschnittsfahrleistungen in Deutschland und eher zugunsten des Elektrofahrzeugs gerechnet. Ob eine Batterie im Realbetrieb auf Deutschlands Straßen wirklich länger als zehn Jahre hält, lässt sich nicht abschließend beantworten. Es gibt gute Gründe, hier eher vorsichtig zu rechnen, da optimierte Ladezyklen im Realbetrieb nicht zwangsläufig umgesetzt werden können. Über ein mögliches Batterierecycling gibt es zudem zu wenig belastbare Informationen.


3. Weiterhin wird von Kritikern bemängelt, dass der Diesel Bauteile benötige, die beim Batteriefahrzeug nicht anfielen und deren Produktion den CO2-Rucksack des konventionellen Fahrzeugs erhöhe.


Mit diesem Thema setzen sich Sinn et al. in ihrer Studie allerdings dezidiert auseinander und weisen darauf hin, dass umgekehrt für das Batteriefahrzeug viele Zusatzbauteile benötigt werden, die weltweit beschafft werden müssten. Sie beziehen sich dabei auf Daten des klimapolitisch recht unverdächtigen Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg.


4. Zuletzt meint etwa die WirtschaftsWoche den Autoren einen Fehler nachzuweisen, indem auf die Annahmen zu den spezifischen Emissionsfaktoren verwiesen wird: „Beim Stromaufwand für das Fahren des Tesla schließlich berechnet Sinn CO2-Emissionen, die um satte 16 Prozent höher liegen als die offiziellen Zahlen des Umweltbundesamtes. Warum weiß man nicht, aber auch das verschlechtert natürlich die Bilanz des Elektroautos, ist ohne wissenschaftliche Grundlage und öffnet Spekulationen Tür und Tor.“


Das ist nunmehr nachweislich falsch und reine Polemik. Sinn und seine Koautoren berechnen sehr dezidiert die Emissionsfaktoren auf Basis von Daten des Umweltbundesamtes. Das Problem ist lediglich, dass Kritiker nicht wahrhaben wollen, dass für den Vergleich der Emissionsfaktoren der Nettostromverbrauch („Strom aus der Steckdose“) relevant ist und nicht die Bruttogröße, beziehungsweise die Vorkettenemissionen wie beim Diesel auch eingerechnet werden müssen.

Insgesamt ändert die zum Teil völlig unsachliche Kritik in den Medien nichts an der Tatsache, dass es um die Klimabilanz von batterieelektrischen Fahrzeugen nicht zum Besten bestellt ist. Die mehrfach gegen Sinn ins Feld geführte Studie des Fraunhofer ISI-Instituts rechnet nämlich selbst im Basisszenario mit einem Absinken der spezifischen CO2-Emissionen der Elektrizität von über 500 auf nur noch 347 Gramm je kWh bis 2030. Die postulierten Einsparungen des Elektroautos (28 Prozent gegenüber einem Oberklassewagen Diesel und bis zu 42 Prozent gegenüber einem Kleinwagen Benziner) werden zu einem wesentlichen Teil einkassiert, wenn man dieser Prognose skeptisch gegenübersteht, worauf noch näher einzugehen sein wird. Und das ICCT bezieht seine Aussage über die Vorteilhaftigkeit batterieelektrischer Fahrzeuge primär auf die EU insgesamt. Für Deutschland wird relativ klar festgestellt, dass die Lebenszyklusemissionen (für 150.000 km) für die effizientesten konventionellen Fahrzeuge niedriger liegen als für Elektrofahrzeuge. Anders sieht es etwa in Norwegen und Frankreich aus, wo elektrische Energie im Wesentlichen emissionsfrei produziert wird.


Auch eine wohl als Reaktion auf die kontroverse Diskussion von Volkswagen lancierte Vergleichsrechnung des E-Golf mit dem Golf TDI kann die Bedenken von Sinn et al. nicht entkräften. Zwar titelt VW, dass das Elektroauto im europäischen Durchschnitt die beste Klimabilanz habe – aber dies gilt eben nur im europäischen Durchschnitt. Für Deutschland hat der Diesel mit 140 Gramm CO2 gegenüber dem E-Golf mit 142 Gramm die Nase vorn. Außerdem wird der Break Even erst bei 120.000 km erreicht, was für die Umweltbilanz von Elektro-Zweitwagen nichts Gutes verheißt.


Damit sind wir auch beim Knackpunkt der Sinn-Studie, der Frage nach dem Strommix in Deutschland beziehungsweise der marginalen Nutzung von Stromkapazitäten durch Elektroautos. Um diesen Punkt zu verstehen, muss man wissen, dass der Stromsektor in der EU vollumfänglich dem europäischen Emissionshandelssystem EU-ETS unterliegt. Die Treibhausgasemissionen sind in diesem System nach oben gedeckelt; dieser Cap wird bis 2030 jährlich abgesenkt, sodass dann die Emissionen im System rund 40 Prozent unter denen von 1990 liegen werden. Damit wäre das Thema eigentlich erledigt, und es ist ohne Relevanz, ob gerade Braunkohlestrom aus der Lausitz, französischer Atomstrom oder Strom aus einer Windkraftanlage in der Eifel die Batterie eines Pkw aufgeladen hat. Die zusätzliche Nachfrage nach (sauberem) Strom aus der Elektromobilität wird die Preise der Emissionszertifikate steigen lassen und andere, schmutzigere Verwendungen auspreisen und aus dem Markt verdrängen. Insgesamt wird das Emissionsziel von minus 40 Prozent erreicht werden, wenn man einmal von den angesparten, in der Vergangenheit nicht genutzten Zertifikaten absieht. So weit die reine Lehre. 


Sinn und seine Koautoren weisen allerdings darauf hin, dass ein massiver Einstieg in die Elektromobilität in den nächsten Jahren (angedacht sind bis zu 10 Millionen elektrische Pkw im Jahre 2030, das heißt fast ein Viertel der Fahrzeugflotte) die Verhältnisse auf dem Strommarkt auf den Kopf stellen wird, zumal im Jahr 2022 die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet sein werden und die Kohlekommission gerade beschlossen hat, in dem genannten Jahr erste Kohlekraftwerke stillzulegen. Sehr dezidiert rechnen sie vor, dass ein entsprechender Ausbau der Erneuerbaren, der auch noch den Bedarf seitens der Elektromobilität abdeckt, bis 2030 kaum möglich erscheint. Schon heute wird ja der mit Wind und Sonne gewonnene Strom bevorzugt ins Netz eingespeist. Jedes zusätzliche Elektroauto benötigt daher zusätzliche marginale konventionelle Kraftwerkskapazität. Daher erwarten die Autoren, dass die Politik einknicken und den geplanten Zeitpfad der Absenkung der Emissionszertifikate kippen wird. In jedem Fall ist sich die Politik wohl nicht bewusst, dass man mit derartigen partialanalytischen Optimierungen nicht weiterkommt und durch den massiven Ausbau der Elektromobilität ein Problem lediglich in einen anderen Sektor verlagert. Vor diesem Hintergrund sind auch die von der Nationalen Plattform Mobilität in ihrem Zwischenbericht zum Klimaschutz genannten Einsparpotentiale im Pkw-Verkehr (15 bis 23 Millionen Tonnen bei bis zu 10,5 Millionen elektrischen Fahrzeugen) lediglich ein Geschäft zu Lasten Dritter, nämlich des Stromsektors.

Als Antwort auf die Studie der Wissenschaftler rund um Hans-Werner Sinn hielt der Automobilkonzern Volkswagen mit eigenen Zahlen dagegen und hat die Klimabilanz von Elektroautos verteidigt. Bei gleichen Fahrzeugmodellen mit unterschiedlichem Antrieb sei die Klimabilanz der batteriebetriebenen E-Autos schon heute besser als die der Verbrenner-Variante, teilte Volkswagen unter Berufung auf eine zertifizierte Umweltbilanz mit. Über den mit 200.000 Kilometern angegebenen Lebenszyklus einschließlich Produktion und Verwertung komme der aktuelle Golf mit Dieselmotor auf einen CO2-Ausstoß von durchschnittlich 140 Gramm je Kilometer. Beim E-Golf seien es 119 Gramm CO2 je Kilometer, ausgehend vom EU-Strommix, also den derzeit in der EU genutzten Energiequellen für Strom. Beim deutschen Strommix komme man auf 142 Gramm und damit einen Wert vergleichbar mit dem Diesel.
Als Antwort auf die Studie der Wissenschaftler rund um Hans-Werner Sinn hielt der Automobilkonzern Volkswagen mit eigenen Zahlen dagegen und hat die Klimabilanz von Elektroautos verteidigt. Bei gleichen Fahrzeugmodellen mit unterschiedlichem Antrieb sei die Klimabilanz der batteriebetriebenen E-Autos schon heute besser als die der Verbrenner-Variante, teilte Volkswagen unter Berufung auf eine zertifizierte Umweltbilanz mit. Über den mit 200.000 Kilometern angegebenen Lebenszyklus einschließlich Produktion und Verwertung komme der aktuelle Golf mit Dieselmotor auf einen CO2-Ausstoß von durchschnittlich 140 Gramm je Kilometer. Beim E-Golf seien es 119 Gramm CO2 je Kilometer, ausgehend vom EU-Strommix, also den derzeit in der EU genutzten Energiequellen für Strom. Beim deutschen Strommix komme man auf 142 Gramm und damit einen Wert vergleichbar mit dem Diesel.

Dass eine Steigerung des Anteils der Energieträger Wind und Sonne über 30 Prozent hinaus (heute rund 25 Prozent bezogen auf die Bruttostromproduktion) ohne Pufferung durch konventionelle Anlagen wegen der Volatilität und absehbarer überschießender Spitzenlasten kaum möglich ist, hat Sinn schon an anderer Stelle überzeugend nachgewiesen (Sinn, Hans Werner (2017), „Buffering Volatility: A Study on the Limits of Germany’s Energy Revolution“, European Economic Review 99, S. 130-150). Zum einen benötigen Wind- und Solaranlagen bereits heute konventionelle Kraftwerke, die immer zur Verfügung stehen müssen, um die Stromversorgung etwa in der Nacht oder bei Windstille sicherzustellen. Ungeachtet der von der Kohlekommission propagierten Ausstiegsphantasien müssen konventionelle Kraftwerkskapazitäten auch in Zukunft in erheblichem Maße vorgehalten werden, wenn man eine sichere und stabile Energieversorgung in Deutschland garantieren will. Es müssen sogar zusätzliche konventionelle Kapazitäten geschaffen werden, sobald der Ausstieg aus der Atomkraft erfolgt ist und wenn mehrere Millionen Elektroautos mit Strom betankt werden sollen. Dies können zwar auch Gaskraftwerke mit geringeren spezifischen Emissionen sein; wie Sinn et al. konstatieren, steht es aber „in den Sternen“, ob die benötigten Gaskraftwerke tatsächlich auch gebaut werden.


Hinzu tritt die mit einem weiteren Ausbau der Wind- und Photovoltaikanlagen sich verschärfende Problematik der überschießenden Volatilität. Sinn und seine Koautoren legen überzeugend und allgemeinverständlich dar, dass mehr und mehr nicht nur die Phasen der Flaute, sondern auch die überschießenden Stromspitzen ein Problem für das Energieversorgungssystem darstellen. Da auch in Zukunft keine realistischen Speicherkapazitäten bereitstehen, um die Schwankungen im Jahresverlauf zu überbrücken, bleibt als einzige Möglichkeit, überflüssigen Strom als Wasserstoff zu speichern oder gegebenenfalls auch weiter zu Methan zu verarbeiten, was allerdings mit hohen Verlusten hinsichtlich des Wirkungsgrads verbunden ist. Trotzdem empfehlen die Autoren Brennstoffzellenfahrzeuge, die Wasserstoff nutzen oder Gasmotoren als Alternativen zum batterieelektrischen Auto, wenn man das Auslaufen der Nutzung fossiler Brennstoffe als politisch gegeben hinnimmt. 


Was bleibt als Fazit festzuhalten: Sinn und seine Koautoren präsentieren eine Modellrechnung, die zeigt, dass auf der Basis eines Vergleichs zwischen einem Mercedes C220d und einem Tesla Model 3 der CO2-Ausstoß des Elektroautos günstigenfalls ein Zehntel und im Extremfall 28% über dem des Diesels liegt. Eine Vergleichsrechnung, die sich nur auf zwei Fahrzeuge bezieht, die auch nicht wirklich repräsentativ für den Gesamtmarkt sind, hat zunächst nur einen begrenzten Aussagewert. Man kann auch kritisch anmerken, dass die Autoren für den Vergleich der Fahrzeuge die Verbräuche nach dem veralteten NEFZ-Zyklus herangezogen haben. Außerdem ergeben sich bei der Batterieproduktion in Zukunft möglicherweise CO2-Einsparpotentiale, welche sich in den heute vorliegenden Zahlen noch nicht widerspiegeln.

Die Reaktionen zeigen aber, dass die Autoren ins Schwarze getroffen haben. So verbreitet das Umweltministerium die frohe Kunde, dass nach einer aktuellen Studie des Heidelberger ifeu-Instituts die CO2-Bilanz eines Batterieautos im Jahr 2016 drei Prozent (sic!) besser gewesen sei als die eines Dieselautos. Da reibt man sich die Augen. Selbst wenn Sinn et al. Annahmen getroffen haben sollten, die das batterieelektrische Auto schlechter aussehen lassen, liegen sie nicht sehr weit daneben. Und die unbequeme Wahrheit bleibt wahr: Batterieelektrische Autos sind nicht der richtige Weg zur Dekarbonisierung des Pkw-Verkehrs, solange es nicht gelingt, sie mit einem wesentlich größeren Anteil emissionsarmen Stroms zu betreiben.


Beschämend ist daher, dass die EU, die Nationale Plattform Mobilität und die Bundesregierung uns hier Luftbuchungen vorführen, obwohl sie es besser wissen müssten. Auch wenn Elektroautos nur 70 Prozent des Energiebedarfs eines Dieselfahrzeugs aufweisen würden, bleibt es fake, sie in der Emissionsbilanz mit Null anzusetzen und einfach zu behaupten, es könne genug grüner Strom produziert werden. Das alles ist offensichtlich nicht zu Ende und schon gar nicht vom Ende her gedacht. Dies ist die zentrale Message des Aufsatzes von Sinn et al., jenseits der plakativen Diskussion um die Emissionswerte eines Tesla 3 oder Mercedes C220d. Angesichts des Energiebedarfs der Batterieproduktion und des absehbaren Strommixes in Deutschland in den nächsten Jahren ist mit einer Klimastrategie, die auf batterieelektrische Fahrzeuge setzt, kein Blumentopf zu gewinnen. Damit fällt der „Genuss ohne Reue“-Ansatz von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer wie ein Souffle in sich zusammen. Er hat prompt auch die Berechnungen von Sinn als „negativer als angebracht“ bezeichnet, was trotz des verunglückten Komparativs ein wenig an Merkels „nicht hilfreich“ erinnert. So ist das eben mit unbequemen Fakten. Da auch die propagierte Verkehrsverlagerung auf die Schiene nur relativ geringe CO2-Einsparungen bewirken wird, wie die Nationale Plattform Mobilität verschämt feststellt, bleiben nur prohibitiv hohe CO2-Steuern oder harte regulatorische Eingriffe, um die politisch gesetzten Klimaziele im Verkehr zu erreichen: Ansonsten ist der Kaiser wohl nackt.

Wer die Studie von Sinn und seinen Koautoren bis zum Ende liest, wird ein weiteres Schmankerl entdecken. Im Postscriptum stellen die Autoren fast resigniert und ganz vorsichtig die Frage, ob nicht das gesamte klimahysterische Allotria der Bundesregierung angesichts der international nicht bindenden Beschlüsse von Paris völlig zweckfrei ist. Deutschland versucht mit gewaltigen Anstrengungen zu Lasten unseres Wohlstandes CO2 zu sparen, um der Welt etwas Gutes zu tun. Da wir aber das Verhalten des Rests der Welt und insbesondere die Pläne der Anbieter fossiler Rohstoffe nicht kontrollieren können, führt unsere Enthaltsamkeit dazu, dass letztere billiger werden und eine Schwemme billigen Öls es anderen erlaubt, noch größere SUVs zu fahren und noch häufiger um die Welt zu fliegen. Dass es nicht reicht, einfach nur das Gute zu wollen, ist auch eine unbequeme Wahrheit, die die Politik sich anhören muss.

Titelbild: 

Vlad Tchompalov / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Bilder im Text: 

Vlad Tchompalov / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link

| Gab Pili / Unsplash.com (CC0 Public Domain) | Link


Beitrag (redaktionell unverändert): Prof. Dr. Alexander Eisenkopf

Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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