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Entlastung durch Lastenfahrräder
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Mobilitätswandel

Entlastung durch Lastenfahrräder

Interview: Sebastian Paul | Redaktion
17.07.2018
Unsere Forschungen haben gezeigt, dass die Potenziale des Lastenfahrrads sowohl im Wirtschafsverkehr als auch für die private und kommerzielle Nutzung als bedeutender Aspekt der Umsetzung der Energiewende auf lokaler Ebene wahrgenommen werden.

Prof. Dr. Wolfgang H. Schulz
Lehrstuhl für Mobilität, Handel und Logistik und Direktor am Center for Mobility Studies | CfM
 
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    Zur Person
    Prof. Dr. Wolfgang H. Schulz

    Prof. Dr. Wolfgang H. Schulz studierte Wirtschaftswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. Nach seiner Habilitation zum Thema „Industrieökonomik und Transportsektor – Marktdynamik und Marktanpassungen im Güterverkehr" an der Universität zu Köln und seiner Tätigkeit als Studiendekan für Logistik und Handel an der Hochschule Fresenius, ist er seit März 2014 Inhaber des Lehrstuhls für Mobilität, Handel und Logistik sowie Direktor des Center for Mobility Studies | CfM an der Zeppelin Universität.

    Im Zentrum der Forschung und der Arbeit des Lehrstuhls für Mobilität, Handel und Logistik stehen neue Mobilitätskonzepte und -lösungen. Hierbei werden unter der Anwendung neuer theoretischer Ansätze lohnende Konzepte für die betriebswirtschaftliche Praxis abgeleitet, welche darüber hinaus vor allem einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen stiften.  

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Welche Vorteile bieten Lastenfahrräder im Wirtschaftsverkehr?


Prof. Dr. Wolfgang H. Schulz und Lea Heinrich: Durch den Einsatz von (Lasten-)Fährrädern im Wirtschaftsverkehr können sowohl einzel- als auch gesamtwirtschaftliche Vorteile gegenüber konventionellen Kraftfahrzeugen deutlich überwiegen: Unternehmen können Anschaffungs- und Fahrzeugbetriebskosten sparen, die Treibstoffkosten reduzieren sowie Zeitvorteile durch den Wegfall des Parkplatzsuchverkehrs erreichen. Zusätzlich kommt es durch die Reduktion der Kfz-Fahrleistung besonders im Innenstadtbereich zu einer deutlichen und nachhaltigen Verringerung der Schadstoff- und der CO2-Emissionen.


Wie gehen Sie in Ihren Forschungen vor?


Schulz und Heinrich: Zunächst einmal ist es wichtig, Potenziale besser zu antizipieren und ökologische Auswirkungen abzuschätzen. Denn es geht schließlich darum, das Potenzial der Lastenfahrradnutzung für den Wirtschaftsverkehr besser zu beschreiben und zu berechnen sowie Hürden für den Einsatz zu identifizieren, damit sie überwunden werden können. Die Untersuchung neuer Geschäftsmodelle erfordert allerdings einen hohen Grad an interdisziplinärer Zusammenarbeit, die sowohl ökonomische, ökologische, juristische sowie sozialwissenschaftliche Aspekte einbezieht – eine Einzelbetrachtung der unterschiedlichen Perspektiven würde nur ein sehr eingeschränktes Bild ergeben. Hinzu kommt, dass es sich beim Einsatz von Lastenfahrrädern im Wirtschaftsverkehr um eine branchenübergreifende Untersuchung handeln muss: So müssen die eingesetzten Lastenfahrräder zu den Bedürfnissen der potentiellen Anwender passen, und die Einsetzbarkeit hängt zu einem großen Teil von den lokalen Bedingungen vor Ort ab. Diese Annahmen wurden im Rahmen unseres Projektes „HELFI – Herner LastenFahrrad Innovation“ bestätigt.

Mehr als 600 Kilometer trennen die Städte Friedrichshafen und Herne. Was sie verbindet, sind die „Letzte Meile“ und ein innovatives Lastenradprojekt, an dem auch die Zeppelin Universität mitwirkt. Denn die Idee zum Einsatz von Lastenfahrrädern im Wirtschaftsverkehr stammt vom Bodensee, genauer gesagt vom dort ansässigen Center for Mobility Studies | CfM unter der Leitung von Professor Dr. Wolfgang H. Schulz. Ziel ist es, in Städten und Ballungsgebieten eine sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich effiziente Mobilitätslösung für Unternehmen zu erproben. Mit dem Lastenfahrrad erreichen Zusteller gerade auf der letzten Meile im Stadtverkehr – bei entsprechender Infrastruktur für Fahrräder – eine hohe Produktivität. Allerdings ist der Einsatz von Lastenfährrädern im deutschen Wirtschaftsverkehr bisher kaum untersucht, und der Einsatz beschränkt sich auf wenige Modellprojekte.
Mehr als 600 Kilometer trennen die Städte Friedrichshafen und Herne. Was sie verbindet, sind die „Letzte Meile“ und ein innovatives Lastenradprojekt, an dem auch die Zeppelin Universität mitwirkt. Denn die Idee zum Einsatz von Lastenfahrrädern im Wirtschaftsverkehr stammt vom Bodensee, genauer gesagt vom dort ansässigen Center for Mobility Studies | CfM unter der Leitung von Professor Dr. Wolfgang H. Schulz. Ziel ist es, in Städten und Ballungsgebieten eine sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich effiziente Mobilitätslösung für Unternehmen zu erproben. Mit dem Lastenfahrrad erreichen Zusteller gerade auf der letzten Meile im Stadtverkehr – bei entsprechender Infrastruktur für Fahrräder – eine hohe Produktivität. Allerdings ist der Einsatz von Lastenfährrädern im deutschen Wirtschaftsverkehr bisher kaum untersucht, und der Einsatz beschränkt sich auf wenige Modellprojekte.

Was hat es mit dem Projekt auf sich?


Schulz und Heinrich: Woher kommen auf einmal die ganzen Lastenfahrräder? Diese Frage stellten sich bestimmt die Bewohner des Ruhrgebietes, als im Jahr 2015 auf einmal sieben E-Lastenfahrräder durch die Straßen von Herne rollten. Als eines von fünf Umsetzungsprojekten des von der Mercator Stiftung geförderten Rahmenprogramms „Energiewende Ruhr“ initiierten wir einen Lastenfahrradtest, um den Beitrag der alternativen Verkehrsmittel in Bezug auf die Ziele der Energiewende zu identifizieren. Sieben Monate lang testeten lokale Unternehmer wie Handwerker, Blumenhändler und Apotheker die speziell für den kommerziellen Warentransport konzipierten E-Lastenrad-Prototypen im Geschäftsalltag – mehr oder minder erfolgreich.


Welche Erkenntnisse hat das Projekt HELFI geliefert?


Schulz und Heinrich: Die im Projekt HELFI gewonnenen Erkenntnisse bilden eine solide Grundlage für die Ableitung entscheidender Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger urbaner Mobilität über den Einsatz von Lastenfahrrädern im Wirtschaftsverkehr hinaus. Uns war es bereits möglich, diese Erkenntnisse zur Anwendung in weiteren Kommunen zu übertragen und dadurch weitere Initiativen zum Einsatz von Lastenfahrrädern sowie Folgeprojekte im Bereich der Urbanen Mobilität und City Logistik mit einer Vielzahl von Akteuren aus dem kommunalen sowie Wirtschafts- und Forschungsbereich anzustoßen. Diese Entwicklungen zeigen, dass die Potenziale des Lastenfahrrads sowohl im Wirtschafsverkehr als auch für die private und kommerzielle Nutzung als bedeutender Aspekt der Umsetzung der Energiewende auf lokaler Ebene wahrgenommen werden. Es bedarf dabei jedoch noch ein hohes Maß an Unterstützung hinsichtlich Informationsbereitstellung für die Akteure auf kommunaler Ebene, Kommunikation der Potenziale auf privater und politischer Ebene sowie der Konzeption geeigneter Maßnahmen.

Doch es musste auch nachjustiert werden?


Schulz und Heinrich: In der Tat. Bedingt durch die technischen Defizite der eingesetzten Prototypen und die dadurch entstandenen Nutzungsbarrieren waren Anpassungsmaßnahmen des Untersuchungsrahmens notwendig. Da das Fehlerbild der sieben Prototypen einheitlich war, konnten Rückschlüsse auf subjektive Entscheidungskriterien, Präferenzen und Toleranzschwellen der unterschiedlichen Nutzerkategorien ermittelt werden. Die Projektleitung hat daher den Beschluss gefasst, das Projektvorhaben im ursprünglichen Sinne nicht als gescheitert anzusehen, sondern mit einer Richtungsänderung die Verwertung der Erkenntnisse als für Nutzer, Industrie und Politik wertvollen Forschungsschwerpunkt weiter zu vertiefen.


Was brachte die Neuausrichtung des Projektfokus?


Schulz und Heinrich: Die Neuausrichtung des Projektfokus auf die Identifikation kritischer Faktoren, welche maßgeblich für die erfolgreiche Implementierung von Lastenfahrradkonzepten aus Nutzersicht sind, brachte über die rein quantitative Bewertung der Potenziale ebenso Aufschlüsse über die entscheidenden Erfolgsfaktoren – nur so ließen sich wertvolle Erkenntnisse generieren und Handlungsempfehlungen für die involvierten Akteure ableiten. Mit den Erfahrungen aus dem Herner Lastenfahrradprojekt wurde nicht nur die Bedeutung der „Vorreiter“ als Innovationstreiber identifiziert. Durch die Identifikation der unterschiedlichen Einsatzbereiche, der notwendigen Akteure und Abstimmungsprozesse konnten auch konkrete Umsetzungskonzepte erarbeitet werden, welche es den Kommunen erleichtern, das Vorhaben „Lastenfahrrad als alternatives Transportmittel“ effizient in die Tat umzusetzen.

Die europaweit bekannte Messe EUROBIKE ist der zentrale Anlaufpunkt, wenn es um zweirädrige Mobilität und das Treten in die Pedale geht. Auch bei der diesjährigen Ausgabe im Juli 2018 wurde deutlich: Cargobikes haben sich vom Geheimtipp in der Öko-Nische längst zum urbanen Trendsetter entwickelt. Immer mehr Familien schätzen die praktischen Fahrräder mit Ladefläche als stylishen und gleichzeitig nachhaltigen Zweit- oder gar Erstwagenersatz. Logistikunternehmen wiederum entdecken Lastenfahrräder mehr und mehr als geniale Lösung für die schwierige letzte Meile in urbanen Umfeldern. Bereits 2016 sind in Deutschland rund 15 000 Lastenfahrräder mit Elektroantrieb verkauft worden. Zwar liegen die Marktzahlen für 2017 noch nicht vor, aus Marktkreisen ist aber zu hören, dass sich der 2016er Absatz im vergangenen Jahr ungefähr verdoppelt habe. Tendenz 2018 weiter steigend: Laut der jüngsten Auflage des Fahrradmonitor – einer im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur durchgeführten Umfrage –, können sich rund 7 Prozent der Bundesbürger vorstellen, dass bei ihrem nächsten Fahrradkauf ein Lastenfahrrad über die Ladentheke rollt. Gemessen am deutschen Gesamtmarkt von rund 4 Millionen Fahrrädern jährlich, hat der Markt für Cargobikes also noch eine vielversprechende Zukunft.
Die europaweit bekannte Messe EUROBIKE ist der zentrale Anlaufpunkt, wenn es um zweirädrige Mobilität und das Treten in die Pedale geht. Auch bei der diesjährigen Ausgabe im Juli 2018 wurde deutlich: Cargobikes haben sich vom Geheimtipp in der Öko-Nische längst zum urbanen Trendsetter entwickelt. Immer mehr Familien schätzen die praktischen Fahrräder mit Ladefläche als stylishen und gleichzeitig nachhaltigen Zweit- oder gar Erstwagenersatz. Logistikunternehmen wiederum entdecken Lastenfahrräder mehr und mehr als geniale Lösung für die schwierige letzte Meile in urbanen Umfeldern. Bereits 2016 sind in Deutschland rund 15 000 Lastenfahrräder mit Elektroantrieb verkauft worden. Zwar liegen die Marktzahlen für 2017 noch nicht vor, aus Marktkreisen ist aber zu hören, dass sich der 2016er Absatz im vergangenen Jahr ungefähr verdoppelt habe. Tendenz 2018 weiter steigend: Laut der jüngsten Auflage des Fahrradmonitor – einer im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur durchgeführten Umfrage –, können sich rund 7 Prozent der Bundesbürger vorstellen, dass bei ihrem nächsten Fahrradkauf ein Lastenfahrrad über die Ladentheke rollt. Gemessen am deutschen Gesamtmarkt von rund 4 Millionen Fahrrädern jährlich, hat der Markt für Cargobikes also noch eine vielversprechende Zukunft.

Doch wie kamen die Lastenfahrräder an den Bodensee?


Schulz und Heinrich: Da müssen wir ein wenig ausholen. Trotz erheblicher Hürden gelang es uns, genau die Erkenntnisse zu sammeln, welche für den Erfolg des Konzeptes „Lastenfahrrad im Wirtschaftsverkehr“ entscheidend sind. Diese wurden nicht nur durch die Auszeichnung des Projektes als „Qualifiziertes Projekt der KlimaExpo.NRW“ durch den damaligen NRW-Verkehrsminister Michael Groschek als wertvoll erachtet. Die Projektergebnisse waren auch auf europäischer Ebene von Bedeutung, was der Konferenzbeitrag sowie das Feedback der Teilnehmer der „Cargobikes for Urban Logistics Session“ auf der European Transport Conference 2017 in Barcelona widerspiegelt. Und so mussten wir erst einen kleinen Umweg über das Ruhrgebiet und Spanien in Kauf nehmen, um das Thema Lastenfahrrad in die Heimat – nämlich an den Bodensee – zu holen.


Den Vorsitz der Konferenz-Session bei der European Transport Conference hatte Dr.-Ing. Verena Charlotte Ehrler (wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V.) inne, wodurch nach einem spannenden Austausch der Grundstein zur Kooperation im Rahmen des Projektes „Ich entlaste Städte“ gelegt wurde. Schon bei der Eurobike Academy 2015 sagte Dr. Randy Rzewnicki, Projektmanager der European Cycling Federation: „Let them try!“ Das ist es, was potenziellen Lastenfahrradnutzern angeboten werden muss. Die Investition in dieses Transportmittel wird nicht einfach so auf Basis errechneter oder hypothetischer Potenziale getätigt. Jeder Nutzer hat andere Ansprüche an die Transportmittel, und überzeugt werden können nur die, die den individuellen Nutzen erfahren: Und genau diese Möglichkeit bietet das Projekt „Ich entlaste Städte“. Unternehmer können für einen symbolischen Wert von 1 Euro pro Tag ein Lastenfahrrad über den Zeitraum von drei Monaten testen.


Wir sehen diese Möglichkeit als einmalige Chance, nachhaltige Mobilitätskonzepte vor Ort in Friedrichshafen beziehungsweiseiIn der Bodenseeregion zu etablieren und somit einen entscheidenden Beitrag zur verkehrlichen Entlastung und zu einer besseren Lebensqualität zu leisten.

Titelbild und Bilder im Text:

| Menschenfotografin Lena Rainer (alle Rechte vorbehalten)


Redaktionelle Umsetzung: Florian Gehm

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